TurfTimes:
Ausgabe 701 vom Freitag, 14.01.2022
Die Nachricht, dass mit Best Solution (Kodiac) der in den letzten Jahren am stärksten gebuchte Deckhengst Deutschlands im Frühjahr vornehmlich aus personellen Gründen im Gestüt Lünzen decken wird, hat die junge norddeutsche Zuchtstätte deutlich mehr als bisher in den Blickpunkt gerückt. Er wird Boxennachbar von Accon, der schon einige Monate im Gestüt stand, in diesem Jahr erstmals offiziell in das Deckgeschehen eingreifen wird. Er wird schon ein ganz anderes Segment als der von vielen großen deutschen Gestüten unterstützte Syndikatshengst Best Solution, abzulesen schon an seiner Decktaxe von 2.500 Euro. Wie es um das Interesse an ihm bestellt ist, werden die nächsten Wochen zeigen, aber bisher gibt es immerhin schon 16 Anmeldungen. Accon steht im gemeinschaftlichen Besitz des Gestüts Lünzen und Holger Renz, der ihn auch mit zwei seiner Stuten unterstützt.
Debütiert 2022 im Gestüt Lünzen: Accon (GER) 2016 b. H. v. Camelot - Anaita (Dubawi). Sieger im Derby Trial - Frühjahrs-Preis - Auf geht's zum IDEE Derby Meeting 2019, Gr. III Dritter im IDEE 150. Deutschen Derby, Zweimal Zweiter im BBAG-Auktionsrennen u.a. im mit 200.000 Euro dotierten Ferdinand Leisten-Memorial in Baden-Baden. ©Galoppfoto - Turf-Times
Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er bei der BBAG-Jährlingsauktion 2017, bei der er für 22.000 Euro in den Besitz von Holger Renz kam. Das war gemessen an seiner Abstammung ein durchaus ziviler Preis. Es könnte auch daran gelegen haben, dass die Mutter Anaita zum damaligen Zeitpunkt im Gestüt Hof Ittlingen nicht den größten Stellenwert genoss, doch wird davon noch die Rede sein.
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Accon kam zu Markus Klug ins Training, bot sich offensichtlich früh an. Er lief in diesem Alter sechsmal, blieb zwar sieglos, doch verdiente er sich sein relativ hohes Rating von 85kg durch eine Reihe von guten Platzierungen. Beim zweiten Start war er hinter Django Freeman (Campanologist) Zweiter im Düsseldorfer BBAG-Auktionsrennen, belegte diesen Platz auch im Iffezheimer Auktionsrennen zu Ramazotti (Lope de Vega), der ihn zuvor schon in der Maidenklasse geschlagen hatte. Accon wurde dann später im Jahr noch Vierter im von Donjah (Teofilo) gewonnenen Ratibor-Rennen (Gr. III) in Krefeld, es folgte noch ein zu vergessener Start auf der Sandbahn.
Bevor es dreijährig erneut gegen die Jahrgangsspitze ging, wurde erst einmal der erste Sieg eingefahren, was Ende März in Köln über 1850 Meter gelang. Im Bavarian Classic (Gr. III) in München wurde er Fünfter, wonach es nach Baden-Baden zum dortigen Derby-Trial (Gr. III) ging. Unter Jiri Palik war Accon zum Kurs von 20,5:1 letzter Außenseiter im achtköpfigen Feld, was ihn nicht an einem leichten Sieg gegen Skyful Sea (Sea the Stars) und Surrey Thunder (Le Havre) hinderte. Relativ hoch war dann auch seine Quote im IDEE 150. Deutschen Derby (Gr. I), er wurde hinter Laccario (Scalo) und Django Freeman (Campanologist) Dritter, knapp vor Quest the Moon (Sea the Moon).
Vier weitere Gruppestarts schlossen sich an, stets bekam er danach ein Rating von 96,5kg. Zweiter war er im Fritz Henkel-Stiftung-Rennen (Gr. III) in Düsseldorf, respektabel war sicher auch Platz fünf in Ghaiyyaths denkwürdigem Großer Preis von Baden (Gr. I) und selbst der sechste Rang im Großen Preis von Bayern (Gr. I) nicht weit hinter den vorderen Pferden war solide. Accon wechselte danach den Trainer, er ging zu Bohumil Nedorostek nach Langenhagen, konnte 2020 aber nur noch einmal herausgebracht werden, im Carl Jaspers-Preis (Gr. II) in Köln wurde er Dritter.
Acccon stammt aus dem zweiten Jahrgang des Coolmore-Hengstes Camelot (Montjeu). Dieser war ein herausragendes Rennpferd, gewann zweijährig die Racing Post Trophy (Gr. I), dreijährig die 2000 Guineas (Gr. I), dann die Derbys in Epsom und auf dem Curragh und schrammte als Zweiter im St. Leger (Gr. I) in Doncaster nur knapp an dem Gewinn der Triple Crown vorbei. Der damalige Sieger Encke (Kingmambo) wurde von dem wegen Dopingvergehen viele Jahre gesperrten Mahmood Al Zarooni trainiert, gewann nie wieder ein Rennen und ging früh ein, was auf das Rennen schon einen Schatten wirft.
