Bye bye Torquator Tasso - nach dem Arc-Finale startet jetzt die Deckhengstkarriere
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Das erste Mal im „neuen“ Longchamp. Auf der Arc-Bahn. Das heißt auch: Es verpasst zu haben, den Sensationssieg des damaligen „Underdogs“ im Jahr zuvor live gesehen zu haben. Torquator Tasso mit René Piechulek im Sattel, der die gelb-schwarz-roten Farben des Gestüts Auenquelle beim Jubiläums-Arc, dem 100. im Jahr 2021, als 72:1-Außenseiter ins Rampenlicht der internationalen Turf-Welt galoppierte. Das heißt aber auch: Dabei gewesen zu sein, als sich der Ausnahmegalopper mit einem grandiosen dritten Platz im 101. Prix de l’Arc de Triomphe von der Rennbahn verabschiedet hat. Diesmal hat jeder hingeschaut. Es waren die „Torquator Tasso-Rufe“, die zu hören waren. Und dann noch Frankie Dettori, der Starjockey und Publikumsliebling, an Bord. „Ich wäre schon enttäuscht, wenn wir nicht auf den Plätzen 1 bis 3 landen“, hatte sein Trainer Marcel Weiß, vor dem Rennen in der Pressekonferenz von France Galop gesagt. Torquator Tasso hat die Mission erfüllt, jetzt wird er Deckhengst im Gestüt Auenquelle. Auf einen Start im Japan-Cup, der noch eine Option gewesen wäre, wird verzichtet.
Nach Platz 3 im Arc das gewinnreichste deutsche Sportpferd
„Sie haben da ein Pferd, das fliegen kann“, das hatte der Altmeister der Galoppertrainer, Uwe Ostmann, dessen Besitzer Peter-Michael Endres schon vor dem allerersten Start des Adlerflug-Sohnes prophezeit. Bei seinem 16. und letzten „Flug“ verdiente er noch einmal 571.500 Euro und überflügelte mit seinen letzten Galoppsprüngen auch noch die legendäre Danedream, die den Arc vor zehn Jahren und danach noch die „King George“ gewonnen hat. Mit einer Gesamt-Gewinnsumme von 4.224.240 Euro geht Torquator Tasso jetzt als das gewinnreichste Sportpferd Deutschlands in die Geschichte ein. Was für ein Pferd, was für eine Karriere, was für eine Geschichte, die dahinter steckt!
Torquator Tasso schriebt Rennsport-Geschichte(n)
Die beginnt im Ortsteil Hilleshage im niederländischen Mechelen, wo der Züchter Paul H. Vandeberg auf der Suche nach einer Mutterstute ist. In dem finanziellen Rahmen, den er sich als ehemaliger Metzger leisten kann. Ein kleiner Züchter aus Passion mit privaten Kontakten ins Gestüt Schlenderhan. Ein Pachtvertrag wurde unterschrieben für Tijuana, die von Toylsome abstammt und auf der Rennbahn alles andere als eine Leuchte war. Andere hatten zuvor dankend abgelehnt. Die Entscheidung für Adlerflug war kein Zufall. Ein Deckhengst mit Schlenderhaner Wurzeln sollte es schon sein, damals noch im Gestüt Harzburg zu überschaubaren Konditionen stationiert. Das erste Fohlen, ebenfalls von Adlerflug, wurde Tibo Hilleshage genannt. Leider verunglückte es auf der Koppel. Im Jahr darauf, genau am 21.04.2017, kam erneut ein Fuchshengst von Adlerflug im Gestüt Erftmühle auf die Welt, den der stolze Züchter Tijuan Hilleshage nannte. Nach dem Namen der Mutter und seinem Wohnort. „Ich hatte die Idee, dass ich mit diesem Namenszusatz eine kleine wiedererkennbare Zucht aufbaue“, berichtet der Züchter, doch dann gab er das Pferd auf die BBAG-Herbstauktion. Dort stand er auf der Short-List des damaligen Trainers für den Diana-Stall, Jens Hirschberger. Er konnte Peter-Michael Endres vom Gestüt Auenquelle für das Pferd begeistern, der dafür 24.000 Euro bezahlte und als erstes den Namen änderte. Seine Frau Helga, begeisterte Goethe-Leserin, brachte den Torquator Tasso ins Spiel, das eine „r“ zuviel war ein Übermittlungsfehler und erleichtert jetzt die Suche bei Google.
