Wie in jedem Jahr nimmt die Hindernissaison auf den Inseln im Dezember spürbar an Fahrt auf. Bis zu den Weihnachtstagen jagt ein Wochenendhighlight das nächste. Ab dem zweiten Weihnachtstag weiß man dann kaum noch, in welche Richtung man gucken soll. Höhepunkt des ersten Dezember-Wochenendes ist alljährig die in Sandown ausgetragene Tingle Creek Chase (Gr.I, ca. 3200m), eine der wahrlich ikonischen Prüfungen Englands. Es ist eine logische Station auf dem Weg zur Queen Mother Champion Chase beim Cheltenham Festival im März; die Siegerliste des Rennens, benannt nach dem gleichnamigen Star-Chaser der 70er Jahre und in dieser Form seit 1979 ausgetragen, enthält die Super-Stars der Sphäre. Wie an dieser Stelle immer wieder betont, sind zwei Meilen die Sprint-Distanz des Hindernissports, kürzer geht es nimmer. Sowohl über Hürden als auch auf der Jagdbahn laufen hier also die „schnellsten“ Pferde, wie auf der Flachen in 1000m-Rennen.
Sandowns Bahn, die ja tatsächlich hochklassige Rennen auf beiden Gebieten abhält, ist anspruchsvoll. Nicht uneben wie Cheltenham, aber mit ausnehmend vielen Hindernissen, die vor allem in der Gegenseite in schnellem Abstand kommen; zudem ist die Zielgerade stark ansteigend. Dies mag ein Grund sein, warum in der Siegerliste der Tingle Creek Chase mit Desert Orchid und Kauto Star nicht nur zwei absolute Kult-Pferde der Szene auftauchen; beide gewannen später in Cheltenham den Gold Cup, die Prüfung für Steher.
Die aktuelle Austragung der Tingle Creek Chase hatte durchaus ihre Reize. Nicky Hendersons Shishkin (Sholokov), englischer Star-2-Meiler und bis März dieses Jahres in der Sphäre praktisch ungeschlagen, wollte sich nach dem Debakel von Cheltenham, wo er als heißer Favorit angehalten werden musste, rehabilitieren. Mit dem von Alan King trainierten Edwardstone (Kayf Tara) gab der Arkle-Sieger der letzten Saison nicht nur sein Jahresdebut; es war somit sein erster Start außerhalb der Novice (Nachwuchs) -Rennen. Insgesamt kamen sechs Pferde an den Ablauf, zwei aus Irland. Das Rennen wurde zu einem Triumph für eben Edwardstone, der unter Tom Cannon aus dem Hintertreffen ein absolut famoses Rennen lief, seine etwas überraschende Niederlage in Aintree im April gegen Gentleman de Mee (Willie Mullins), der als einer der irischen Starter die Rivalität erneuerte, nachdrücklich geradestelle und mit rund neun Längen Vorsprung seinen Gegnern förmlich davonlief. Auf offiziell gut-weicher Bahn kam sein „Stehvermögen“ voll zur Geltung, für Shishkin reichte es ganze 15 Längen zurück gar nur für Platz drei. Dafür hatte sein Trainingsgefährte Jonbon, ein Bruder des Spitzenchasers Douvan, zuvor das Skript gelesen, und die Gr.I Henry VIII Novices´ Chase (ca. 2 Meilen, 3200m) in beeindruckendem Stil gewonnen, er zahlte auch nur knappe 1.2:1. Er schickt sich somit an, in der Arkle Chase 2023 der Nachfolger von eben Edwardstone zu werden.