TurfTimes:
Ausgabe 461 vom Donnerstag, 30.03.2017
In der Zeit, wenn in Deutschland bereits die Grasbahnsaison beginnt, herrschte früher in Tschechien noch Winterschlaf. Es gab zwar Zeiten, als in der Hälfte von März die ersten Traberrenntage begannen, aber auch das ist schon lange Geschichte. Man konnte maximal auf Rennen im Ausland wetten – seitdem gibt es eine starke Fangemeinde von britischen Hindernisrennen – und abwarten, bis es am ersten April-Wochenende auf der Prager Rennbahn Velká Chuchle losgeht. Die Zeit ist jetzt gekommen. Am Sonntag findet der Eröffnungsrenntag mit dem traditionellen Gomba Handicap statt, aber von Winterschlaf kann schon lange nicht die Rede sein. Zahlreiche tschechische Ställe sind seit Januar und Februar intensiv in Italien und Frankreich unterwegs und erzielen dort stattliche Renngewinne.
Der neueste Reiseerfolg kam am Mittwoch, als der Neuzugang Capferret (Day Flight) unter Jaroslav Myska für den Stall Meridian eine mit 55 000 Euro dotierte Steeplechase in Compiegne gewann. Vater und Sohn Vána sind zur Zeit die unangefochtenen Herrscher der italienischen Hindernisszene, am letzten Wochenende feierte Josef Vána Senior als Trainer einen Doppelerfolg in Treviso, inklusive der als Hauptrennen gelaufenen Listensteeplechase über 3500 Meter, wo Start-Ziel der Ex-Schlenderhaner Tahini (Medicean) unter Jan Kratochvíl locker nach Hause kam. Auch der zweite Vána-Sieger, der von Knut Kaufmann und Jochen Wiesner gezogene Kazoo (Lateral), wurde in Deutschland geboren.
Die ersten drei Monate des Jahres 2017 bestätigen somit den Trend aus der vorherigen Saison, als die in Tschechien trainierten Pferde mehr Geld im Ausland als zuhause verdienten. Zu diesem Zeitpunkt haben sie bereits mehr als 6 Millionen Kronen (ca. 220.000 Euro) eingaloppiert, das mehr als zweifache im Vergleich zu dieser Zeit im letzten Jahr. Die Hauptprotagonisten dieser Statistik sind natürlich Hindernispferde, aber immer wieder gelingen auch Erfolge in französischen Handicaps, für die es im Land inzwischen einige Spezialisten gibt. Mit dem von Zdeno Koplík vorbereiteten Subway Dancer (Shamardal) hatten die Tschechen dieses Jahr bereits einen Starter im Prix Exbury (Gr.3), wo der letztjährige Gruppesieger aus Lyon-Parilly Sechster war.
In die neue Saison geht der Tschechische Jockey Club mit einigen Neuerungen und großen Zukunftsplänen. Im Winter hat man eine neue Peitschenregelung veröffentlicht und die Maximalzahl von 7 auf 6 Schläge in Flachrennen und von 9 auf 8 Schläge in Hindernisrennen herabgesenkt. Eine weitere Änderung der Rennordnung dürfte dem deutschen Leser pikant vorkommen – man hat seit diesem Jahr im Interesse der Vereinfachung des legislativen Prozesses das Oberste Renngericht abgeschafft.
Der Präsident des tschechischen Jockey Clubs Jirí Charvát hat in einem Interview für eine große Tageszeitung angekündigt, dass man über den Ankauf der Wettgesellschaft Toto CZ, des derzeitigen Monopolanbieters von Pferdewetten, verhandelt. Das Fernziel: die Wetteinnahmen des Rennsports wesentlich zu steigern. Aufgrund der Entwicklung des Wettmarktes in den 90er Jahren haben Pferdewetten in Tschechien eine marginale Bedeutung und wurden im Angebot der großen Unternehmen schon von langer Zeit von den Sportwetten verdrängt. Der jährliche Wettumsatz auf den Rennbahnen kommt nicht über 25 Millionen Kronen (ca. 900.000 Euro) hinaus. Der Jockey Club sieht eine Lösung in der Übernahme der Wettgesellschaft und Fokus auf Internetwetten, wofür ein großer Partner aus der Wettbranche gesucht wird. Die ersten Ergebnisse dieser neuen Initiative sind bereits 2017 zwei PMU-Renntage in Prag und Most, sowie das Einfügen der Großen Pardubitzer in den PMU-Plan.
Für drei von den fünf klassischen Rennen wurden Nennungen aus Deutschland abgegeben. Fashion Queen (Santiago) aus dem Training von Claudia Barsig ist für die 1000 und 2000 Guineas in Prag genannt. Unter den Kandidaten für den Stutenklassiker ist auch die von Stefan Richter vorbereitete Nantany (Piccolo). Für das Tschechische Derby – mit 2,5 Millionen Kronen das bestdotierte Flachrennen in Prag – kommen Stall Salzburgs Laurin (Fast Company) und Gestüt Winterhauchs Moneymaker (Jukebox Jury) in Frage.
Neben Prag beginnt am Sonntag auch die ungarische Saison im Budapester Kincsem Park. Über den Start des Wettprojekts Kincsem+ haben wir ausführlich im Dezember berichtet. Zur großen PR-Offensive, die dem Rennsport neue Zuschauer und Wetter bringen soll, hat im März auch die Premiere des neuen Kinofilms über die Wunderstute Kincsem (Trailer: https://www.youtube.com/watch?time_continue=65&v=0wDwZJ7JlMQ) beigetragen. Das Drehbuch wird wahrscheinlich manche Rennsportbegeisterte enttäuschen, denn die Vollblüter dienen oft eher als Kulisse. Der auch in der Wiener Freudenau gedrehte Film brachte allerdings schon am ersten Wochenende mehr als 72.000 Menschen ins Kino, was seit 2005 ein ungarischer Rekord ist.
Gespannt wird auch die Entwicklung in der Slowakei erwartet, wo die Saison eine Woche später beginnt. Nachdem im Herbst nach 27 Jahren Marián Surda aus dem Amt des Direktorium- und Rennbahnchefs geschieden ist, steht jetzt mit dem im Rennsport bisher nicht tätigen Lubos Chmelár sein Nachfolger fest. Für das Slowakische Derby kamen mehrere deutsche Nennungen aus dem Ställen von Peter Schiergen, Andreas Wöhler, Mario Hofer, Christian von der Recke oder Gerald Geisler. Das in Bratislava mehrmals erfolgreiche Gestüt Wittekindshof hat mit Near Big (Big Bad Bob) und Rose Duchesse (Duke Of Marmalade) auch zwei Kandidatinnen für das Oaks. Die slowakischen 1000 und 2000 Guineas bleiben noch bis 25. April offen.
Martin Cáp, Prag