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Die Erfolgsstory des Dresdner Herbstpreises

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 545 vom Freitag, 23.11.2018

Es wäre eine schöne Randnotiz in den Turf-Annalen der traditionsreichen Dresdner Rennbahn gewesen, hätte am Mittwoch Gestüt Röttgens Windstoß den 9. Großen Dresdner Herbstpreis gewonnen, doch es sollte nicht sein. Der Derby-Sieger des letzten Jahres machte zwar in der Zielgerade noch viel Boden gut, doch vom letzten Platz an der Innenseite kommend, war ein Sieg gegen den an den Außenrails bereits enteilten Be My Sheriff aus dem auf einer Erfolgswelle schwimmenden Quartier von Henk Grewe nicht mehr möglich. So wurde der erste Auftritt eines Derby-Siegers nach dem Derby in der Zeit seit der Wiedervereinigung auf der Dresdner Rennbahn nicht mit einem Sieg, sondern nur mit einem zweiten Platz gekrönt (klick zur Rennanalyse). Wir nehmen dieses Ereignis dennoch zum Anlass, uns etwas detaillierter mit den Highlights des Dresdner Jahresprogramms in der Zeit seit der Wiedervereinigung zu beschäftigen.

Die Geschichte des Dresdner Herbstpreises als letztes Listenrennen der deutschen Turf-Saison ist vergleichsweise kurz. Der Dresdner Rennverein hatte nach der Wiedervereinigung zunächst zwei sportlich höherwertige Rennen geschaffen, die beide im Rahmen eines Wochenendmeetings jeweils Mitte Juni ausgetragen wurden. Neben dem Sachsenpreis, seit 1997 im Status eines Listenrennens als Mitteldistanzprüfung für Ältere gelaufen und auch heute noch in nur leicht modifizierter Form im Jahresprogramm als Sommerpreis Mitte Juli vertreten, war dies mit dem Dresdner Preis der Dreijährigen ein ernstzunehmendes Derby-Trial drei Wochen vor Hamburg. In den 90er Jahren bildete diese Dresdner Derby-Vorprüfung das Sprungbrett für zwei spätere Derby-Sieger. Laroche (1994) und All My Dreams (1995) finden sich in der Siegerliste der Prüfung, die auch andere spätere Gruppe-Sieger wie Ferrari (1997), Hibiscus (1999) und Pryor (2001) aufweist.

Im neuen Jahrtausend verlor das Rennen jedoch an Bedeutung, sicherlich auch eine Folge einer sinkenden Dotierung, die von einst 100.000 DM bis auf 20.000 Euro herunter geschraubt wurde. Doch nicht nur die Qualität der Starter, auch deren Quantität nahm ab. In den Jahren 2006 bis 2009 gingen durchschnittlich nur noch fünf Dreijährige an den Start. Der Dresdner Rennverein zog die Konsequenz aus dieser Entwicklung und strich den einstigen Saisonhöhepunkt aus seinem Jahresprogramm. Tradition hin oder her, die Zeiten hatten sich gewandelt, es gab einfach keine Basis für die Austragung eines solchen Derby-Trials in Dresden mehr.

Das umstrukturierte Dresdner Saisonprogramm sah nun ein Listenrennen beim traditionellen Saisonfinale auf dem nur im Freistaat Sachsen als Feiertag begangenen Buß- und Bettag vor. Vom Jahr 2010 an markierte dieses über 2200m führende Steherrennen als Dresdner Herbstpreis das letzte Listenrennen der deutschen Turf-Saison. Diese Umstellung erwies sich von Beginn an als Erfolg, das Rennen lockte in jedem Jahr nicht nur große Starterfelder an, auch die Qualität der Starter war für ein Listenrennen überdurchschnittlich. Dresden machte damit durch die Terminverschiebung ans Ende der Saison dieselben Erfahrungen wie später der Münchener Rennverein bei seiner Terminverschiebung eines Gruppe I Rennens aus dem August auf den Allerheiligen-Renntag.

Gleich zur Premiere im Jahr 2010 sorgte der von Waldemar Hickst vorbereitete Schiller Danon für den bislang größten Außenseitersieg im Dresdner Herbstpreis. Der Samum-Sohn, der weder zuvor noch in seiner späteren bis 2016 andauernden Rennlaufbahn einen weiteren Blacktype-Sieg feiern konnte, setzte sich als 115:10 Außenseiter unter Alexander Pietsch sicher durch und erlebte in Dresden vierjährig die überraschende Sternstunde seiner Karriere.

