Post aus Prag: Die "Derby-Saison" kann kommen
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TurfTimes:
In den Zeiten von Österreich-Ungarn wurde das erste Derby in der Region am ersten Juni-Wochenende gelaufen und es war natürlich das österreichische „Blaue Band“ in der guten alten Freudenau. Aber auch wesentlich jüngere Turfleute – wie etwa der Autor dieser Zeilen – können sich noch gut an die Zeit erinnern, als man Ende Juni beim Österreichischen Derby zuerst in der Freudenau und dann in Ebreichsdorf dabei sein konnte. Nun ist aber die Situation des Rennsports an der Donau so, wie sie is, das 149. Österreichische Derby wird erst am 3. September gelaufen, und so ist es wieder einmal Prag, wo die regionale „Derby-Saison“ am Sonntag anfangen wird.
Im 97. Tschechischen Derby (2400 m, 95 000 Euro) wird die maximale Zahl von 16 Startern an den Ablauf kommen. Als hoher Favorit wird der in vier Starts ungeschlagene Manduro-Sohn Black Canyon gehandelt, einer von drei Pferden des Stalles Pegas. Auch die weiteren Schützlinge des Trainers Dalibor Török Noble Cliffs (Canford Cliffs) und der im Gestüt Hofgut Mappen geborene Felix (Jukebox Jury) sind aber nicht ohne Chancen. Deutsche Wurzeln hat auch der vom Stall Parthenaue gezogene Fighting Lips (Mamool), der rechte Bruder zum klassisch platzierten Fair Boss, mit Joseph ist auch ein Sohn von Lando mit von der Partie. Viele chancenreiche Pferde blieben dem letzten Derby-Trial fern – der Sieger der 2000 Guineas Sir Sun (Power) zeigte sich dieses Jahr nur in diesem einem Rennen, der zweite Favorit Stellar Speed (Tamayuz) hatte alle seine bisherigen Rennen in Frankreich bestritten.
Der als Fohlen in Newmarket gekaufte Nagano Gold (Sixties Icon) gelang ins Derby auf Umwegen durch kleine Rennen, das letzte hat er im Mai mit dem Richterspruch „hochüberlegen 15“ gewonnen. Das Team von Nagano Gold hatte mit Frankie Dettori verhandelt, noch vor dessen Verletzung kam aber die Absage, dass er am Sonntag an der Geburtstagsfeier seiner Tochter teilnimmt. Als „Frankie-Ersatz“ hat man sich aus Berlin Bauyrzhan Murzabayev geholt, der das Derby letztes Jahr auf Gontchar gewonnen hatte.
Auf das Prager Derby kann man – wie eben auf jedes Derby – den berühmten Spruch von Heinz Jentzsch über das verrückteste Rennen anwenden. Obwohl das Derby-Trial auf 2200 Meter meistens in einem Bummeltempo gelaufen wird (dieses Jahr war es nicht anders), am letzten Juni-Sonntag kommt es zu einem schnellen und teilweise sogar chaotischen Rennverlauf. Der Boden ist nach den letzten tropischen Tagen mehr als schnell und 400 Meter nach dem Start kommt der erste Bogen, wo es besonders auf der Außenseite immer zu vielen Kollisionen kommt.
In den letzten zwei, drei Jahren gab es immer einen Teil des Starterfeldes, der den Rennverlauf im Derby in der Hinsicht auf die weitere Karriere so schnell nicht vergessen wird. Es gibt nur zwei Lösungen, wie man im größten Rennen der Saison nicht in Probleme kommt – von der Spitze gehen oder genau umgekehrt, lange abwarten. Welche von diesen zwei Strategien diesmal erfolgreich sein wird, werden wir am Sonntag nach halb fünf Uhr Nachmittags wissen.
Am letzten Wochenende gab es übrigens eine Art Epilog zum Prager Derby 2012. Der Trainer Filip Neuberg hat damals versucht zwei Wochen vor dem Rennen mit dem bis Ende Mai nicht startenden Solini (Paolini) ins Derby zu kommen. Fast hatte es geklappt, nachdem der im Gestüt Franken geborene Hengst dritter im letzten Vorbereitungsrennen war. Seine spätere Karriere war von langen Verletzungpausen geprägt, jetzt hat er im Alter von 8 Jahren das „Karlsbader Zwei-Meilen-Rennen“ über 3200 Meter mit der Amazone Katerina Hlubucková im Handgalopp gewonnen und zum ersten mal auf höchster Leistungsebene gepunktet.
Die Tschechen und Ungarn haben sich erneut in Italien mit Blacktype-Platzierungen im guten Licht gezeigt. Der im Gestüt Paschberg geborene Triple Crown-Sieger und Pferd des Jahres Quelindo (Aussie Rules), in den letzten zwei Jahren bereits Listensieger in Pisa und Magdeburg, lief im Gran Premio di Milano (Gr.2, 2400 m) das Rennen seines Lebens. Der von Gábor Maronka trainierte Schimmel endete knapp zurück als Dritter hinter Full Drago und Way To Paris und vor Moonshiner. Immer besser zeigt sich auch der Schützling von Josef Vána Father Frost (Rip Van Winkle), der sich mit dem zweiten Rang im Premio del Giubileo (1800 m, 71 500 Euro) bereits seine zweite Platzierung auf Gruppe 3-Level holte.
Die vielleicht größte Publizität hatte in den letzten Tagen allerdings ein Hindernissieg. Nach einem zweiten Platz im letzten Jahr feierte Al Bustan (Medecis) aus dem Stall Lokotrans den Sieg im Svenskt Grand National (4500 m) auf der Rennbahn Strömsholm. Der in großer Form agierende Jockey Josef Bartos saß lange im hinteren Teil des Feldes, konnte aber in der zweiten Hälfte wesentlich das Tempo steigern und schlug trotz Höchstgewicht die lange führende Lady Dylan und den Landsmann Marcus Aurelius. Der im Haras Des Marais geborene Sieger ist übrigens ein Sohn der Monsun-Tochter Avera, die ihren einzigen Karrieresieg in einem Hürdenrennen in Saarbrücken feierte.
Martin Cap, Prag