Post aus Prag - Von der BBAG-Frühjahrsauktion zum Sieg in der Großen Pardubitzer
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TurfTimes:
Egal, mit wem man gerade spricht oder wen man trifft, in den letzten Tagen gibt es im tschechischen Rennsport eigentlich nur ein Thema. „Was sagen Sie zur Großen Pardubitzer?“ wurde ich diese Woche schon mehrmals gefragt und konnte eigentlich nur Positives aufzählen. Der 132. Jahrgang des berühmten Rennens (6900 m, ca. 204.000 Euro) wurde bei schönem Wetter in einer atemberaubenden Kulisse von 25 000 Zuschauern, wie man sie so nicht nur wegen Corona schon länger nicht erlebt hatte, gelaufen und sie war ein dramatischer Höhepunkt eines zweitägigen Meetings, in dem sich trotz vielen Stürzen niemand schwer verletzte. Es stimmte die Atmosphäre, die sportliche Seite und letztendlich auf das Medienecho.
Nach sechzehn Jahren, zum ersten mal seit Decent Fellow (Esclavo), siegte in der Großen Pardubitzer ein deutsch gezogenes Pferd. Der aus der Zucht des Gestüts Wieselborner Hof stammende Mr Spex (Tai Chi), vom Stall Lokotrans vor sechs Jahren auf der BBAG-Frühjahrsauktion für 8.500 Euro erworben, gehörte nach seinem dritten Platz vom letzten Jahr zum Favoritenkreis und bestätigte diesen Ruf mit einem sicheren Erfolg um 1 3/4 Längen vor dem Vorjahressieger Talent (Egerton), Sacamiro (Camill), Player (Moonjaz) und dem Sohn der vom Gestüt Franken gezüchteten klassischen Siegerin Arganta Argano (Lord Of England).
Es war ein großer Wunsch des Besitzers Karel Jalový das berühmte Rennen zu gewinnen, denn sein bisheriger einziger Erfolg mit Ribelino (Truth Or Dare) vor sieben Jahren kam erst nach der Disqualifikation des ursprünglichen Siegers Nikas (Scater) wegen einem positiven Dopingtests zustande. Mr Spex kaufte er 2016, ohne den damals zweijährigen Hengst vorher zu sehen. Er war nämlich ein Halbbruder zu einem der ersten erfolgreichen Lokotrans-Pferden Maltamo (Dashing Blade). Der einstige Sechste aus dem Tschechischen Derby zeigte später Talent zum Springen und gewann einige Hindernisrennen. Mr Spex wurde somit vom ersten Moment als ein potentielles Hindernispferd gesehen und Trainer Lubos Urbánek schickte ihn dreijährig direkt in ein Hürdenrennen in Kolesa bei Kladrub. In den letzten Jahren zeigte der Wallach mehr und mehr Potential, bis er am vergangenen Sonntag den großen Traum seines Besitzers erfüllte. Im Sattel von Mr Spex zeigte eine große Leistung der beste slowakische Hindernisjockey der letzten Jahre Lukás Matuský, für den es nach dem Sieg mit Hegnus vor zwei Jahren bereits der zweite Erfolg war.
Den Großteil des Rennens bestimmten die Stallkollegen Stretton (House Rules) und Player die Pace. Am Taxis-Graben sind Imphal (Golden Tirol) und der vom Gestüt Görlsdorf gezogene Star (Sternkönig) zu Fall gekommen und Patrick Mullins schaffte es mit Kaiserwalzer (Wiener Walzer) aus der Zucht von Theo Hodinius nur zum sechsten Hindernis. Es gab somit reichlich reiterlose Pferde im Rennen, was zu mehreren Kollisionen führte und der mittlere Teil des Rennens wurde in sehr mäßigem Tempo gelaufen. Das führte zu weiteren Zwischenfällen – der zum ersten mal in Pardubitz laufende Brunch Royal (Sunday Break) hatte Josef Bartos nach dem sechzehnten Hindernis verloren und der Sieger aus dem Jahre 2017 No Time To Lose (Authorized) musste auf dem folgenden Wassergraben passen. Im letzten Kilometer kam der große Angriff von Talent und es sah schon nach einer erfolgreichen Titelverteidigung aus, aber in der Zielgeraden kam Mr Spex mächtig in Schwung und entschied das Rennen für sich.
Mit 15 Pferden hatte die Große Pardubitzer das kleinste Starterfeld seit Jahren, für das Rennen selbst schien es aber die ideale Anzahl zu sein. Immer wieder spricht man in den letzten Jahren auch über den Mangel an guten Hindernisjockeys, inzwischen ist es beinahe unmöglich ein Feld von 20 Startern mit inländischen Reitern zu besetzen. Diese Erfahrung hatte auch der siegreiche Stall gemacht, für den im letzten Jahr der derzeit verletzte Jan Kratochvíl in den Sattel gestiegen ist, der allerdings demnächst zu Josef Vána zurückkehren wird. Lokotrans hatte deshalb Anfang von September eine Reduktion des Hindernisstalles angekündigt. Nach dem Erfolg von Mr Spex hatte der Besitzer Karel Jalový klar gemacht, dass es ohne einen Kontrakt mit einem Top-Jockey nicht Sinn macht in größerem Unfang Hindernispferde zu halten. Nun strebt man eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Lukás Matuský, der bei Trainer Radek Holcák beschäftigt ist, an.
Das zweitgrößte Rennen des Tages, der Elbe-Preis (5200 m, ca. 28.500 Euro) hatte nur sechs Pferde am Start, endete aber mit einem packenden Zweikampf zwischen dem lange führenden Well Absolut (Pouvoir Absolu) mit Jaroslav Myska und dem von Josef Bartos gerittenen Favoriten Chelmsdorf (Sunday Break). Well Absolut schien schon geschlagen zu sein und vor einem der schwierigeren Hindernissen wurde er von einem reiterlosen Pferd aus dem Rhythmus gebracht, aber fand in den letzten Metern trotzdem noch die Kraft seinen Gegner um einen Kopf zu schlagen. Dritter wurde der mit einer Weile geschlagene New Finch (Pop Rock).
In Budapest wurde am selben Tag das Magyar St. Leger (2800 m, ca. 10.400 Euro) gelaufen, das mit einem Erfolg der deutschen Zucht endete. Es siegte der im Gestüt Etzean geborene Agreement (Lord Of England), ein Sohn der Diana-Trial-Siegerin Ars Nova (Soldier Hollow). Der aus kleineren Rennen kommende Schützling von Pál Csontos schlug unter Tamás Nagy um eine Länge seinen Trainingsgefährten Régi Csibész (Nathaniel). Den dritten Platz holte sich der vom Gestüt Bábolna gezüchtete Tábornagy (Bully Pulpit).
Im bedeutenden Zweijährigen-Rennen Szent László Díj (1400 m, cca 6 900 Euro) brillierte Carlos Ray (Sioux Nation) unter Jaroslav Línek. 1 1/4 Längen hinter ihm endeten Amore Boy (Shamalgan) und der Favorit Lord Winter (Anodin).
Martin Cáp, Prag