TurfTimes:
Ausgabe 444 vom Donnerstag, 17.11.2016
Man ahnte Böses, als Nicky Henderson am vergangenen Sonntag die Presse außerplanmäßig in seine Loge auf der Rennbahn Cheltenham bat. Wollte er in den Ruhestand gehen, oder gar einer seiner Schützlinge? Sprinter Sacre? Mit den Worten: „Die schlechte Nachricht zuerst, ich höre nicht mit dem Trainieren auf“, ließ Henderson die Katze aus dem sprichwörtlichen Sack, Minuten zuvor hatte sein Stall aber bereits über das soziale Netzwerk Twitter verbreitet, dass der Superstar des Stalls, eben der genannte Sprinter Sacre, aufgrund einer Sehnenverletzung seine Rennlaufbahn würde beenden müssen. Es war der Endpunkt der Karriere eines der bemerkenswertesten Chaser der letzten Jahrzehnte, eines wahren Stars der Szene, der seine Besitzerin (aber gehörte er nicht tatsächlich uns allen?) zu schwindelerregende Höhen und herzzerreißende Tiefen führte, der Team Seven Barrows (der Trainingsanlage Hendersons in Lambourn) den „impossible dream“ durchleben und wahr werden ließ.
Bei 24 Starts kam der beinahe schwarze Wallach 18mal als Sieger (davon in neun Grade 1-Rennen) ins Ziel, zu Bestzeiten betrug sein offizielles Rating satte 188, nur ein Kauto Star erreichte eine höhere Marke. Doch es waren nicht die trockenen Formen und Zahlen, die dieses Pferd ausmachten, es gab eine „Magie Sprinter Sacre“. Einst in der französischen Provinz auf dem Hof eines kleinen Hobby-Züchters geboren – der deutschgezogene Network, ein Monsun-Sohn, wurde tatsächlich erst „im Nachgang“ als Vater anerkannt. Als die Mutterstute Fatima III nach Bedeckung eben von Network als nicht tragend getestet wurde, wählte Christophe Masle für die Wiederbedeckung dessen Stallnachbarn Dark Moondancer, und gab diesen nach erfolgter Abfohlung im nächsten Jahr auch als Vater an.
Erst durch den DNA-Test bei der Eintragung ins Zuchtbuch stellte man fest, dass dessen Gene aber so gar nicht zum vorliegenden Profil passten – kann man den Lebensweg des Wallachs auch mit dem Märchen von hässlichen Entlein und dem schönen Schwan umschreiben. „Wir müssen ihn als Jährling gesehen haben, da wir auf der Auktion waren, auf der er angeboten wurde, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern“, sinnierte Henderson einst.
Auch zweijährig war der Wallach nicht erste Wahl und kam in einer Gruppe von rund zwanzig Pferden aus Frankreich nach England. Doch in den Händen seines erfahrenen Trainers begann der Wallach aufzublühen – vierjährig Sieger beim Debut in einem Bumper (Flachrennen für Hindernispferde) im noblen Ascot, nach einem weiteren Sieg in einem Bumper folgten in der nächsten Saison nur vier Starts über Hürden – Henderson wusste um das Juwel in seinen Händen, und Geduld war schon immer einen Tugend, die diesen legendären Trainer ganz besonders auszeichnet.
Zwei Siege und zwei Platzierungen wiesen einen jungen Sprinter Sacre als talentiertes, aber noch nicht außergewöhnliches Pferd aus; es war ein Fall von „the best is yet to come“, und als das Beste kam, als Henderson im Dezember 2011 seinen Wallach mit David Bass im Sattel gen Doncaster zum ersten Start auf der Jagdbahn – den Chase-Sprüngen - schickte, war das Ergebnis eine Offenbarung: mit der Geschmeidigkeit einer Katze glitt der Wallach in atemberaubender Geschwindigkeit über die großen Hindernisse, ein Pferd in seinem Element, der Jockey als jubilierender Passagier und der Sieg – 24 Längen vor dem nächsten Gegner – erlaufen mit einer spielerischen Leichtigkeit, die auch seine nächsten neun Stars – und Siege (darunter das legendäre Triple in den 2-Meilen-Rennen (den Sprints unter den Chase-Rennen) beim Cheltenham- , Aintree- (hier sein einziger Start über 2 ½ Meilen) – und Punchestown-Festival; Sprinter Sacre war eine Macht, unbesiegt und unbesiegbar.
Bis – wie nannte es Henderson? – „die Räder abfielen“, an jenem dunklen Dezembertag 2013 in Kempton, ein Tag, der vielleicht sonnig war, aber in der Erinnerung der Fans immer wolkenverhangen sein wird. Eben noch glitt der starke, dunkle Wallach traumwandlerisch über die Hindernisse, dann schien er zögerlicher zu springen, dann verlor er – undenkbar – sukzessive seine Position im Pulk, um dann unter dem Stöhnen der Menge gar angehalten zu werden.
