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Ein großer Sieger für die Tizzards

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 293 vom Donnerstag, 28.11.2013

Cue Card gewinnt die Betfair Chase und beschert dem "Team Tizzard" den ersten ganz großen Sieg: Foto: John James ClarkCue Card gewinnt die Betfair Chase und beschert dem "Team Tizzard" den ersten ganz großen Sieg: Foto: John James ClarkMit einer zumindest kleinen Überraschung endete die mit so großer Spannung erwartete Betfair Chase am letzten Wochenende in Haydock. Ein Feld von ungewöhnlich starker Qualität hatte sich versammelt – insgesamt die Sieger von 18 Grade I-Rennen, zwei Cheltenham Gold Cup Sieger, der zweifache King George Sieger – und wenn der Sieger Cue Card auch selber drei Grade I-Siege im Gepäck dabei hatte, so zeigte doch die Siegquote von 100:10, dass er nicht gerade der größte Favorit des Rennens war, tatsächlich war es die drittlängste Quote des Rennens. Aber es gab kein Vertun: Cue Card gewann, wie ein Spitzenpferd in dieser Klasse gewinnen sollte, und zeigte damit nachdrücklich, dass er genau dies auch ist. Jahre – wenn nicht gar Jahrzehnte – hatte "Team Tizzard" auf solch ein Pferd gewartet, ein echtes "Saturday-horse", welches einen zu den großen Rennen, die ja in England vor allem Samstags ausgetragen werden, bringt; nie hatten sie aus ihrer hohen Meinung und ihrer Überzeugung, dass er über beinahe jede Distanz stehen würde, einen Hehl gemacht.

Vater Colin, eigentlich Farmer, trainiert seit 1995 Hindernispferde auf der seit Generationen im Familienbesitz befindlichen Venn Farm in Millborne Port/Dorset in Südengland – das denkmalgeschützte  Venn House allerdings wurde 2007 für ca. 8,5 Millionen Pfund an Modedesigner Jasper Conran verkauft, Geschäft ist schließlich Geschäft. Sohn Joe, Stalljockey des Familienunternehmens "Venn Farm Racing" hatte seine Laufbahn bei dem damals jungen Paul Nicholls begonnen. Allein, der eher schüchterne Farmerssohn konnte nicht richtig Fuß fassen und passte wohl nie so recht zu der eher gehobenen "Kundschaft" des Team Ditcheat, und so begann sich die als Hobby begonnene Trainingslaufbahn Colins auszuweiten, mit sogenannten "kleinen" Besitzern und immer vergleichsweise günstigen Pferden, vor Cue Card war der Stable Star sicher der kleine, aber so eisenharte Joe Lively.

Mit Cue Card kam endlich die Belohnung der harten Arbeit, direkt den zweiten Sieg des Pferdes gab es im  Champion Bumper von Cheltenham 2010, in dem er zu einer typischen Tizzard-Quote von 40/1 an den Start kam und u.a. einem gewissen Al Ferof nicht den Hauch einer Chance ließ. Danach entwickelte sich Cue Card rasch zu einem hochklassigen Pferd, erst Hurdler, dann Chaser, musste sich in der Arkle Chase 2012 nur einem gewissen Sprinter Sacre beugen, in dessen Schatten er die Saison 2012/13 absolvierte, auch wenn er die z.B. Ryanair Chase im März diesen Jahres in tollem Stil gewann. Der bis dato einzige Versuch über weitere Wege im King George (King George VI Chase, Kempton, Gr. I,  3800m) hatte, jedoch auf tiefem Boden, kein nennenswertes Ergebnis gebracht, doch nun zeigte der braune Wallach allen, was in ihm steckte: den Bullen bei den sprichwörtlichen Hörnern packend, diktierte Joe einen flotten Takt, und sein williger Partner ließ sich nicht lumpen, er sprang an der Spitze und mit gespitzten Ohren wie ein Uhrwerk, kam mit einer soliden Führung in die Gerade, und gerade als es aussah, als könnte sein Stamina ihn verlassen, legte er direkt noch einmal zu.

Dynaste als "second season Chaser" komplettierte den Einlauf der beiden Pferde, die vielleicht am meisten zu beweisen hatten, vor dem vorjährigen Sieger dieses Rennens, Silviniaco Conti. Long Run wurde Vierter., der Favorit Bobs Worth sogar nur Vorletzter.  Es war ein großer Triumph für ein kleines Team, das sich in all seinen Hoffnungen und Träumen bestätigt sah: "Wir haben ihn scheinbar bisher sogar über die falsche Distanz eingesetzt. Der Traum vom Gold Cup lebt", freute sich Joe noch auf dem Pferd, und selber fast härter pustend als sein vierbeiniger Partner, der nun bei bisher 19 Starts zehn Siege und fünf zweite Plätze nach Hause gebracht hat, während Vater Colin im Führring tatsächlich mit den Tränen kämpfte, so stolz und glücklich war er für seinen Sohn, der, vielleicht zu Unrecht, wenig Ritte außerhalb des eigenen Stalles erhält, und wenn, dann beinahe ausschließlich für kleine und eher unbekannte Trainer. Besitzerin Jean Bishop hat noch niemals ein Pferd solcher Klasse gehabt,  auch wenn ihre Farben schon seit Jahrzehnten registriert sind und auch regelmäßig für verschiedenste Trainer an den Start kamen und kommen. Auf der Venn Farm lässt sie seit 2008 trainieren, 2009 erwarb Colin Tizzard den damals dreijährigen Cue Card in Irland für sie, insgesamt hat sie dort nun vier Pferde (und mit Theatre Guide einen vielleicht chancenreichen Starter im Hennessy).

Abseits von Haydock fand auch guter Sport in Ascot statt, allerdings sah sich die Bahn mit erschreckend kleinen Feldern in ihren beiden Hauptrennen konfrontiert, in der Grade 2 Coral Hurdle  2m 3 ½ f)  liefen genau vier Pferde, hier schlug die aus Röttgener Linien deutsch gezogenen und bisher ungeschlagene Anna Paola-Enkelin Annie Power, eine Shirocco Tochter im Training bei Willie Mullins, den aktuellen Aintree Hurdle Sieger Zarkandar, von dem sie allerdings auch elf Pfund an Gewicht erhielt (siehe Extratext).

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