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Willie Mullins beherrscht das Dublin Racing Festival

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 755 vom Freitag, 10.02.2023

Im sechsten Jahr ist das Dublin Racing Festival angekommen. Rund 34.500 Zuschauer strömten an den beiden Festival-Tage durch die Tore der Rennbahn Leopardstown, im Süden der irischen Hauptstadt gelegen. Das war natürlich ein deutlicher Anstieg gegenüber dem letzten Jahr, allerdings hatte man damals die Corona-Maßnahmen erst eine Woche zuvor aufheben können. 27% aller Tickets wurden nach England verkauft. Das Guinness floss in Strömen, die Stimmung kochte; wie sollte es anders sein, wenn sich solch eine so feine Ansammlung vierbeiniger Stars die Ehre gab? Es wurde die erwarteten Festspiele des Willie Mullins, doch ist dies nur die halbe Story.

15 Rennen, davon acht der höchsten Kategorie. Dublin macht ernst. Willie Mullins auch. Wenn wir uns nicht verzählt haben, brachte er an den zwei Tagen insgesamt 46 Pferde an den Start, darunter am ersten Tag allein 17 der 32 Starter in den vier Gr.I Rennen. Von diesen gewann Mullins drei – insgesamt gewann sein Team acht Rennen und sechs der Gr.I -Rennen. Es spricht Bände, dass einige Zuschauer trotzdem das Gefühl hatten, nicht alles sei für ihn nach Plan gelaufen. Drei besonders stark gewettete Favoriten, Banker eigentlich – Lossiemouth in der Spring Juvenile Hurdle (3200m, Gr.I) , Blue Lord in der Dublin Chase (ca. 3400m, Gr.I) und Facile Vega in der Tattersalls Novice Hurdle (3200m, Gr.I) - konnten ihre Rennen nicht gewinnen;  Facile Vega kam in einem faszinierenden Rennen gegen den ehemaligen Derby-Favoriten High Definition, der reiterlos wurde, gar nur auf dem letzten Platz ein. Es spricht natürlich auch Bände für die Qualität von Team Mullins, das er all diese Rennen trotzdem gewann; im wahrsten Sinne sprang die zweite (oder dritte, oder vierte?) Farbe ein. Ist dies ein Dilemma? Wird der Sport dadurch gar langweilig? Die Übermacht großer Ställe kennt man auf der Flachen zur Genüge, gerade im irischen Hindernissport hält ein Trainer so gut wie alle Asse in der Hand. Doch dieser Trainer – und seine Besitzer – sind bereits, auch gegeneinander zu laufen, und was sind Rennen anderes als Pferde, die gegeneinander laufen? Gute Pferde, die gegeneinander laufen? Spitzen-Pferde, die gegeneinander laufen? Diese gaben sich in Leopardstown praktisch die Klinke in die Hand, was will der Besucher mehr?

Im Irish Gold Cup untermauerte Galopin Des Champs (Willie Mullins, Paul Townend) seine Stellung für das Äquivalent in Cheltenham. Der erst 7j. Wallach, bei 12 Starts nun achtfacher Sieger, lief über die Jagdsprünge zum ersten Mal auf Steherdistanz, tatsächlich war dies erst sein zweiter Chase-Start in der offenen Altersklasse. Eher solide als atemberaubend lautete das Fazit; klagen auf hohem Niveau.  Durch seinen Vater Timos (Sholokhov) hat Galopin Des Champs eine deutsche Komponente, zeichnet doch das Gestüt Etzean als Züchter des Hengstes aus der Surumu-Stute Triclaria verantwortlich. Zuvor hatte Team Mullins die Irish Arkle Chase (3200m, Gr.I) gewonnen, mit El Fabiolo. Der Spanish Moon–Sohn läuft in den bekannten grünen Farben von Simon Munir & Isaac Souede, diese beschäftigen Daryl Jacob als Stalljockey. Für Willie Mullins gilt allerdings eine Sonderregel, hier muss Jacobs reiten, was der Stalljockey des Trainers, eben Paul Townend, verschmäht. Glück für Jacob, dass sich dieser für Appreciate It entschieden hatte, ein weiterer Favorit aus dem Mullins-Stall, der dieser Bürde nicht ganz gerecht wurde. 

