Post aus Prag: Klassiker in Bratislava und Prag
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TurfTimes:
Volle Startboxen sind in den großen regionalen Rennen der letzten Jahre rar geworden. Zu den wenigen Ausnahmen gehören noch immer klassische Rennen, nur müssen die Terminlisten von Nachbarstaaten gut miteinander abgestimmt werden. Was auch heute nicht immer gelingt, wie das letzte Wochenende gezeigt hatte, als Prag und Bratislava ihre 2000 Guineas am gleichen Tag veranstaltet haben. Früher lag zwischen den beiden Rennen eine Woche, was zahlreiche Trainer von dreijährigen Meilern, die einen Weg ins Derby nicht anstreben, ausgenutzt haben. Diesmal mussten sie sich entscheiden. In Bratislava gab es wie immer 14 Pferde, Prag musste sich mit 11 zufrieden geben. Einige Ställe hatten Probleme erstklassige Jockeys für ihre klassische Hoffnungen zu finden und es wurde der eine oder andere Reiter aus dem Ausland verpflichtet.
Der vielleicht interessanteste Teilnehmer hat Bratislava gewählt. Der fürs Tschechische Derby nachgenannte George Boole (Art Connoisseur) belegte noch Ende Januar einen zweiten Platz in Dundalk, bevor er für 60.000 Guineas den Besitzer wechselte und zu Trainer Frantisek Holcák nach Tschechien gekommen ist. In den Farben des Stalles AGA Vlachovice war er zum ersten Mal in den slowakischen 2000 Guineas (1700 m, 25.000 Euro) zu sehen und gewann mit Jockey Robert Sara im Handgalopp. Irwin Forge (Fuisse) machte auf dem dritten Platz den Erfolg von Holcák perfekt, zwischen die beiden Trainingskollegen konnte sich nur der einheimische Connor (Silver Frost) schieben. Der einzige aus Deutschland stammende Hengst im Feld, der in der Zucht von Hermann Schröer-Dreesmann geborene True Champ (Campanologist), belegte unter seinem Trainer Jaroslav Línek einen nahen vierten Platz und scheint ein interessantes Pferd für die Steherdistanzen zu sein. Das gilt womöglich auch für den von Ralf Rohne gezogenen Oroblanco (Jukebox Jury), der auch unter Línek ein gut besetztes Rennen über 2000 Meter im Rahmenprogramm sicher gewann und seine Derbyambitionen vorläufig bestätigte.
Die Slowaken hatten ähnlich wie die Ungarn ihre zwei Frühjahrsklassiker zusammen auf einen Tag gelegt. Im 1000 Guineas (Jarná cena kobýl, 1700 m, 23.000 Euro) hatte man um den Sieg bis zur Ziellinie gekämpft. Am Ende setzte sich Start-Ziel die für 9000 Euro in Irland gekaufte Astorka (Arakan) mit Jockey Martin Srnec aus dem Stall Lokotrans Slovakia durch, die den Schlussangriff der im Gestüt Hachtsee geborenen Favoritin Zoriana (Jukebox Jury) abwehren konnte. Auch die weiteren Geldränge konnten mit Lightblack (Big Bad Bob), Mooreen (Calming Influence) und Silver Empress (Silver Frost) ausschließlich einheimische Ställe holen, was im international stark geprägten slowakischen Rennbetrieb ein nicht oft gesehener Erfolg ist.
In den großen Rennen für ältere Pferde hatten allerdings wieder einmal die Tschechen die Nase vorn, als der von Westminster Racehorses gezüchtete Intisari (Intikhab) aus dem Stall Monte Negro gegen gute Steher und der aus der eigenen Zucht von Darhorse stammende Lagaro (Dalghar) unter den Meilern glänzten.
Ähnlich wie in der Slowakei gewann auch die 2000 Guineas in Prag ein Pferd, das in keinem Vorbereitungsrennen zu sehen war. Sir Sun (Power), Sohn einer nicht gelaufenen rechten Schwester des Gr.1 Siegers Act One, wurde von Jockey Jirí Chaloupka lange im Hintertreffen versteckt, bevor er in den letzten 200 Metern mit einem beeindruckenden Finish gekommen ist und sicher um 3/4 Längen gewonnen hatte. Der Trainer Lubos Urbánek und Besitzer Karel Jalový spielen jetzt mit dem Gedanken alle restlichen Vorbereitungsrennen wegzulassen und mit Sir Sun direkt ins Prager Derby zu gehen. Der von Jack Mitchell gerittene Noble Cliffs (Canford Cliffs) kam nach einem nicht optimalen Rennverlauf auf den zweiten Platz vor dem Winterfavoriten Zock (Rock Of Gibraltar). Der von Uwe Stallmann gezogene Schimmel Gold Evasive (Evasive) ging nach dem nicht gelungenen Vorbereitungsrennen mit einer anderen Taktik und wurde besser im Feld versteckt. Am Ende war er Vierter etwas mehr als zwei Längen hinter dem Sieger.
Die Situation vor dem Tschechischen Derby scheint relativ offen zu sein, es gibt mehrere interessante dreijährige Hengste mit Steherqualitäten, die bisher nicht gegeneinander gelaufen sind. Einer von ihnen, der von Greg Wroblewski trainierte Nagano Gold (Sixties Icon), gewann am Sonntag hochüberlegen um 15 Längen ein kleines Rennen auf der Derbydistanz. Ein interessanter Name könnte auch der aus der eigenen Zucht von Jirí Charvát stammende Joseph (Lando) sein, der am Samstag mit Jirí Palík den Frühjahrspreis von Most über 2000 Meter gewonnen hatte. Hingegen die Irland-Importe von Josef Vána haben bisher nicht ins große Geschehen eingegriffen und bleiben in kleinen Rennen noch sieglos.
Vána selbst konzentriert sich derzeit voll auf den Hindernisteil seines Stalles, der erfolgreich in Tschechien, Italien und Frankreich agiert. Vána senior als Trainer und Josef Vána junior als Jockey sind klare Spitzenreiter der italienischen Statistik. Letzte Woche haben sie ihre Dominanz erneut mit dem Sieg von Broughton (Teofilo) in der Grande Steeple Chase Di Milano (Gd1, 60.000 Euro) bewiesen. Der in den Farben des Scuderia Aichner SRL laufende Wallach aus der Zucht des Gestüts Westerberg gewann sicher um eine Länge vor Recently Acquired (Beat Hollow) und Delight My Fire (Way Of Light). Im Training von John Ferguson war Broughton Listensieger und Gruppe 2 platziert in englischen Hürdenrennen, kam später über Frankreich nach Tschechien. Vána feierte schon früher Erfolge mit seinem Halbbruder und BBAG-Kauf Buonarroti (New Approach), einer einstigen Derbyhoffnung, die inzwischen auch im Hindernissport zu sehen ist.
Martin Cáp, Prag