TurfTimes:
Ausgabe 416 vom Donnerstag, 05.05.2016
Auf den ersten Blick sah es wie eine verblüffende Pause am Anfang Mai aus. In Tschechien war der Hauptrenntag des letzten Wochenendes eine Steeplechase auf der kleinen Waldrennbahn Lysá nad Labem (Lysa an der Elbe) unweit von Prag, in der Slowakei feierte man mit einem Jubiläumsrenntag 50 Jahre der kleinen Provinzbahn Surany. Was zuerst recht verblüffend wirkt, hat eine lange Tradition und sagt viel über die Art aus, wie der Rennsport in der ehemaligen Tschechoslowakei nach dem 2. Weltkrieg eine breite Zuschauerbasis fand. Ob man sich wieder bei diesem Trend aus den 60ern inspirieren sollte und man mehr Zuschauer auf die Rennbahnen mit modernen Marketingprojekten oder eher mit intensiver Kleinarbeit in den Regionen im „Back To The Roots“-System bekommt, gehört in Tschechien zur Auseinandersetzung zwischen dem Jockey Club und den Veranstaltern.
Kleine Provinzbahnen sind ein wichtiger Bestandteil des tschechischen Rennsystems. Von den 12 Rennbahnen im Land gehören acht in die Sparte kleine Provinzbahnen mit 1-3 Renntagen mit Flach- und Hindernisrennen pro Jahr. Die meisten von ihnen wurden von ehemaligen staatlichen Unternehmen als Reaktion auf die extreme Popularität der Großen Pardubitzer in den 60ern und 70ern gegründet. Somit ist ein einzigartiges Netz von fast 20 Rennbahnen entstanden, in dem beinahe jede Region des Landes vertreten war. Das verhalf zu einem harten Kern von Hindernisfans in der ganzen damaligen Tschechoslowakei und funktionierte gleichzeitig als erste Bühne für neue Jockey- und Trainertalente.
Nach der Wende sind die kleinen Rennbahnen in private Hände übergegangen. Nicht alle haben bis heute überlebt, aber die meisten werden jetzt mit viel Aufwand von verschiedenen Rennsportfamilien und Pferdebegeisterten betrieben und rekonstruiert. Vor allem für kleine regionale Besitzer, Hindernisställe und Pferde der unteren Leistungsstufen sind diese Rennplätze unentbehrlich. Trotz kleinerer Budgets tragen die kleinen Veranstalter zur Stabilität des Rennsystems bei, was besonders in letzter Zeit, als manch ein Großveranstalter mit Problemen kämpfen muss, seinen Wert hat. Im Moment spricht man vor allem über die moderne Anlage in Most, die am 27. Mai von ihrem jetzigen Besitzer, einem Bergbauunternehmen, auf einer Auktion angeboten wird.
Der erfolgreichste Renntag in den Regionen ist in Tschechien immer der 1. Mai in Lysá nad Labem. Im Fokus ist die „1. Mai-Steeplechase“, die seit 1961 gelaufen wird und mittlerweile eine Tradition hat, die Tausende von Menschen aus der der Umgebung von Prag anlockt. Oft sieht man hier Pferde, die später in der Großen Pardubitzer laufen werden, das 4200 Meter lange Rennen auf der gut bewässerten und gepflegten Anlage ist aber viel schneller und die Sprünge leichter. In diesem Jahr drehte sich alles über in Deutschland geborene Pferde. Als Favorit ging der im Gestüt Etzean geborene Reaper (Sholokhov) an den Start, Sohn der zweimaligen Siegerin der Großen Pardubitzer Registana (Tauchsport). In den Registana-Farben des Stalles Wrbna Racing lieferte der talentierte Wallach zwar ein gutes Rennen ab, musste sich aber am Ende mit den dritten Platz zufrieden geben. Es siegte der von der Familie Kleibömer gezogene Ange Guardian (Banyumanik) mit Hindernischampion Jan Kratochvíl, mit dem Trainer Josef Vána bereits den zehnten Sieger dieses Rennens stellte.
Einen Tag vorher meldete sich in Karlsbad ein möglicher Mitfavorit für das Tschechische Derby zu Wort. Der im Winter aus Irland importierte Alpheus (Galileo), auch ein Vána-Schützling, siegte locker im selben 2000 Meter-Rennen, in dem letztes Jahr der amtierende Derbysieger Touch Of Genius seine Karriere begonnen hatte.
Martin Cáp, Prag