Der Sonntag stand natürlich ganz im Zeichen eines Pferdes, der unvergleichlichen Honeysuckle. Viel wurde auch in Turf-Times über sie berichtet, und noch ist das allerletzte Kapitel ihrer unvergleichlichen Karriere nicht geschrieben. Ein Champion im wahrsten Sinne, 16 Rennen in Folge hatte sie gewonnen, 12 Gr.I Rennen, zwei (Englische) Champion Hurdles. In der aktuellen Saison riss diese wundersame Siegesserie, beim ersten Jahresstart hatte es in Fairyhouse nur zu einem dritten Platz gereicht. Nun sollte sie in der Irish Champion Hurdle auf die Siegerstraße zurückkehren; ein Rennen, welches sie bereits drei Mal gewonnen hatte. 

Applaus brandete auf, als Honeysuckle den Führring betrag; eine Ehre, die das Publikum nur ganz besonderen Pferden bereithält. Noch besonderer war aber der „roar“, der Jubel der rund 17000 Zuschauer vor (!) dem Rennen. Als Honeysuckle an der Tribüne vorbei zum Start galoppierte, explodierte diese förmlich; selbst ihre ständige Reiterin Rachael Blackmore, inzwischen eine Veteranin im Rennsattel, konnte sich an keine ähnliche Begrüßung erinnern. Die Rennbahn bebte vor gutem Willen, für die Stute und ihren von Schicksal so hart getroffenen Trainer, entgegen aller Vorzeichen eine Art Wunder auf der Rennbahn zu sehen. Es war ein klarer Fall von Herz über Kopf: als deutlicher Favorit der Prüfung kam schließlich der drei Jahre jüngere Wallach State Man, selbstredend trainiert von Willie Mullins, an den Start. Und dieser machte auf dem grünen Rasen kurzen Prozeß. Von der Spitze aus, und immer am Gebiß gehend, galoppierte der rahmige Fuchs, ein Sohn von Doctor Dino, seine Gegner, und damit auch Honeysuckle, die letztendlich mit Mühe den zweiten Platz halten konnte, gleichsam in Grund und Boden.

Trainer Henry de Bromhead war im Vorfeld so positiv gewesen, doch ließ die Stute erneut ihre alte Magie vermissen und ihren Trainer nach Erklärungen suchen. Beinahe einhellig wurde erwartet, dass man Honeysuckle noch auf der Rennbahn in den Ruhestand verabschieden würde. Doch unmittelbar nach dem Rennen wollten sich weder Besitzer Kenny Alexander, dessen (von Willie Mullins trainiere) Galiway-Tochter Gala Marcaeu am Vortag eben Lossiemouth die besagte Niederlage zugefügt hatte, noch de Bromhead zu einer endgültigen Aussage hinreißen lassen. Inzwischen steht fest, dass Honeysuckle im März die Reise nach Cheltenham antreten wird, um in der Mares` Hurdle (Gr.I) ein letztes Mal nach den Sternen zu greifen.

Die Dublin Chase ist ein Rennen, welches zusammen mit dem Dublin Racing Festival ins Leben gerufen wurde und somit erst seit 2018 ausgetragen wird. In der Siegerliste befindet sich nur ein Trainer, und  drei Pferde. Min gewann das Rennen in den ersten beiden Jahren, es folge Chacun Pour Soi in den darauffolgenden drei Jahren. Nun legte Mullins mit dem Überraschungssieger Gentleman de Mee nach, im Sattel Danny Mullins, Sohn von Princess Zoe-Trainer Tony und somit Neffe von Willie. Auf dem zweiten Platz der bereits erwähnte Blue Lord, auf dem Stalljockey Paul Townend saß (und Daryl Jacob den Ritt für einen Arbeitgeber weggeschnappt hatte.)  Danny Mullins saß auch im Sattel des Jukebox Jury-Sohnes Il Etait Temps, der als 14-1 Chance in der Tattersalls Ireland Novice Hurdle (3200m, Gr.I) zum Zuge kam, und interessanterweise zur Hälfte im südafrikanischen Besitz steht.  Dies das Rennen, in dem Facile Vega nur Letzter wurde und Townend sich deutliche Kritik von Willie Mullins gefallen lassen musste. „Er [Townend] hat ihn geritten wie eine Maschine, mit dem Tempo konnte es niemals gutgehen. Beim nächsten Mal reiten wir ihn wieder wie ein Rennpferd“ so Mullins sinngemäß. Grund genug, dass erste Journalisten darüber spekulieren, ob Mullins, Danny der nächste Stalljockey bei seinem Onkel wird.

