TurfTimes:
Ausgabe 247 vom Donnerstag, 10.01.2013
Es gab Zeiten im deutschen Galopprennsport, in denen zwei Jahre alte Pferde deutlich häufiger an den Start gingen als heute. Vielleicht nicht gerade ganz so oft wie in Frankreich oder England, wo sieben, acht Starts für Spitzenpferde keine Seltenheit sind, doch vier-, fünfmal wurden bessere Pferde in der Regel doch an den Ablauf gebracht. Das ist Vergangenheit, heutzutage agiert das Gros der Trainer weitaus zurückhaltender. Viele spätere Derbysieger kommen erst dreijährig an den Start, das wäre früher undenkbar gewesen.
Die sechs Starts, die der in diesem Jahr im Gestüt Ohlerweiherhof neu aufgestellte Tai Chi zweijährig absolvierte, fallen somit nach hiesigen Maßstäben schon unter die Kategorie ungewöhnlich. Ungewöhnlich waren vor allem aber jene zwei Starts, die er im Oktober 2011 innerhalb weniger Tage in Baden-Baden und Köln erfolgreich absolvierte, dabei das hochdotierte Auktionsrennen in Iffezheim und den Preis des Winterfavoriten gewann, damit der gewinnreichste deutsche Zweijährige aller Zeiten wurde.
Tai Chi (rechts) mit Maxime Guyon gewinnt das Ferdinand Leisten-Memorial vor Survey. www.galoppfoto.de - Sarah Bauer
Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der Hengst 2010 bei der BBAG-Jährlingsauktion, als er mit der Katalog-Nummer 246 in den Ring kam. Sein Züchter, das Gestüt Hachtsee, hatte Ronald Rauscher als Consignor gebucht, bei 46.000 € verließ er jedoch unverkauft den Ring, etwas mehr hatte der ambitionierte Besitzer Reginald Graf von Norman doch im Hinterkopf gehabt. Zumindest das Pedigree von Tai Chi präsentierte sich zu jener Zeit weniger aufregend, High Chaparral war gerade nicht modern, zudem war er ein Erstling, was nicht jeden Käufer anregt.
So kam er in den Rennstall von Werner Baltromei nach Mülheim/Ruhr und sollte in dessen bemerkenswerter Karriere der letzte große Sieger sein und ein absolutes Aushängeschild für seine bayerische Zucht. Los ging es 2011 im Juli in Hoppegarten, in einem gut besetzten 1200-m-Rennen, in dem Tai Chi unter Dominique Boeuf Vierter hinter Arabian Falcon, Paraisa und Spirit Danon wurde, dabei gegen teilweise bereits routinierte Gegner eine versprechende Vorstellung gab. Seine Umgebung war von diesem Auftritt sehr angetan, insbesondere sein damaliger Jockey, der ihn dann auch Mitte August in Clairefontaine ritt, wo er in einem 1400-m-Rennen bereits stark gewettet war und gegen Vertreter prominenter französischer Ställe leicht zum Zuge kam. Wenige Wochen später sollte Dominique Boeuf das Ende seiner Jockey-Karriere verkünden und bei den vielschichtigen Begründungen fiel auch der Name Tai Chi. Denn beim dritten Start des Hengstes saß nicht Boeuf sondern Maxime Guyon im Sattel. "Wenn ich solche Pferde nicht mehr reiten kann, wird es wirklich Zeit aufzuhören", wurde Boeuf danach in den französischen Medien zitiert. Guyon gewann mit dem Hachtseeer Anfang September ein Course B über 1400m in Longchamp, auf 20:10 war er in einem Sechser-Feld heruntergewettet worden, musste sich aber strecken, um That's The Spirit auf Platz zwei zu verweisen.
Das Ferdinand Leisten-Memorial, das mit 200.000 € dotierte BBAG-Auktionsrennen war das nächste Ziel. Im Nachhinein sind Prüfungen dieser Art oft sehr differenziert zu sehen, was den Standard anbetrifft, doch die Ausgabe 2011 war sicher überdurchschnittlich. Hinter dem Sieger Tai Chi kamen mit Survey und Pakal zwei spätere Gr.-Sieger ins Ziel, Vierter wurde der inzwischen in Hong Kong laufende Auenturm (jetzt: Autumn Gold) und Fünfter der vorjährige Norwegische Derbysieger Old Pal. Tai Chi, hinter Pakal zweiter Favorit, musste sich ziemlich strecken und Maxime Guyon seine ganze Jockeyship zeigen, um die von Steffi Hofer gerittene Survey auf Rang zwei zu verweisen. Tai Chi war am Start etwas schwierig, es dauerte seine Zeit, bis er in die Startboxen einrückte. Das Rennen, so war man sich als Beobachter ziemlich sicher, dürfte Substanz gekostet haben.
Tai Chi mit Thierry Thulliez nach dem Sieg im Preis des Winterfavoriten 2011. www.galoppfoto.de - Sandra ScherningSo war denn auch die Verblüffung groß, als am Montag darauf Tai Chi in der Liste der noch für den Lando-Preis des Winterfavoriten engagierten Pferde auftauchte - es schien ein Versehen zu sein. Doch Werner Baltromei hatte sich seinen Crack im Stall noch einmal genau angesehen und für fit befunden, sieben Tage nach Baden-Baden in dem Kölner Gr. III-Rennen zu laufen. Diesmal machte Tai Chi am Start nicht die geringsten Probleme, ging auch unterwegs immer gut und kam letztlich unter Thierry Thulliez zu einem souveränen Erfolg. Amarillo, Amaron und der Favorit Energizer kamen auf die nächsten Plätze, dieses Rennen wurde im vergangenen Jahr bekanntlich deutlich aufgewertet. Es ging dann noch einmal nach Frankreich, in das Criterium de Saint-Cloud (Gr. I), in dem Tai Chi über 2000m auf schwerer Bahn respektabler Dritter wurde. Allerdings war der Standard des Rennens nicht besonders hoch, gerade ein Einziger der damals angetretenen acht Zweijährigen, der Fünftplatzierte Tifongo, sollte 2012 überhaupt ein Rennen gewinnen.
