Die Rennbahn in München-Riem rüstet sich für den Renntag am Sonntag, den ein Teil des in jedem Jahr in Massen auf die Bahn pilgernden Publikums als Freiluft-Kaffeeparty mit kostenlosem Kaffeeausschank und zahlreichen Gewinnmöglichkeiten bei einer Tombola wahrnimmt, der andere Teil in ihm den Saisonhöhepunkt des Riemer Turf-Jahres mit dem Großen Dallmayr-Preis - Bayerisches Zuchtrennen (Gruppe I, 2000m, 155.000 Euro) und zwei weiteren Listenrennen im Rahmenprogramm sieht. In diesem Jahr prophezeien die Meteorologen, dass Mensch und Pferd am Sonntag extrem hohe Temperaturen zu ertragen haben, so dass bei der Frage nach dem Sieger im Riemer Gruppe I-Event die Hitzetauglichkeit eine Rolle spielen wird. Anders als bei der Frage der Bodenvorlieben gibt es hierzu allerdings bei keinem der sieben Starter Erfahrungswerte.
Mit dem 5jährigen Hunter's Light schickt das Godolphin-Team einen veritablen Crack nach Riem. Zwar konnte sich durch Kutub im Jahr 2001 erst einmal ein "Blauer" in die Siegerliste eintragen, doch eine Zeit lang stand das Rennen in der Terminplanung von Saeed bin Suroor offensichtlich hoch im Kurs. Regelmäßig schickte er einen Starter in die bayerische Landeshauptstadt, denen zwar der ganz große Wurf verwehrt blieb, die jedoch fleißig Platzgelder sammelten. Zweimal – durch Highdown in 2003 und Formal Decree in 2008 – gelang der 2. Platz und gar dreimal – angefangen in 2000 mit State Shinto über Trincot in 2009 bis zu Alexandros in 2010 - finden sich Godolphin-Schützlinge auf dem 3. Platz. Nach zweijähriger Pause nimmt Hunter's Light nun wieder einen Anlauf auf einen zweiten Godolphin-Triumph im Dallmayr-Preis. Die Chancen für eine erfolgreiche Vollendung der Mission stehen für den von Silvestre de Sousa gerittenen Dubawi-Sohn nicht schlecht. Der bereits in acht Blacktype-Rennen erfolgreiche Hengst hat deutlich mehr Meriten vorzuweisen als seine sechs Konkurrenten. Auch wenn er noch nie in einem Gruppe I-Rennen in seiner britischen Heimat an den Start ging, kann er veritable Erfolge auf diesem Parkett in Italien im letztjährigen Premio Roma und in Dubai beim diesjährigen Racing Carnival vorweisen. Bei seinen letzten beiden Starts im Dubai World Cup und im Singapur Airlines International Cup endete er allerdings nur im Mittelfeld, doch trifft er in Riem auf schwächere Gegner.
Niemand aus dem Sextett kann bislang einen Gruppe I-Sieg vorweisen. Der von Peter Schiergen für das Gestüt Ittlingen vorbereitete Neatico (Andrasch Starke) erlebt zwar gerade seinen zweiten Frühling, doch fanden die letzten beiden Erfolge des Medicean-Sohnes „nur“ auf Gruppe III-Niveau statt. Die Stallform des Kölner Quartiers ist aktuell hervorragend, so dass durchaus auch das dritte diesjährige Gruppe I-Rennen in Deutschland in den Stall Asterblüte wandern könnte, wenn Neatico den Sprung auf Gruppe I schafft. Der immerhin schon Sechsjährige wurde für das Rennen eigens nachgenannt und vertritt den lange Zeit für diese Prüfung vorgesehenen Derby-Sieger Lucky Speed, für den die Regenrationspause nach dem Derby nun doch zu kurz war.