Eine starke Leistung zeigte der von der Familie Niarchos auf dem Fährhof gezogene Gaelic Warrior (Maxios). Der Fünfjährige, den Pierre Boulard für gerade einmal 9.000 Euro bei der BBAG gekauft hatte, holte sich mit Höchstgewicht ein mit 88.500 Euro für den Sieger dotiertes Hürden-Handicap gegen 16 Gegner und dies zu einer für ein solches Rennen fast lächerlichen Quote von 10:11. Willie Mullins trainiert ihn für Rich Ricci. Es geht natürlich für ihn nach Cheltenham, wo er nicht weniger als fünf Startmöglichkeiten hat und in jedem dieser Rennen bei den Buchmachern nur zu einem einstelligen Kurs angeboten wird. Der Wallach sollte vor einer großen Zukunft stehen.

Nur zwei der acht Gr.I Rennen wurden von anderen Trainern als Mullins gewonnen. Barry Connell, ein Geschäftsmann, der erst spät im Leben in den Trainerstand wechselte, gewann mit Good Land, einem Sohn des im Hindernissport im Moment omnipräsenten Blue Bresil, die einleitende Prüfung des Festivals, eine Novice Hurdle für Steher. Somit blieb ein Rennen über, die Ladbrokes Novice Chase über rund 4200m. Der Sieger Mighty Potter kam aus dem Stall von Gordon Elliott, im Sattel kein anderer als Jockey-Legende Davy Russell. Dieser hatte ja bekanntlich nach der schweren Verletzung von Stalljockey Jack Kennedy die Stiefel, die bereits am Nagel hängen, wieder aufpoliert. Es sollte Russells einziger Sieg beim Dublin Racing Festival bleiben, bei 10 Ritten. Darunter mit Liberty Dance auch einem auf der Stute, auf der er Mitte Dezember 22 seinen Ruhestand verkündet hatte. Das ewige Duell Mullins – Elliott war also extrem einseitig. Immerhin gewann Elliott das einzige englische Gr.I -Rennen des Wochenendes, die Scilly Isles Novices Chase (ca. 4000m) in Sandown, mit Gerri Colombe. Da ist es kein Wunder, dass sich kaum ein englischer Starter nach Dublin gewagt hatte.

Fazit: der Irische Hindernissport boomt, und die Zuschauerzahlen der letzten Monate sprechen eine deutliche Sprache. Lobend wurde an vielen Stellen in den sozialen Medien neben den viel moderateren Eintrittspreisen hervorgehoben, dass irische Rennbahnen eben keine „enclosures“ kennen.  Diese abgetrennten Bereiche, denen der Elitismus der englischen Klassengesellschaft anhängt, spaltet die Besucher und schränkt den Besuch „auf den billigen Plätzen“ selbstredend stark eine; beim Cheltenham-Festival kosten Bereiche ohne Zugang zum Führring rund 40 Pfund pro Tag. Solche Restriktionen kennen irische Bahnen nicht, und das jüngste Dublin Racing Festival hat gezeigt, dass die Pferde im Mittelpunkt stehen, auch wenn Bars und Partyzelte selbstredend niemals leer waren. Die Termine für 2024 stehen fest, nach dem Festival ist vor dem Festival.

Catrin Nack

 

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