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Der Tierarzt auf Auktionen und die Beurteilung der Kehlkopffunktion bei Jährlingen

Autor: 

Gastkolumne

TurfTimes: 

Ausgabe 587 vom Freitag, 27.09.2019

Nachdem in vergangenen Ausgaben die Beurteilung der Röntgenbilder im Rahmen der Auktion ausgiebig besprochen wurde, soll diesmal ein weiterer essentieller Bestandteil im Vordergrund stehen: Die Endoskopie des Kehlkopfes. Natürlich hat jeder Vollblut-Anbieter genau wie bei den Röntgenbildern seine individuelle Sichtweise und Erfahrungen diesbezüglich. Wir betrachten die Endoskopie als einen wichtigen Puzzle-Teil:

Warum ist die Endoskopie des Kehlkopfes für uns als Tierärzte ein entscheidender Bestandteil?

Rennpferde sind DIE Hochleistungssportler im Pferdesport. Das bedeutet es muss für sie möglich sein, an die Limits der körperlichen Leistungsfähigkeit zu gehen. Dazu gehört vor allem auch eine gute Funktionsfähigkeit der Atemwege. Aufgrund der Anatomie der Atemwege gibt es im Verlauf des Luftweges mehrere (mögliche) Engstellen: Ein Kehlkopf mit eingeschränkter Funktion kann das Atemvolumen drastisch vermindern. Dies kann nicht nur zu auffälligen Atemgeräuschen führen, sondern kann auch eine massive Leistungsschwäche verursachen. Die Endoskopie des Kehlkopfes eines Jährlings kann dabei erste deutliche Hinweise geben, ob Probleme zu erwarten sind.

Bei der Endoskopie eines Kehlkopfes für die Auktion beurteilt der Tierarzt verschiedene Punkte (Stellknorpel, Kehldeckel, Lage des Gaumensegels etc.)

Abbildung eines Kehlkopfes Grad 1

Abbildung eines Kehlkopfes Grad 1 mit linkem Stellknorpel, linkem Stimmand und Kehldeckel.Abbildung eines Kehlkopfes Grad 1 mit linkem Stellknorpel, linkem Stimmand und Kehldeckel. 

Im Vordergrund steht aber vor allem die Funktionalität der Stellknorpel (Aryknorpel):

  • Bewegen sich linker und rechter Stellknorpel symmetrisch und synchron?
  • Erfolgt eine vollständige Öffnung der beiden Stellknorpel (die nach dem Schluckakt sichtbar wird) und wird diese vollständige Öffnung auch gehalten?
  • Läuft der Schluckakt normal ab?

Damit die Beurteilung dieser Funktion möglichst objektiv erfolgt, liegen dem Tierarzt verschiedene Systeme zur Einteilung vor. Das in Deutschland am häufigsten verwendete System ist die sogenannte Havemeyer-Einteilung: Dabei wird die Symmetrie und Synchronität der Stellknorpel verwendet, um den Kehlkopf in Grad 1 bis Grad 4 einzuteilen.

Pferde, deren Kehlkopf nach Grad 1, 2.1 und 2.2. eingeteilt werden, gelten nach wissenschaftlicher Meinung als kehlkopfgesund! In diesen Fällen besteht keine bzw. nur eine geringe Asymmetrie und Asynchronität und beide Stellknorpel werden nach dem Schlucken vollständig geöffnet und offen gehalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Pferde mit einem Kehlkopf bis Grad 2.2. Probleme mit Kehlkopfpfeiffen in Belastung bekommen, ist gering.

Bei Grad 3.1. bis 3.3. ist die Funktionalität der Stellknorpel bereits (von wenig bis deutlich) eingeschränkt, aber noch in gewissen Maße vorhanden. Bei diesen Pferden muss das Risiko im Training bzw. im Rennen Einschränkungen zu entwickeln hoch. Grad 4 bedeutet eine vollständige Lähmung des (linken) Stellknorpels. Diese Pferde sind deutlich eingeschränkt und nicht in der Lage die von einem Rennpferd geforderte Leistung zu erbringen.

Abbildung eines Kehlkopfes Grad 4 (vollständige Lähmung des linken Stellknorpels)

Abbildung eines Kehlkopfes Grad 4 (vollständige Lähmung des linken Stellknorpels)Abbildung eines Kehlkopfes Grad 4 (vollständige Lähmung des linken Stellknorpels) 

Die Unterscheidung von Grad 2.2. und Grad 3.1. des Kehlkopfes ist für einige Interessenten kaufentscheidend. Und ist häufig die Qualität des bereitgestellten Videomaterials von großer Bedeutung: Der Tierarzt benötigt für diese Unterscheidung einen gut sichtbaren Schluckakt auf dem Endoskopie-Video, denn nur hier wird die vollständige Öffnungsfähigkeit der Stellknorpel in Ruhe sichtbar. Sollte es diesen nicht geben, steht man als Tierarzt vor einem Dilemma. Man möchte für die Anbieter und Interessenten eine faire Beurteilung des Jährlings ermöglichen. Daher kommt es auf jeder Auktion zu der Situation, dass „Wackelkandidaten“ erneut endoskopiert werden, um die Funktionalität des Kehlkopfes zu überprüfen. In vielen Fällen ist damit die Einteilung in die „bessere Klasse“ möglich.

Aufgrund dieser Erfahrungen spielt die Videoqualität für uns eine wichtige Rolle für die Beurteilung. Nicht nur ist es für den betrachtenden Tierarzt entscheidend einfacher ein Video zu beurteilen, das eine gerade und ruhige Aufnahme zeigt. Aber auch die Vergleichbarkeit verschiedener Aufnahmen steigt deutlich mit der Qualität. Genau wie bei den Röntgenbildern wird man von unterschiedlichen Tierärzten oft unterschiedliche Einschätzungen erhalten. Je hochwertiger die Videoqualität ist, desto geringer fallen diese Unterschiede üblicherweise aus. Zudem kann eine mangelhafte Qualität (sehr kurzes Video, sehr schiefes/unruhiges Bild, fehlender Schluckakt etc.) dazu führen, dass der betroffene Jährling von mehreren Tierärzten auf der Auktion nochmals endoskopiert wird. Dies ist eine Situation die meist von allen Beteiligten als unangenehm empfunden wird.

Am Ende gilt für die Beurteilung der Endoskopie des Kehlkopfes das gleiche wie für die Röntgenbilder. Wir als Tierärzte geben eine Risikoeinschätzung ab. Zu einem erfolgreichen Rennpferd gehört neben den körperlichen Voraussetzungen vor allem auch Gesundheit, Herz und Kampfgeist und auch die beste Wissenschaft in der Zukunft kann dies nicht beurteilen oder berechnen.

Sarah Czekal und Svenja Oellers

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