Camelot hingegen hat sich längst zu einem internationalen Spitzenhengst gemacht. Beginnend bei 25.000 Euro hat sich seine Decktaxe von Jahr zu Jahr erhöht, dieses Frühjahr werden immerhin 75.000 Euro verlangt. Er ist Vater von bislang 28 Gr.-Siegern, aktuell hat er mit Luxembourg, Sieger in den Futurity Trophy Stakes (Gr. I) einen Favoriten auf die Dreijährigen-Klassiker auf der Bahn. In der deutschen Zucht hat er die Gruppe-Sieger Nerium und Sunny Queen gebracht, bei Andreas Suborics steht die Gruppe-Siegerin Penja. Eine Handvoll seiner Söhne ist bereits im Gestüt, Fighting Irish und der Irish Derby (Gr. I)-Sieger Latrobe stehen in Frankreich, Hunting Horn in Irland, Russian Camelot in Australien.
Die mütterliche Linie von Accon ist schon seit Jahrzehnten in Ittlingen beheimatet, sie kann fast als eine Gründerfamilien angesehen werden. Es ist sicher etwas übertrieben, doch handelt es sich um die Linie von Galileo. Dessen zwölfte Mutter ist die 1889 geborene Alveole (Crafton), es ist die 13. Mutter von Accon, was natürlich eine Ewigkeit zurückliegt. Nach Ittlingen kam die Familie 1975, als aus dem Besitz des Gestüts Asta die von Kronzeuge tragende Ankertrosse (Shantung) in den Besitz von Marianne Ostermann überging. Aus dieser Verbindung entstammte Arabeske (Kronzeuge), die nur zweimal zweijährig lief, einmal Zweite war. In der Zucht hat sie sich über ihre Töchter Aragosta (Nebos) und Arastou (Surumu) verdient gemacht. Letztere war zweimalige Gr. III-Siegerin und Zweite im Preis der Diana (damals Gr. II), sie wurde Mutter der erstklassigen Rennstute Abitara (Rainbow Quest) und zweite Mutter des Gr. I-Siegers Altano (Galileo). Aragosta, die vierte Mutter von Accon, hat das Ludwig Goebels-Erinnerungsrennen (Gr. III) gewonnen, dreizehn Blacktype-Pferde hat sie inzwischen in mehreren Generationen gebracht. Dazu zählt auch über ihre Tochter Armanda (Acatenango) der im vergangenen Jahr im Del Mar Handicap (Gr. II) in den USA erfolgreiche Astronaut (Quality Road).
Acerbis (Rainbow Quest), eine weitere Tochter, ist Mutter insbesondere von Axxos (Monsun), Gr. II-Sieger und Deckhengst, aktuell Vater des Siegers im „Grand Prix“ über Jagdsprünge in Cagnes-sur-mer. Aliette (Lando), eine Halbschwester von Axxos, war in der Zucht nur Mittelmaß. Einige ihrer Töchter gingen ins Gestüt, auch Anaita (Dubawi), die vierjährig zwei Rennen in Dortmund und Köln auf Distanzen bis zu 1850 Meter gewann. Ihr Erstling ist Amorella (Nathaniel), die sich zweijährig einen Beckenbruch zugezogen hatte und dann von Ittlingen an die Tink GmbH von Thomas Schwind abgeben wurde. Das hinderte sie nicht an einer glänzenden Rennkarriere, sie gewann den T. von Zastrow-Stutenpreis (Gr. II), war Zweite im Preis von Europa (Gr. I). Als Erstling hat sie vergangenes Jahr einen Hengst von Sea the Stars gebracht.
2017 war Amorella zweijährig, Accon hatte gerade bei der BBAG den Besitzer gewechselt, im Fohlenalter war eine Stute namens Anna Scalotta (Scalo). Und Anaita ging tragend von Nathaniel zur Arqana-Auktion nach Deauville, wo sie für nur 15.000 Euro an Jacques Beres verkauft wurde. Heraus kam Pont Mirabeau (Nathaniel), ein späterer 70.000-Euro-Jährlingsverkauf, vergangenes Jahr Sieger in einem Quinté-Handicap in Longchamp. Als es aber plötzlich mit den Nachkommen von Anaita in Deutschland so richtig losging, begab sich Manfred Ostermann auf der Suche nach der Stute, erwarb sie tragend von Manduro zurück. Das Produkt war der vorjährige Sieger Antero. Zweijährig ist Anatea (Teofilo), die bei Markus Klug steht, vergangenes Jahr wurde Anaita von Sea the Stars gedeckt.
Die erwähnte Anna Scalotta, ein eher kleines Pferd, wurde als Fohlen für nur 2.400 Euro in Iffezheim verkauft, brachte als Jährling an gleicher Stelle 16.000 Euro, im Nachhinein natürlich eine Okkasion. Inzwischen auf den Namen Accola umgetauft musste sie nach einer kurzen Zweijährigen-Kampagne dreijährig verletzungsbedingt pausieren, drehte im Besitz von Alexandra Margarete Renz 2021 aber groß auf, gewann drei Rennen am Stück und war in Listenrennen in Mannheim und Hannover jeweils Zweite. Sie steht unverändert bei Markus Klug im Rennstall. Ihre Mutter Anaita als „blue hen“ in der Ittlinger Herde zu bezeichnen, ist inzwischen kaum verkehrt. Vier Stuten aus der Familie sind in Werne im Gestüt, im Rennstall ist reichlich spannender Nachwuchs.