Grand National-Diskussion und erste Highlights
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TurfTimes:
Drei Wochen nach Cheltenham öffnet die Rennbahn von Aintree (Liverpool) seine Tore, und inmitten einer erneut entfachten Debatte um das Grand National entwickeln sich die drei Renntage erneut zu einem echten Highlight, während sich die NH-Saison langsam dem Ende entgegen neigt.
Der Marathon "Grand National", auch im Rennsport-besessenen England immer wieder in der Kritik von Tierschutzorganisationen, hat nach den beiden Todesfällen im Vorjahr, darunter der seinerzeit amtierende Cheltenham Gold Cup-Sieger Synchronised, mehrere, zum Teil drastische Änderungen an Bahn und Hindernissen vorgenommen. Nachdem man in den letzten Jahren Becher's Brook immer wieder und weiter "entschärft" hatte - der Abfall zwischen Absprung und Landung wurde sukzessive verringert, so dass die Pferde nicht mehr beinahe "blind" in die Tiefe springen, die Hindernisse wurden an den Seiten modifiziert, so dass reiterlose Pferde die Hindernisse umrunden können - ging man nun weiter. Zum einen wurde, immer wieder ein wunder Punkt, der Start mehrere Meter nach hinten verlegt, so dass sich die Pferde nicht mehr direkt vor den Tribünen sammeln und - zumindest in der Theorie - der enormen Lärmkulisse etwas entgehen. Zum anderen wurden alle "Standard"-Hindernisse (die "normalen" Hecken auf dem National-Kurs) mit einem neuen Innenleben versehen, die innere Holzstruktur entfernt und durch einen flexibleren Plastikrahmen ersetzt. Dies ist vor allem eine Reaktion auf den Unfall von Synchronised, der zum einen am Start reiterlos geworden war, dann auch im Rennen seinen Jockey AP McCoy verloren hatte, und sich schließlich dem Feld folgend einen schweren Schaden zugezogen hatte, dessen Ursprung, so hatte man nach eingehenden Untersuchungen des Rennverlaufs festgestellt, eben in dem unnachgiebigen Inneren einer Hecke lag.
Unfälle dieser Art hofft man natürlich mit der aufwendigen Überarbeitung - Fachleute sprechen von einem der größten Eingriffe in die Natur des Rennens seit Beginn der Austragung - zu vermeiden. Das Mindestalter der Starter wurde auf sieben angehoben, die Pferde müssen nun auch einige Vorleistungen erbracht haben, um startberechtigt zu blieben. Nicht angerührt hat man hingegen die Anzahl der Starter: auch in diesem Rennen werden sich wieder 40 Pferde am Startband sammeln; eine Anzahl, den die größten Kritikpunkt am Rennen von professionelle Seite darstellt, auf der anderen Seite aber natürlich den einmaligen Charakter des Rennens erst entstehen lässt und auch verstärkt.
Die Fachpresse auf der Insel schwankt seit Wochen und Monaten zwischen neutralem Professionalismus und einer "Genug-ist-Genug"-Haltung; wie weit sollte -oder muss? - man sich der Kritik aus einer Richtung stellen (oder gar nachgeben), die genau die rund neun Minuten, die das Rennen etwa dauert, den Hindernissport überhaupt wahrnimmt? Den Veranstaltern, die nach eigenen Angaben in den letzten Jahren mehr als 1 Million Pfund in Sicherheitsmaßnahmen für Pferd und Reiter investiert haben, wäre eine reibungslose und vor allem unfallfreie Austragung dieser seit 1839 ausgetragenen Prüfung zu wünschen, vor allem, damit die einzigartige Leistung, die Pferd und Jockey in diesem Rennen erbringen, nicht in den Hintergrund gerät.
Dem Finale am Samstag voraus gehen zwei Tage mit allerfeinstem Hindernissport, am Freitag sogar mit dem eher unerwarteten Auftritt des momentanen Superstars der Szene, Sprinter Sacre, der zum einen zum ersten Mal in seiner Laufbahn 4000 Meter (statt 3200 Meter) in Angriff nimmt und dabei auch auf echte Konkurrenz stößt. Aber auch am Eröffnungstag wurde den Zuschauern Spitzensport in Reinkultur geboten.
Die Juvenile Hurdle (Gr. I) für Vierjährige gewann etwas überraschend die einzige Stute im Feld, L'Unique (Reefscape) aus dem Stall von Alan King. Nach Form schien sie weicheren Boden zu bevorzugen - nach einem so nassen Winter hatte es nun in Aintree seit Tagen keinen Regen gegeben, so dass man sogar bereits begonnen hatte, den Boden zu wässern. Als 10-1 Chance schlug sie unter Wayne Hutchinson mit Runswick Royal und dem Favoriten Irish Saint zwei Pferde, die wie sie nicht in Cheltenham angetreten waren. Die Betfred Bowl (Gr. I), eine Art Gold Cup Revanche, war dagegen ein Fall von "was hätte sein können " in Cheltenham, da der Sieger First Lieutenant (Presenting) dort über eine kürzere Distanz hatte antreten müssen, hier aber unter Bryan Cooper sowohl einen wieder erstarkten Menorah wie auch Silviniaco Conti, der im Gold Cup weit vor der Entscheidung gefallen war, mit dem besten Stehvermögen schlug.
Das Finish der Aintree Hurdle (Gr. I) war ein echter Thriller, in dem Zarkavas Bruder Zarkandar (Azamour), nach seinem etwas enttäuschenden Abschneiden in Cheltenham nun mit Scheuklappen unterwegs, mit Ruby Walsh The New One in einem pulsierenden Finish schlug, in dem es eigentlich keinen Verlierer hätte geben dürfen. The New One lief gegen die etablierten Hürdler ein tolles Rennen, auch wenn man seinem Reiter Sam Twiston-Davies eine gewisse Enttäuschung durchaus ansah. Die Foxhunters Chase, das Rennen des Tages über die Grand National-Sprünge, gewann der 100-1 Außenseiter Tartan Snow (Valseur), immerhin schon 13 Jahre alt. Die Betfred Manifesto Novices' Chase, das vierte Gr. I-Rennen des Tages, ging an Captain Conan (Kingsalsa), erster Meetingssieg für das Team Nicky Henderson/Barry Geraghty.