Vandeberg unternahm noch einen weiteren „Tijuan Hilleshage-Versuch“ mit einem 2019 geborenen Guiliani-Hengst, doch auch den verkaufte er auf einer BBAG-Auktion und konnte sich ein zweites Mal nicht mit „seinem“ ausgewählten Namen verewigen, denn der ist als Tünnes in den Farben von Holger Renz als zweiter Gruppensieger für Tijuana unterwegs. Doch, wer weiß, was da noch kommt? Denn mit der Stute Tiara Hilleshage (2020) und dem Jährlingshengst Tiamo Hilleshage (2021) gibt es noch zwei rechte Geschwister von Torquator Tasso, bei denen Vandeberg allen Kaufofferten - und von denen gab es viele - noch widerstanden hat. Beinahe hätte es noch einen Adlerflug-Nachkommen aus der Tijuana gegeben, denn die wartete am 5. April 2021 im Transporter vor der Dependance Zieverich in Bergheim, an dem Tag, an dem dem Adlerflug so unerwartet und tragisch in seiner Box an einem Herzschlag verstorben ist. 17 Jahre alt wurde der Hengst, der anfänglich lange unterschätzt wurde und nach dem Derby-Doppel von In Swoop und Torquator Tasso 2020 zu diesem Zeitpunkt gefragter denn je war. „Natürlich ist das unendlich traurig, gerade wenn man sieht, was seine Nachkommen jetzt leisten“, meint sein Züchter Georg Baron von Ullmann, „aber wir müssen dankbar sein, dass wir ihn überhaupt so lange hatten. Das hätte schon drei Jahre früher passieren können. Gegen so eine Herzschwäche kann man nichts machen.“ So wird Torquator Tasso nach Ito, Iquitos und In Swoop schon der vierte Deckhengst, der von Adlerflug abstammt. Und die zweieinhalb Schlenderhaner Jahrgänge kommen ja erst noch auf die Rennbahn. Weit ist man überings mit Tijuana damals im Übrigen nicht gefahren: Am 18.03.2022 kam ein Stutfohlen von Guiliani zur Welt. Der steht im Gestüt Erftmühle. Das ist nur wenige Kilometer entfernt. Und jetzt hat auch Tünnes eine rechte Schwester.
Dann kommt auch noch der Trainer Marcel Weiß dazu. Der so lange Assistent im Diana-Stall in Mülheim war, erst bei Uwe Ostmann, dann bei Jens Hirschberger und erst seit Ende 2019 das Training selber leiten durfte. Torquator Tasso hat zweijährig noch selber geritten, „da ist er mir nicht besonders aufgefallen.“ Das änderte sich dreijährig. Der Adlerflug-Sohn war das zweite Pferd, das Weiß als verantwortlicher Trainer auf der Rennbahn gesattelt hat. Und daraus wurde gleich ein Arc-Sieger - das haben vor ihm in Deutschland nur Theo Grieper mit Star Appeal und Peter Schiergen mit Danedream geschafft. Aber der gebürtige Berliner hebt nicht ab, er ist der ruhige, überlegte Typ. Obwohl Torquator Tasso schon sein Meisterstück beim Arc 2021 war, weiß er, dass ein Trainer immer abliefern muss: „Damals waren wir der der Außenseiter, keiner hat uns auf dem Schirm gehabt, jetzt ist der Druck ein ganz anderer.“ Die Erwartungen waren hoch. Bei den Besitzern, bei den Galoppsportfans, bei den Medien - besonders bei den internationalen, die „Tassolino“, wie er im Stall genannt wird, öfter besucht haben als manch hiesige Fachpresse.
Der Rennbahn-Abschied im strömenden Regen beim Arc
Und damit kommen wir zurück zum Arc. Das neue Longchamp präsentiert sich modern mit einem „Leitsystem“, das die Besucher je nach Ticket und Legitimation in die für sie bestimmten Bereiche führt. Offen für alle und wirklich schön gemacht ist der „Chill Garden“ mit einem Street-Foodfmarkt, der diesen Namen auch verdient. Es gibt viele Sitzplätze und eine große Leinwand, auf der die Rennen gezeigt werden. Am gastronomischen Angebot gibt’s auch nichts zu meckern. 13 Euro für ein Glas Champagner mit Blick auf den Arc-Führing erscheinen angemessen im Vergleich zu den 4,50 Euro, die wir jüngst auf einer deutschen Rennbahn für eine Plastikflasche Wasser (ohne Glas mit Blick ins nirgendwo) bezahlen mussten, die es im Laden für unter 20 Cent zu kaufen gibt. Für den „normalen“ Tribünenzugang gibt es Extra-Tickets. 10.000 Plätze werden annonciert, weshalb man hinter die offiziellen Zuschauerzahlen von 25.000 Zuschauern ein Fragezeichen setzen darf. Denn in den darüberliegende drei Stockwerken gibt es nur noch Logen und dann noch feinere Suiten, die die Namen berühmter Rennpferde tragen und von Stockwerk zu Stockwerk teuer werden. Auch für einzelne Bereich rund um den Führung braucht es eine zusätzliche Legitimation. Die Ordner haben an diesem Arc-Tag viel zu tun, denn überall rennen Besucher gegen dann doch verschlossene Türen und je voller es wird, desto mehr zeigt sich ein Problem dieser Bahn: Für den Arc-Tag passt das nicht, es ist zu eng.
