Handicapper gibt Waldpark ein Durchschnitts-GAG

Auch für die Ausgleicher ist das Derby immer eines der wichtigsten Rennen des Jahres, auch wenn sich die wahre Qualität eines Jahrgangs meist erst in den danach folgenden Wochen in den Vergleichsrennen gegen die älteren Spitzenpferden zeigt. Aber im Gegensatz zu dem Spruch, wonach der Glücklichste Derbysieger wird, ist im Derby eben doch meistens der Beste vorne. In den vergangenen zehn Jahren jedenfalls war das so bei Boreal, Next Desert, Dai Jin, Shirocco, Schiaparelli, Adlerflug, Kamsin und Wiener Walzer. Bei Nicaron kann man Zweifel haben, ob nicht doch Arcadio das bessere Pferd war, im vorjährigen Derbyfeld war sicher der glücklose Scalo der Beste und nicht Buzzword.

Die Wöhler-Pferde 1 - 2: Waldpark bekommt vom Handicapper ein GAG von 98, Earl of Tinsdal von 96. www.galoppfotoLangjährige Erfahrungen zeigen, dass ein Pferd im Durchschnitt GAG 98 zeigen muss, um Derbysieger zu werden. Aber nicht deshalb hat Waldpark genau diese Marke erhalten, sondern weil sie sich logisch aus dem Ergebnis des Rennens und den gezeigten Vorleistungen der Teilnehmer errechnen lässt. Bei Betrachtung des Rennergebnisses fällt auf, dass die drei hinter Waldpark platzierten Pferde (Earl of Tinsdal, Saltas, Mawingo) bereits im Frankfurter Metzler-Preis in dieser Reihenfolge eingekommen waren. Das ist eine Formkonstanz, die von den Ausgleichern immer gerne gesehen wird. Es war also naheliegend aus dieser Gruppe das Basispferd für die Berechnung des Derbys zu nehmen, wobei sich Mawingo anbot, der mit einer Vorleistung von GAG 94,5 ins Rennen gegangen war. Daraus ergeben sich dann die 98 für den Sieger Waldpark.

Mit dieser Einschätzung liegt Waldpark im Vergleich zu den Siegern früherer Jahre erst einmal im Mittelfeld, was für Einige etwas enttäuschend sein mag. Wir glauben aber weiterhin,  im Derbyfeld gute Qualität gesehen zu haben und erwarten im weiteren Verlauf der Saison noch eine Steigerung nicht nur des Siegers, sondern eine „Wiedergutmachung“ einiger diesmal doch deutlich und unter Wert geschlagener Pferde wie Arrigo, Gereon und Ibicenco.  

Es wird oft angenommen, dass die Ausgleicher bei der Vergabe einer Marke nach einem Rennen wie dem Derby damit auch ihre Meinung über das „Können“ des Siegers ausdrücken. Das ist ein Irrtum. Was mit der Marke zum Ausdruck kommt, ist die in diesem Rennen gezeigte Leistung. Was Waldpark wirklich kann, wissen auch wir (noch) nicht, denn in seinen bisherigen vier Rennen ist er ja noch nie zum Kampf gestellt worden. Wo die möglichen Grenzen eines Pferdes liegen, wird man immer frühestens dann wissen, wenn es zum ersten Mal geschlagen wird. Der Stil, in dem Waldpark das Derby gewonnen hat, gibt jedenfalls berechtigten Anlass zu der Hoffnung, dass dies auch bei seinem nächsten Start noch nicht der Fall sein wird.

von Harald Siemen, Chef-Handicapper des deutschen Galopprennsports