Auch für den zweiten ausländischen Gast, den aus dem französischen Championstall von Andre Fabre nach Riem beorderten Opposite (Olivier Peslier), bedeutet der Start im Dallmayr-Preis eine gewaltige Steigerung der sportlichen Ansprüche. Auch wenn der Dansili-Sohn seine letzten drei Starts in Serie gewann und in dieser Saison noch ungeschlagen ist, so ist nicht zu übersehen, dass er noch nie in einem Blacktype-Rennen an den Start kam. Die sportlich anspruchsvollste Aufgabe, die er bislang zu lösen hatte, war der letzte Start in einem Class B-Rennen auf der Sandbahn in Deauville. Dort gewann er zwar überlegen, doch prädestiniert ihn ein solcher Erfolg kaum für einen Start im Dallmayr-Preis. Dass der im Besitz der Wertheimer Brüder stehende Vierjährige dennoch nicht als Außenseiter ins Rennen gehen wird, liegt an der Hochachtung vor seinem Trainer und Jockey. Andre Fabre entsendet mit Opposite am Sonntag seinen ersten Dallmayr-Starter überhaupt nach Riem, Olivier Peslier begleitet den Hengst und verzichtet auf den Deauville-Renntag rund um den ebenfalls zur Gruppe I zählenden Prix Rothschild. Es ist schwer vorstellbar, dass gerade diese beiden Vollblutprofis die Riem-Expedition mit einem chancenlosen Kandidaten als Sonntagsausflug nach Bayern antreten.
Das verbleibende Starter-Quartett aus deutschen Ställen teilt sich in zwei klare Außenseiter und zwei interessante Vertreter des aktuellen Derby-Jahrgangs. Mit Stall Litex Baschar (Filip Minarik) und German Racing Clubs Kitco (Eddy Hardouin) sind die beiden Außenseiter genannt, für die es maximal darum gehen wird, eine der diesmal bis zum 5. Rang ausgelobten Platzgeldprämien zu erreichen. Baschar musste in dieser Klasse mehrfach Grenzen bekennen und ist ebenso wenig als Gruppe I-Sieger vorstellbar wie der unter olympischen Motto startende Kitco, der zuletzt einen Ausgleich III gewann und sich hier etwas verirrt zu haben scheint.
Für den einzigen Vertreter der Münchener Trainingszentrale, den 3jährigen Superplex (Mirco Demuro) aus dem Quartier von Michael Figge, ist es erst der zweite Start in Deutschland. Der im Besitz des Stalles Eivissa von Patrick Bertermann stehende Hengst lief bislang nahezu ausschließlich in Frankreich, also dort, wo er vor zwei Jahren bei der Arqana-Auktion über den Schweizer Andy Wyss für 27.000 Euro an seinen jetzigen Besitzer gelangte. Der Multiplex-Sohn gewann bislang drei Rennen im Nachbarland, zuletzt mit dem Prix Daphins eine Gruppe III-Prüfung in Compiegne. Sein Start im französischen Derby zuvor, ohnehin ein Griff nach den Sternen, endete zwar erwartungsgemäß ohne zählbare Ausbeute, doch ganz so viel wird im Dallmayr-Preis nicht verlangt.
Chancenlos ist der Münchener Lokalmatador ebenso wenig wie der zweite Dreijährige im Feld, Gestüt Auenquelles Global Bang (Andrea Atzeni). Bei seinem letzten Auftritt im Derby wurde dem Manduro-Sohn die Distanz am Ende ersichtlich zu weit, so dass der Schützling von Mario Hofer auf der 400m kürzeren Strecke besser aufgehoben scheint. Der Zweite des diesjährigen Mehl-Mülhens-Rennens versucht in die Fußstapfen seines Krefelder Trainingsgefährten Pastorius zu treten, der hier im Vorjahr überlegen dominierte. Sollte ihm dieser Coup gelingen, würde er damit den mittlerweile arg ramponierten Ruf des aktuellen Derby-Jahrgangs gehörig aufpolieren und zugleich die bislang schlechte Bilanz der Dreijährigen im Dallmayr-Preis verbessern: In den 22 Jahren, in denen das Rennen Gruppe I-Status hat, gewannen nur fünfmal Vertreter des Derby-Jahrgangs, 17mal hatten die älteren Jahrgänge die Nase vorn.