Tai Chi schaut aus seiner Ravensberger Box heraus. www.galoppfoto.de - Sabine BroseFür Tai Chi verlief die Dreijährigen-Saison unglücklich. Von Beginn an gab es gesundheitliche Rückschläge, nur ein Start konnte realisiert werden, im Mehl-Mülhens-Rennen (Gr. II) wurde er als Favorit Sechster. Drei Tage nach diesem Rennen verstarb Werner Baltromei. Sein letztes herausragendes Pferd sollte nicht mehr an den Ablauf kommen, er stand dann noch einige Wochen bei Andreas Wöhler, doch traten immer wieder Schwierigkeiten auf, so dass der Wechsel ins Gestüt programmiert war.
Tai Chis Vater High Chaparral (Sadler's Wells), inzwischen 14 Jahre alt, gehört seit Jahren zu den profilierten Vererbern in Coolmore, sowohl in Irland wie in Australien. Vor zwei Jahren war er der am meisten beschäftigte Deckhengst der Welt, er hatte in beiden Hemisphären insgesamt mehr als 400 Stuten gedeckt. 2012 kam er in Irland auf 124 Bedeckungen. In der Zeit, als Tai Chi geboren wurde, betrug seine Decktaxe teilweise nur 10.000 €, um sich seit drei Jahren konstant bei 25.000 € einzupendeln. Er ist Vater von bisher 24 Gr.-Siegern, im Gestüt sind außer Tai Chi aber bisher nur zwei Hengste, der in Australien in zwei Gr. I-Rennen erfolgreiche Monaco Consul sowie der überragende So You Think, der letzten Herbst in Coolmore Australia debutierte und dieses Frühjahr erstmals in Irland im Einsatz ist. Für die diesjährige Dreijährigen-Saison hat High Chaparral mit Toronado in England noch einen möglichen Crack in der Hinterhand, der von Richard Hannon trainierte Hengst ist bei bisher drei Starts ungeschlagen, hat letztes Jahr u.a. die Champagne Stakes (Gr. II) gewonnen.
Die Mutter Taita (Acatenango) stammt aus der Zucht von Dr. Christoph Burmester und hat bereits ein sehr internationales Leben hinter sich. Sie war bei Hans-Jürgen Gröschel im Training, gewann zweijährig beim Debut in Hannover, belegte zweite Plätze im Kronimus-Rennen (LR) und im Scherping-Rennen (LR), wurde dann dreijährig bei der Frühjahrsauktion der BBAG für 70.000 € nach Frankreich verkauft. Dort kam sie auf der Bahn bei Eric Danel aber ebenso wenig zurecht wie später in England bei Clive Cox. Im Februar 2008 tauchte sie bei Tattersalls in Newmarket erneut auf der Auktion auf, wurde im Ring zunächst für 29.000 gns. zurückgekauft, um dann in den Besitz des Gestüts Hachtsee überzugehen. Tai Chi ist ihr Erstling, es folgten Stuten von Stuten von Dubawi, Dai Jin und Nayef. Die jetzt drei Jahre alte Takenja (Dubawi) wird von Andreas Wöhler trainiert, die zwei Jahre alte Tadai (Dai Jin) steht bei William Mongil.
Tai Chi präsentiert sich bei der Hengstekörung in Düsseldorf mit Nastasja Caroline Volz. www.dequia.de
Die nächste Mutter Tamarita (Acatenango), die in Harzburg steht, hat mit Totti (Pentire) und Turgenjew (Big Shuffle) im Anschluss an Taita zwei gute Handicapper gebracht, ihr vorerst letztes Fohlen Tosca (Amadeus Wolf) wurde als Jährling bei der BBAG für 20.000 € an Ilka Gansera-Leveque verkauft. Sie gewann als Debutantin im vergangenen Jahr in totem Rennen das BBAG-Auktionsrennen für Stuten in Iffezheim. Tamarita ist eine Schwester von Turning Leaf (Last Tycoon), der Mutter der Gr. III-Siegerin Turning Light (Fantastic Light), deren Sohn Surrey Star (Dubawi) Listensieger in den USA und Gr. III-platziert in England war.
Tai Chi vor dem Umzug ins Gestüt Ohlerweiherhof bei der Hengstekörung in Düsseldorf. www.dequia.de
Die Linie ist nahezu ein Jahrhundert in Deutschland präsent, geht auf die 1915 vom Haupt-Gestüt Trakehnen aus Belgien eingeführte Tactique (Rabelais) zurück. Über das Haupt-Gestüt Altefeld, Isarland, Waldfried, den Fürsten Oettingen-Wallerstein, Dr. Heinz Schnapka und Dr. Christoph Burmester kam die Familie nach Hachtsee. Und stellt jetzt einen neuen Hengst in Ohlerweiherhof, der auch gleich beste Chancen bekommen wird. Buchungen liegen aus Auenquelle, Hachetal, Hachtsee, Karlshof und Röttgen vor, natürlich wird ihn das Standortgestüt entsprechend unterstützen. Es ist sicher bedauerlich, dass er sich dreijährig nicht mehr auszeichnen konnte, denn die mehrfach aufgewerteten Zweijährigen-Leistungen sahen nach noch mehr aus.