Post aus Prag: Außenseitersieg in der "Großen Pardubitzer"
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TurfTimes:
In jedem Jockeyzimmer gibt es große Champions mit langen Siegesserien, aber auch wahre Sympathieträger, die in den wichtigsten Momenten des Rennsportlebens vom Pech verfolgt sind und die ganze Karriere vergeblich auf den ganz großen Streich warten. Marek Stromský war noch letzte Woche einer von diesen Pechvögeln. Seit fast zwanzig Jahren einer der besten tschechischen Jockeys im Hindernismetier, in mehr als 200 Rennen siegreich, aber der wichtigste Sieg fehlte – das ist in Tschechien eben nur die Große Pardubitzer. Am Sonntag war es dann so weit – Stromský durchquerte die Ziellinie der berühmtesten Steeplechase auf dem europäischen Kontinent als Sieger. Natürlich im Sattel eines Außenseiters, des zehnjährigen tschechisch gezogenen Wallach Nikas (Scater) aus dem Stall Castor.
Das Ganze bei einer Quote von 21:1 und der Rekordzeit des Rennens 8:55,29 Minuten. „So richtig kann ich es noch immer nicht fassen. Ich wollte ja schon mehrmals aufhören, zum letzten Mal im Sommer. Die Saison verlief ja ganz mies für mich, aber meine Frau meinte: Warte, reite noch in der Großen Pardubitzer und dann wirst du sehen. Das war ein richtig guter Rat!“ freute sich der 41-jährige Stromský nach dem Rennen.
Der Jockey aus dem kleinen Dorf Stepánkovice in Schlesien wuchs im berühmten Gestüt Albertovec auf, das in den 70er Jahren Sieger der Großen Pardubitzer Mor und Limit stellte, der erste hat bis heute eine Statue auf der Rennbahn. Mit 19 Jahren gewann Stromský die tschechischen 2000 Guineas mit dem Außenseiter Rozlet, ging dann nach Deutschland und war einige Zeit in Hannover tätig. Sein erstes Hindernisrennen ritt er 1996 auf einem Pferd des Trainers Karl Demme in Verden und siegte in einem Flachrennen für den Stall Steintor. Nach der Rückkehr zählte er stets zu den besten Hindernisjockeys im Lande, aber sein Pech bei den „Big Points“ war fast legendär. Im Jahre 2008 gewann er die Großer Pardubitzer mit dem Schimmel Amant Gris, wurde aber disqualifiziert, da er im ersten Drittel des Rennens eine Wendefahne auf der falschen Seite passiert hatte. Zwei Jahre später hatte er mit demselben Pferd eine gute Position in der Zielgeraden, unterlag aber im Ziel des 6900 Meter langen Rennens um eine Nase dem Pardubitzer Urgestein Josef Vána auf Tiumen. Es gab danach zwar heftige Diskussionen, ob der Sieger Stromský 200 Meter vor dem Ziel behindert hatte oder nicht, aber die Rennleitung wies den Protest des Besitzers von Amant Gris zurück.
Nach all diesen Geschichten wurde Stromský mit Nikas von den Zuschauern als populärer Sieger gefeiert. Auch das Team um den Wallach zählt eher zu den Underdogs, die nicht so oft im Rampenlicht stehen. Trainer Stanislav Popelka, der unweit von Olmütz seinen populären Hindernisstall leitet, feiert den größten Sieg seiner Karriere. Der Besitzer Petr Kupka, beruflich Uhrmacher, hat nur dieses eine Pferd. „Als Nikas 2013 Zweiter in diesem Rennen war, hat das Geld damals mein Geschäft gerettet. Was wir jetzt mit der Siegprämie von zwei Millionen Kronen machen, weiß ich noch nicht,“ sagte Kupka, der zusammen mit dem ganzen Team bis in den nächsten Morgen gefeiert hatte.
Ein starkes Rennen lief der zweite Ribelino (Truth Or Dare), der sein Debüt in der Großen Pardubitzer gab, und mit dem ältesten Jockey im Feld, Pavel Kasný 3 3/4 Längen hinter dem Sieger ins Ziel kam. Von den Favoriten wurden Zarif (Observatory) Dritter, der von Joachim Erhardt gezogener Universe Of Gracie (Pentire) Vierter und Rabbit Well (Dream Well) Fünfter. Insgesamt kamen elf von den 22 Startern ins Ziel, darunter auf dem zehnten Platz der französische Gast Pasquini Rouge (Passing Sale). Für ein flottes Tempo sorgte vom Start an Universe Of Gracie, mit dem Jan Faltejsek eine ähnlich offensive Taktik wie in den letzten drei Jahren mit der Seriensiegerin Orphee des Blins wählte. Auf dem Taxisgraben kamen zwei Pferde zu Fall, zuerst Nebrius und dann der hinter ihm springende Pareto.
Die größte Kollision gab es, nicht zum ersten mal, auf dem sechsten Hindernis – dem Popkovický Sprung. Die Hecke, die zum Beispiel Josef Vána als das wirklich schwerste Hindernis des Rennens bezeichnet, wird oft als der „Pardubitzer Canal Turn“ beschrieben. Denn ähnlich wie in Aintree gibt es auch hier direkt nach dem Sprung eine scharfe Wende. Diesmal endeten hier vier Pferde. Etwa 50 Meter später kam es dann zu einer unerwarteten Kollision, als ein reiterloses Pferd mit Peintre Abstrait zusammenprallte, Cevin Chan wurde regelrecht aus dem Sattel des Außenseiters geschleudert, zum Glück ging der Zwischenfall ohne Verletzungen aus. In der Mitte des Rennens wurde das Tempo etwas langsamer, im letzten Kilometer gab es dann den entscheidenden Angriff von sieben Pferden, die unter sich die Geldränge ausmachten. Gegen Nikas war aber an diesem Tag kein Kraut gewachsen, der Wallach sah schon im letzten Bogen blendend aus und konnte in der Zielgeraden seinen Vorsprung behaupten.
Im Rahmenprogramm gab es einen Erfolg der 7-jährigen Arcione (Librettist) aus der Zucht von Hannes Gutschow, die in einem zum ersten mal ausgetragenen Stutenrennen über 4200 Metern die haushohe Favoritin Natalie schlagen konnte. Der ganze Renntag wurde in einer 6,5 Stunden langen Livesendung auf dem sportlichen Kanal des öffentlich-rechtlichen Senders gezeigt. Die letzten drei Stunden inklusive der Großen Pardubitzer liefen dann parallel auch auf dem ersten Kanal – traditionell mit guten Einschaltquoten, regelrecht jeder achte Tscheche hatte das Rennen gesehen.
Unter den etwa 28 000 Zuschauern auf der Rennbahn war übrigens auch Frankie Dettori, der mit Pat Dobbs, George Baker und einigen anderen Freunden wegen des Junggesellenabschieds von Pat Cosgrave zufällig in Tschechien weilte. „Eigentlich interessieren mich im Hindernissport nur die Grand National, der Cheltenham Gold Cup und der Punchestown Festival, aber dieses Rennen wollte ich schon immer live erleben,“ sagte der frische Sieger des „Arc“ und machte ein Selfie mit Josef Vána und dessen Statue vor der Haupttribüne. „Ich habe ja auch eine, in Ascot,“ grinzte der Italiener.