Auch im Jahr danach stammte der Sieger nicht aus der Bel Etage der deutschen Vollblüter. Der von Hans-Walter Hiller trainierte Glentire hatte zwar als Youngster das Badener Kronimus-Rennen gewonnen, sich aber in späteren Jahren in besseren Handicaps und französischen Verkaufsrennen seinen Hafer verdient. In seiner letzten Rennsaison schnappte er sich als Sechsjähriger unter Jozef Bojko mit dem Dresdner Herbstpreis noch einmal ein Listenrennen. Aus züchterischer Perspektive blieb auch dieser Sieger ohne Bedeutung, handelte es sich bei ihm doch um einen Wallach.

Als erste und bislang einzige im Ausland trainierte Siegerin trug sich 2012 die in Frankreich von Henri-Alex Pantall vorbereitete Soho Rose in die Annalen ein. Seit der Premiere konnte Dresden in jedem Jahr internationale Gäste aus den östlichen Nachbarländern Polen, Ungarn, Tschechien oder der Slowakei begrüßen, doch auch Starter aus Frankreich fanden gelegentlich den Weg in die sächsische Landeshauptstadt. Es war allerdings bislang allein Soho Rose mit Fabrice Veron im Sattel vorbehalten, auch den Sieg ins Ausland zu entführen und sich selbst nach vorherigen Platzierungen auf Listenparkett in Frankreich mit dem Dresdner Blacktype-Sieg in die Zucht zu verabschieden. Die Hernando-Tochter, eine rechte Schwester der Gruppe II Siegerin Hanami, konnte in ihrer Gestütslaufbahn bislang allerdings noch nicht auf sich aufmerksam machen. Ihr von Cape Cross stammender Erstling Soho Journey trug Anfang Mai dieses Jahres beim einzigen Rennbahnauftritt in Bordeaux abgehängt die rote Laterne durch’s Ziel und wurde danach nicht mehr herausgebracht, ihre beiden weiteren Nachkommen, eine nach Irland verkaufte Stute von Oasis Dream im Alter von zwei Jahren und eine Jährlingsstute von Invincible Spirit, haben noch keine Rennbahn betreten.

Im Jahr 2013 trug sich eine weitere dreijährige Stute in die Siegerliste ein, diesmal jedoch mit Nausica Time eine auf dem Düsseldorfer Grafenberg von Sascha Smrczek trainierte deutsche Vertreterin, die unter „Enki“ Ganbat sicher gewann. Für Nausica Time bedeutete der Triumph in Dresden nicht den einzigen Erfolg auf Blacktype-Ebene, die Stute hatte bereits zuvor einen Listensieg in Hannover errungen und sollte im folgenden Jahr noch ein Gruppe III Rennen bei der Großen Woche in Baden-Baden gewinnen, bevor sie Ende 2014 nach Saudi-Arabien verkauft wurde.

In den folgenden beiden Jahren dominierten die weißblauen Farben des Rennstalles LA in Dresden, der damit als einziger Besitzer zweimal in der noch kurzen Siegerliste der Prüfung zu finden ist. Dass auch Trainer Waldemar Hickst und Jockey Alexander als einzige Vertreter ihrer Zunft als Doppelsieger in den Annalen verzeichnet sind, verdanken sie nach dem Premierenerfolg mit Schiller Danon dem aus der Zucht von Lord Huntingdon stammenden Multiplex-Sohn Superplex, der als Vierjähriger die 2014er Auflage des Dresdner Herbstpreises gewann. Superplex, ein 27.000 Euro Kauf auf der Arquana Jährlingsauktion im Oktober 2011, war erst zwei Monate vor dem Dresdner Start in das Hickst-Quartier gewechselt, zuvor hatte er in München bei Michael Figge gestanden, unter dessen Ägide er u.a. ein Gruppe III Rennen in der französischen Provinz gewonnen hatte und auf ein GAG-Rating von 95kg gekommen war. Bei späteren Starts nach dem Dresdner Erfolg blieb Superplex ohne zählbare Ausbeute, wurde dennoch als Deckhengst auf dem Hof von Janine Merilyn Casey (JMC Racehorses) im osthessischen Flieden bei Fulda aufgestellt, wo er seine Dienste zusammen mit dem dreifachen Gruppe III Sieger Nordico Züchtern mit kleinerem Geldbeutel anbietet.

