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Post aus Prag - Auf den Spuren der ersten Sieger der Großen Pardubitzer

Die historische Lithographie der ersten Pardubitzer von Philipp Sternberg.

Autor: 

Martin Cáp

TurfTimes: 

Ausgabe 848 vom Freitag, 20.12.2024

Mit der deutschen Sprachversion des Artikels zum 150-jägrigen Jubiläum der Großen Pardubitzer verabschiedet sich die osteuropäische Kolumne von Turf Times in die Winterpause.

Fantome und George Sayers. An der Statue der ersten Sieger der Großen Pardubitzer kommen jede Saison Tausende von Rennsportfans und Zuschauer vorbei, ohne zu bemerken, um wen es eigentlich geht. Gelegentlich bleibt jemand stehen oder macht ein Foto. Das Werk des polnischen Bildhauers Jerzy Bokrzycki aus dem Jahr 2010, sichtlich von der berühmten Lithographie des Malers Emil Adam inspiriert, steht in der Nähe der Tribüne D, gleich neben den Steintafeln mit den Namen von allen Siegern der Großen Pardubitzer. Nur wenige Eingeweihte wissen, dass Fantome mit seinem Reiter nicht nur diese Statue, sondern auch ihre letzte Ruhstätte verbindet. Beide sind unweit der Rennbahn Hoppegarten begraben.

Das Grab des Engländers, der unter den Namen Sayers und später Sear als Jockey und Trainer hocherfolgreich in Deutschland tätig war, kann man noch heute ohne Probleme auf dem örtlichen Friedhof finden, inklusive der liebevollen Botschaft seiner Töchter auf dem Grabstein. Hingegen Details über das Grab von Fantome waren bisher unbekannt. Anhand von Informationen aus der zeitgenössischen Fachpresse und Recherchen über den alten Hoppegartener Hinderniskurs machten die konkrete Stelle der Autor dieses Textes zusammen mit dem Neuenhagener Ortschronisten Kai Hildebrandt ausfindig. Der erste Sieger der Großen Pardubitzer ruht am Ufer des Neuenhagener Fließ neben dem einstigen Antinous-Graben, also im Wald hinter der Hoppegartener Gegengerade zwischen der 1000- und 800-Meter-Marke.

Fantome, 1868 in Frankreich von Orphelin aus der Belle de Nuit gezogen, hatte eine äußerst abwechslungsreiche und heute kaum noch vorstellbare Karriere hinter sich, als er am 5. November 1874 die Große Pardubitzer in den Farben des Braunschweiger Baron von Cramm gewann. Wie die Historiker John Pinfold und Kamila Pecherová dargestellt haben haben, war der erste Besitzer von Fantome Paul Aumont. Als 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, wurde der zweijährige Fantome zusammen mit vielen anderen französischen Vollblütern nach England gebracht. Dreijährig debütierte er in Newmarket und wurde unter anderem Vierter in den Ascot Stakes (4000 m) im Rahmen des Royal Ascot-Meetings.

Es wechselte mehrmals den Besitzer, bis es vom Herzog von Hamilton erworben wurde. Für seinen Stall war er regelmäßig auf beiden Seiten des Ärmelkanals unterwegs. In der Obhut von Trainer John Rickaby wurde er in Chantilly eingesprungen und errang am 20. März 1873 im Berkeley Hurdle in Bristol seinen ersten Sieg über Sprünge. Acht Monate später gewann er den Prix d' Auteuil auf der neu eröffneten Pariser Rennbahn und absolvierte mehrere Starts auf englischen Rennbahnen. 1874 nahm er mit dem bekannten Jockey John Page am Grand National in Aintree teil und ging mit einer Quote von 20:1 an den Start. In der ersten Runde war er in der Spitzengruppe auszumachen, bevor er am The Chair zu Fall gekommen ist.

Als gutes, aber unzuverlässiges Hindernispferd kam er im französischen Chéri unter den Hammer und wurde für 25 000 Franken von dem berühmten deutschen Herrenreiter von Cramm erworben. In den neuen Farben machte er mit dem zweiten Rang im Großen Badener Jagdrennen einen soliden Eindruck.

Die erste Große Pardubitzer wurde am Donnerstag, dem 5. November 1874, als Handicap „für Pferde aller Länder und jeden Alters“ über eine Distanz von 3,5 bis 4 englischen Meilen ausgetragen. Vierzehn Starter gingen auf der sehr harten Bahn an den Start und Fantome war trotz des relativ hohen Gewichts von 161 Pfund Favorit mit der Quote 3:1. Seine Stallgefährte Duckwing folgte mit 5:1, und auf den gesamten von Cramm-Stall konnte man auf dem Wettmarkt 1,5:1 bekommen. Als Top-Herrenreiter ritt von Cramm seine Pferde oft selbst, aber dieses Mal musste er wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins passen und vertraute Fantome dem 25-jährigen Sayers an, der seine Pferde auch trainierte.

Fantome und Duckwing machten die Pace und hatten im Verlauf des Rennens einen Vorsprung von etwa zwanzig Längen. Probleme begannen am sechsten Hindernis, der Steinmauer. Fantome machte ein großes Loch in die Mauer und vier von seinen Verfolgern stürzten hier schwer. Die englischen Jockeys Peter Appleton und Walter Earl wurden schwer verletzt, für den später berühmten Trainer Earl bedeutete dies das Ende seiner Reiterkarriere. In der zweiten Hälfte des Rennens gab es noch zahlreiche weitere Stürze. Fantome gewann mit zwei Längen Vorsprung vor Fantasca, Yermack und dem Halbblüter Cossack. Insgesamt schafften es sechs Pferde ins Ziel.

In der deutschen Statistik des Jahres 1874 war Fantome mit 34.847,50 Mark auf dem vierten Rang. Im folgenden Jahr gewannen er unter von Cramm leicht das Große Hamburger Jagdrennen und danach folgte ein Canter-Sieg in der Großen Frankfurter Steeple-Chase, wo er um 8 Längen den sehr guten Charlatan schlug. Bereits 8-jährig erlag er aber an inneren Blutungen nach einem missglückten tierärztlichen Eingriff, bei dem er sich eine Rippe brach. Fantome starb am 26. November 1876. Dass er in der Nähe des damaligen Antinous-Grabens begraben wurde, zeugt von hoher Wertschätzung, die der populäre Wallach in seiner Zeit genoss.

Martin Cáp, Prag

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