Im letzten Jahr, so hat uns das Peter-Michael Endres, der Besitzer von Torquator Tasso, erzählt, hat er es vom Führing aus nicht auf seinen Logenplatz geschafft. Er konnte das Rennen und den Sensationssieg seines Pferde nur auf irgendeinem Bildschirm sehen. So haben wir es fast selber erlebt. Es war knatschvoll und genau in dem Moment, als die Arc-Pferde in den Führung kamen, hörten wir von den britischen Nachbarn neben uns an den Rails „it will become wet“. Und das wurde es dann auch: Nass und immer nasser. Es regnete wie aus Kübeln. Unsere Rettung näherte sich in Form eines Regenschirms von Bea Mülhens-Klemm, so dass wir Torquator Tasso für diesen Moment noch halbwegs trocken erleben konnten. So oft haben wir ihn zuhause in seinem Stall und bei der Arbeit in Mülheim gesehen. Zuletzt als Frankie Dettori fünf Tage vor dem Arc eigens aus England nach Mülheim gekommen war, um ihn bei der Abschlussarbeit zu reiten. Wir kennen ihn, „dieses Pferd mit einem ganz besonderen Charakter“, wie er sich mit seinem ständigen Arbeitsreiter Miguel Lopez kabbelt, seine Krippe auseinandernimmt, gerne auch bei einem vorbeifliegenden Vogel Luftsprünge macht und seine Möhren - und das gleich kiloweise - einfordert. Jetzt vor seinem letzten Rennen in einen ganz besonderen Führung kommt er mit seinen beiden ständigen Führerinnen Katja Heckmann und Nora Blasczyk an uns vorbei und wir sehen ein Rennpferd, wie es das in der 200jährigen Geschichte des deutschen Galopprennsports nur selten gab. Ein Pferd mit einer ganz besonderen Aura. An der Gewinnsumme alleine läßt sich der Beste im Lauf zweier Jahrhunderte nicht ermessen, aber er gehört dazu: Zu den wenigen Pferden, die Außergewöhnliches geschafft und die Menschen begeistert haben.
Dann kommen die Jockeys in den Arc-Führring. Frankie Dettori, der Superstar. Ein Weltklassejockey und Showmann zugleich. Ungewohnt in diesem Dress, auch er klatschnass, aber topmotiviert. Aus dem Summen auf der Rennbahn wird ein lautes Brummen. Die Jockeys sitzen auf, die Pferde verlassen den Führung. Auf, auf zur Rennbahn. Eine Regenschirm ist keine Option mehr. „Wet, wet, wet“ werden jetzt alle. Alle, die vorher auf dem Rasen vor der Tribüne standen, drängen jetzt hinauf. Alle, die von hinten kommen, wo der Führing ist, wollen das auch. Es wird eng, es ist laut, es ist unsagbar spannend, Wir stehen vor einer Wand von Menschen. Sehen nichts mehr. Abe irgendwie klettern auch wir auf einen Platz, der höchst illegal ist, aber von dem aus wir einen gelb-schwarz-roten Blitz auf den letzten 400 Metern „fliegen“ sehen. Der, aus einer ungünstigen Startbox 18 von ganz hinten kommend, Meter für Meter auf die führenden Alpinista und Vadeni gutmacht. Es hat nicht ganz gelangt. Eine Länge hat gefehlt. Und wahrscheinlich hätte es - zumindest gegen Alpinista - ohnehin nicht gereicht. Aber jeder Kilometer, den man nach Paris zu diesem Arc gefahren ist, hat sich für dieses Rennen, für diesen „400-Meter-Torquator Tasso-Finish-Flug“ gelohnt. Egal, ob man patschnass geworden ist. Ob für einen der Tag auf der Rennbahn mit einem eingequetschten Daumen auf der Krankenstation begonnen hat, was zu den schmerzhaften Erfahrungen gehört, die man lieber schnell aus dem Gedächtnis streicht. Denn Torquator Tasso hat seine Vorjahresleistung bestätigt, hat gezeigt, dass er zu den besten Rennpferden der Welt gehört. Danke „Tasso“ und Team! Für drei wunderbare Torquator Tasso-Jahre auf den Rennbahnen in Ascot, Baden-Baden, Hamburg, Hoppegarten, Köln, Longchamp, Mülheim und München. Sechs Rennen hat er gewonnen, davon drei auf Gr. I-Parkett, in allen sechs weiteren Gr. I-Rennen war er platziert. Ein Rennpferd, das alles in sich vereint, was Züchter von Galopp-Rennpferden immer, und hoffentlich immer wieder, motiviert. Jetzt sind wir gespannt auf seine Deckhengst-Karriere.
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Frauke Delius