Eingehende Untersuchungen ergaben Herzrhythmus-Störungen, beinahe zwei Jahre wurde er auf keiner Rennbahn gesehen, nach einem Aufbaurennen wurde er beim Cheltenham-Festival 2015 erneut angehalten. „Er war nicht mehr das Pferd aus dem Jahr 2013, ihm schien das Selbstvertrauen zu fehlen, und er sah auch nicht mehr so gut aus. Wir haben mit verschiedenen Spezialisten gearbeitet, auch um seine Muskeln weiter aufzubauen. Der Sommer tat ihm dann unglaublich gut. Er sah wunderbar aus und auf den Galopps haben wir ihn einfach ausgetrickst und mit schwachen Pferden gearbeitet, dafür gesorgt, dass er seine Galopps gewinnt. Das mache ich normalerweise nicht so gerne, aber er sollte wieder denken, dass er der Beste ist“, umriss Henderson seine Strategie.
Am 15. November 2015 dann, also vor genau einem Jahr, trat Sprinter Sacre erneut in Cheltenham an. „ Dies war der nervenaufreibendste Tag von allen. Wir wussten, wenn es heute nicht klappt, würde die Reise vorbei sein, man würde uns mit Schimpf und Schande vom Hof jagen. Es war schon sehr schwierig auszuhalten“, bekannte Henderson, der auch zu besten Zeiten seine Emotionen kaum je zügeln kann, so sehr lebt und leidet er mit seinen Schützlingen. Und dann war er wieder da, der alte Sprinter Sacre: Ein 14-Längen Sieg in der Shloer Chase über den alten Haudegen Somersby läutete die zweite Siegesserie im Leben des Sprinter Sacre ein; „the impossible dream“, wie der Fernsehsender Channel4 es in einem Promo Video zum 2016 Cheltenham Festival komponierte, war die Rückeroberung der 2-Meilen Krone in der Champion Chase, die der nun 10jährige Wallach unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Fans errang, „nur die Königin und der Papst haben je größere Ovationen erhalten“ so Henderson. Es waren dies wohl die glückseligsten Momente im Leben des Trainers Nicky Henderson, und seine beste Trainingsleistung noch zudem, wie er selber bekannte: „Jahrelang habe ich die Hand über See You Then gehalten [seinen dreifachen Champion Hurdle Sieger in den 80iger Jahren, der wg. anhaltender Beinprobleme z.T. nur einmal im Jahr –eben in Cheltenham- an den Start zu bringen war], aber dies ist das beste Pferd, das ich je trainiert habe, das ganze Team hat wirklich Außergewöhnliches geleistet.“
So war der Tag des Ruhestands gut gewählt, Sprinter Sacre auch selber vor Ort, um sich vor seinen treuen Fan in strahlender Lebendigkeit zu präsentieren und zu verabschieden. Es war ein grausamer Streich des Schicksals, dass nur Minuten, nachdem Sprinter Sacre die Parade der Shloer Chase 2016 angeführt hatte, sein so talentierter Stallgefährte Simonsig in eben diesem Rennen zum ersten Mal in seinem Leben stürzte und nicht gerettet werden. „Wir kamen nicht zu einer Beerdigung, sondern wollten ein Leben feiern, und nun weinen wir doch“, bekannte ein aufgelöster Henderson nach dieser Achterbahn der Gefühle. „Wir werden nach Hause fahren, und wie soll ich es Simonsigs Kumpel erklären, er wird weinen, und das werde ich auch tun.“
Sprinter Sacre aber ist ein Ruhestand vergönnt. „Wir werden ihn natürlich vermissen. Aber er wird auf der Farm [von David Minton, einem Bloodstock Agenten] ein wunderbares Leben haben, und wir werden ihn uns manchmal ausleihen. „
Bereits Anfang Dezember wird der Wallach in Sandown zur Tingle Creek Chase ein Stelldichein geben. Wer ihn jetzt schon vermisst, dem sei das exzellente Buch „Sprinter Sacre – The impossible dream“ empfohlen, dass Anfang Oktober von der Racing Post herausgegeben wurde. Als wüssten man dort, dass sein letztes Kapitel auf der Rennbahn bereits geschrieben war….
Catrin Nack
Klicks zu entsprechenden Videos
https://www.youtube.com/watch?v=TJcZXvD6wz4
https://www.youtube.com/watch?v=UZgak6pZAUM&t=24s
http://shop1.racingpost.com/Sprinter-Sacre-p/sprinter.htm