Der zweite Dresdner Sieger des Rennstalles LA im folgenden Jahr 2015 besaß sportlich eine noch weit bessere Klasse. Der Big Shuffle-Sohn Feuerblitz aus der Zucht des Gestüts Park Wiedingen bestritt in Dresden unter Bertrand Flandrin den finalen Start seiner an Höhepunkten reichen Karriere, in der es bis auf ein GAG-Rating von 98kg geschafft hatte, das höchste GAG eines Siegers im Dresdner Listenrennen. Unter Obhut von Michael Figge hatte er als Dreijähriger das italienische Derby (Gr. II) gewonnen und im weiteren Verlauf der Saison eine Dreierserie von zweiten Plätzen in Gruppe I Prüfungen in Deutschland und Italien hingelegt. Vierjährig errang er nach spätem Saisondebüt im Herbst noch Siege auf Listenparkett in Straßburg und Gruppe I Level im Premio Roma, während er fünfjährig einen Listenerfolg im Hoppegartener Preis von Dahlwitz zum Saisondebüt feiern konnte. In seiner letzten Saison als Sechsjähriger musste er nach durchwachsenem Saisonverlauf bis zum finalen Start in Dresden warten, um den ersten Saison- und gleichzeitig letzten Karrieresieg hinzufügen zu können. Feuerblitz wurde anschließend zunächst im Union-Gestüt aufgestellt, wechselte dann im letzten Jahr ins Gestüt Hofgut Heymann, wo er in 2018 mit 38 Stuten sein bislang kopfstärkstes Buch decken konnte. Sein erster Jahrgang ist derzeit im Jährlingsalter. In der letzten Woche kam die tragische Nachricht, dass er nach einem Unfall auf der Koppel aufgegeben werden musste.

Die 2016er Auflage der Dresdner Prüfung wurde eine Beute des damals 4jährigen Hengstes Iraklion aus dem Hannoverschen Quartier von Christian Sprengel, in Dresden geritten von Miki Cadeddu. Dreijährig hatte der Areion-Sohn aus der Zucht des Gestüts Evershorst, der seine Rennlaufbahn in den Farben von Wolfgang Fröhlich bestritt, mit dem Bremer Derby-Trial bereits ein Listenrennen gewonnen, fand sein Betätigungsfeld danach zunehmend in Prüfungen für Extremsteher, so dass die Dresden geforderten 2200 Meter für ihn sogar recht kurz waren. Später siegte Iraklion noch im österreichischen St. Leger und sammelte einige Platzgelder in französischen Extremsteher-Prüfungen auf Listenparkett.

Im Vorjahr konnte der von Trainer Christian von der Recke aufgebotene Amun unter Rene Piechulek den einzigen Blacktype-Erfolg seiner Karriere auf schwerer Bahn in Dresden begehen. Der Soldier Hollow-Sohn des Stalles Nizza, der bislang einzige dreijährige Hengst in der Siegerliste, hatte als Youngster das Düsseldorfer Auktionsrennen gewonnen, in seiner Dreijährigen-Kampagne auf dem Weg zum und im Derby dann aber Grenzen aufgezeigt bekommen. In Dresden konnte er mit dem Listenerfolg einen versöhnlichen Abschluss seiner Derby-Saison feiern. Als Vierjähriger startete er auf der Schneepiste in Sankt Moritz früh in die Saison, Rang 3 im zur Listenklasse rechnenden Großen Preis von Sankt Moritz bedeutete eine achtbare Platzierung. Danach folgten vierte Plätze in zwei deutschen Listenrennen in Hoppegarten und Köln, bevor sich Amun bei der Derby-Woche im Langen Hamburger eine schwere Verletzung zuzog, nach der er aufgegeben werden musste.

Ob für den aktuellen Sieger Be My Sheriff der diesjährige Erfolg Karrierehöhepunkt oder Sprungbrett für noch höhere Weihen sein wird, kann nur die Zukunft zeigen. Sein Sieg steigerte in der Statistik der Prüfung die Dominanz der vierjährigen Hengste, die insgesamt vier der neun Sieger stellen. Nur dreimal waren dagegen Vertreter des Derby-Jahrgangs erfolgreich, wobei sich hierunter zwei Stuten befanden. Zweimal schafften Vollblüter im schon weit fortgeschrittenen Alter von sechs Jahren noch den Eintrag in die Dresdner Siegerliste.

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