Der deutsche Rennsport ist in den vergangenen Jahren, was internationale Erfolge anbetraf, durchaus verwöhnt worden. Es gab mit Danedream und Novellist zwei herausragende Pferde, die "King George" wurden zweimal in Folge gewonnen, man war europaweit im Gespräch. Beide stehen nicht mehr zur Verfügung, doch auch eine Etage darunter werden eine Menge Rennen gewonnen, aktuell etwa durch Sommerabend. Die Lücke, die Danedream und Novellist hinterlassen haben, wird aber schwer, wenn nicht überhaupt nicht zu schließen sein, doch zumindest seit Sonntag ist der Eindruck entstanden, dass da ein Pferd ist, mit dem zumindest ein Versuch in der internationalen Grand Prix-Klasse gestartet werden kann. Wenn demnächst der Nennungsschluss für den Prix de l'Arc de Triomphe (Gr. I) ansteht, dürfte der Name Ivanhowe in der Liste der Engagements auftauchen.
Der Sieg im 79. Gerling-Preis sah bedeutend aus, zumal nach einer extrem langen Pause. Ivanhowe war seit dem Derby 2013, in dem als Favorit unter Cristian Demuro Achter wurde, nicht mehr am Start gewesen. Allerdings war der Gerling-Preis für ein Gruppe II-Rennen, einmal abgesehen von dem einstigen Gr. I-Sieger Girolamo (Dai Jin), der aber ebenfalls eine lange Pause zu überbrücken hatte, eher mit Aufsteigern denn mit gestandenen Gruppe-Pferden besetzt. Die hinter Ivanhowe platzierten Night Wish (Sholokhov) und Destor (Sternkönig) tasten sich erst einmal in diese Klasse hinein, doch sollten sie auf Dauer auf dieser Ebene leben können. Beide werden jetzt wohl nun nach Baden-Baden gehen, das ist bei Ivanhowe nicht so sicher, sein Trainer denkt auch über den Grand Prix de Chantilly (Gr. II) nach, der ebenfalls am 1. Juni gelaufen wird, es geht um €130.000 über 2400 Meter.
Ivanhowe ist der vierte Nachkomme der Indigo Girl, die 2011 bei der BBAG-Herbstauktion für €12.000 in den Besitz des Gestüts Lindenhof übergegangen ist. Die Stute ist nur zweimal gelaufen, für Trainer Andreas Schütz, der seinerzeit ein kleines Schlenderhaner Kontingent hatte. Beim Debut gewann sie dreijährig Anfang April 2005 über 2100m in Köln, wurde dann Dritte im Preis der Diana (Gr. I), der damals in Hamburg ausgetragen wurde, ihn gewann mit Iota (Tiger Hill) eine andere Schlenderhanerin aus der Familie, trainiert jedoch von Peter Schiergen.
Das war es dann schon mit der Rennkarriere von Indigo Girl, die ein Rating von 90,5 kg bekam und natürlich in die eigene Zucht ging. Dort begann es jedoch wenig glücklich. Der damalige Katalog der BBAG führte den Erstling Ignacia (Monsun) mit der Bemerkung "Trainingsunfall" auf, die dann folgenden Irving (Singspiel) und Indigolith (Motivator) waren im Oktober 2011 drei- bzw. zweijährig und noch gar nicht am Start gewesen. Danach kam Ivanhowe. So gehörte denn schon etwas Phantasie dazu, 2011 die damals von Adlerflug tragende Stute zu erwerben, auch wenn der Preis absolut akzeptabel war.
Inzwischen hat sich bei dem Pedigree natürlich richtig etwas getan. Ignacia wurde als Zuchtstute nach Frankreich verkauft, dort steht sie bei Jean-Pierre Dubois, ihr Erstling ist die zwei Jahre, jedoch nicht im Training befindliche In Race (Sageburg). Irving hat bei sechs Flachstarts drei Rennen in Deutschland und eines in Frankreich gewonnen. Er wurde letztes Jahr über Philipp von Stauffenberg nach England verkauft, legte dort in der Obhut von Champion Paul Nicholls einen fulminanten Start über Hürden hin, blieb bei zunächst vier Starts, darunter in zwei Gr. II-Rennen, ohne Niederlage. Einen Einbruch gab es erst beim Cheltenham Festival, als er als Favorit im Sky Bet Supreme Novices' Hurdle (Gr. I) unplatziert blieb. Der danach folgende Indigolith (Motivator) konnte nur zweimal herausgebracht werden.
Derzeit in Irland: Indirocco, der Bruder von Ivanhowe, im Jährlingsalter. Foto: privatNach Ivanhowe hatte Indigo Girl ein Jahr nicht aufgenommen, dann kam Indigo Eagle (Adlerflug), der bedauerlicherweise im Training tödlich verunglückte. Der jetzt im Jährlingsalter stehende Indirocco (Shirocco) ist ebenfalls über Stauffenberg Bloodstock bereits verkauft worden, an das Rathbarry Stud nach Irland, dem derzeitigen Standort seines Vaters Shirocco, er wird für die Cashman-Familie und Tom Malone ganz sicher irgendwann auf einer Auktion auftauchen. Letztes Jahr blieb Indigo Girl nach Soldier Hollow güst, jetzt ist sie wieder in Auenquelle gedeckt worden, man ist guten Mutes.
Ihr Vater Sternkönig (Kalaglow) hat sich mit den Jahren als sehr guter Mutterstutenvererber entpuppt, Röttgen selbst war auch immer sehr bemüht, Töchter von ihr in der Herde zu halten, Kastila, die Mutter von Kassiano, interessanterweise ein Soldier Hollow-Sohn, und Wild Side, die Mutter u.a. von Wild Coco (Shirocco) sind da zwei Beispiele, es gibt noch mehrere.
Die mütterliche Linie von Ivanhowe geht zurück auf die 1940 aus Frankreich eingeführte Yonne (Indus), die von Francois Dupré gezogen wurde. Viele gute Stuten kommen aus der Linie, den Preis der Diana hat die Familie mit Iota (Tiger Hill), Idrissa (Tamerlane), Indra (Birkhahn), Jana (Magnat) und Yngola (Chateau Bouscaut), dem Erstling der Yonne, gleich fünfmal gewonnen. Über die einstige "Winterkönigin" Istria (Silly Season) ist die Familie auch in den USA erfolgreich. Indigo Girl ist Halbschwester zu sechs Siegern, von ihren Schwestern ist die Listensiegerin Indian Breeze (Monsun) in der eigenen Zucht, sie hat eine Jährlingsstute von Rip van Winkle, ist tragend von Adlerflug, den sie wieder aufsucht. Die Familie ist in Schlenderhan allerdings breit aufgestellt.
Der Jahrgang 2010 von Soldier Hollow (In The Wings) umfasst gerade einmal 26 Köpfe, neben Ivanhowe ist die Diana Trial (Gr. II)-Siegerin Ars nova zu nennen, dem in Frankreich trainierten Welfenkönig ist auf Dauer Black Type zuzutrauen. Noch etwas schwieriger wird es für die gerade einmal zwanzig dreijährigen Soldier Hollow-Nachkommen sein, sich zumindest in Deutschland zu profilieren. Der jetzt in Hong Kong für Aufsehen erregende Ex-Röttgener Bullish Smart alias Diskus ist weit weg von hiesigen Bahnen, Aurelio Real ist außer Gefecht, Marunas war zumindest jüngst ein versprechender Sieger, Swingdream hat die klassischen 1000 Guineas in der Schweiz gewonnen. Die starken Jahrgänge kommen erst später.