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Cheltenham 2021 - Die Dominanz der Iren

Henry de Bromhead Eins-Zwei im Gold Cup: Minella Indo schlägt A Plus Tard. Foto: Turfpix/Tracy Roberts

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 661 vom Freitag, 26.03.2021

What a difference a day makes. Nur rund 24 Stunden, nachdem mit Envoi Allens Sturz in der Marsh Chase die Träume von Jockey Jack Kennedy und Trainer Henry de Bromhead krachend zu Boden gingen, schien für beiden wieder die Sonne über dem Prestbury Park. Beide hatten – einem Pferd namens Minella Indo sei Dank – den Cheltenham Gold Cup gewonnen.

Eine Woche erscheint endlos in unserer heutigen schnelllebigen Zeit. Fast muss man in den Erinnerungen kramen, doch es ist am heutigen Freitag gerade einmal sieben Tage her, dass der letzte Tag des Cheltenham Festivals anstand. Den dritten Tag haben wir in groben Zügen im letzten Newsletter unterbringen können; der vierte konnte aus deutscher Sicht mit dem Triumph-Hurdle Erfolg von Quilixios (Trainer Henry de Bromhead, Jockey Rachael Blackmore) nicht besser starten. Der vom Gestüt Fährhof gezogene Maxios-Sohn, nun in den Farben von Cheveley Park Stud unterwegs, ist bei fünf Starts ungeschlagen und auf dem besten Weg, den Namen seines Vaters in der Hindernisszene besonders positiv zu belegen.

Seinen Werdegang haben wir bereits nach seinem Sieg beim DRF im Februar genauer beleuchtet, Hinweise zur Abstammung noch einmal an anderer Stelle im Newsletter. Maxios konnte sich somit in die NH-Szene, in dessen Sphäre er nun im Coolmore Stud deckt, nicht besser einführen. Ein Sieger beim Cheltenham Festival ist per se eine Art Ritterschlag, ein ungeschlagener Gr1-Sieger im wahrsten Sinne Gold wert. Gestüt Fährhof notiert mit dem einen Sieger immerhin an Platz 17 der „leading breeders“ des Festivals; eine Aufstellung, die mehr Namen umfasst, als man vielleicht annimmt. Große, spezialisierte Zuchtstätten sind im Hindernissport nahezu unbekannt; unter den Top 20-Züchtern findet man drei Namen, die zwei oder mehr Pferde gezüchtet haben.

Besitzer Cheveley Park wurde gar Meeting-Champion der Besitzer, sicher nicht alltäglich für ein führendes Flach-Gestüt. „Passend“ dazu gab das Gestüt am Rande des Meetings bekannt, sein Engagement im Hindernissport zumindest nicht ausbauen zu wollen. Der Kauf weiterer Pferde sei nicht geplant; der „Ausflug“ in diese Sphäre war vor allem auf Betreiben des im Dezember 2020 verstorbenen Gestütsgründers David Thompson erfolgt. Drei Deckhengste stellten jeweils vier Sieger: Stowaway (Slip Anchor; Sieger: Monkfish, Put The Kettle on, Telmesomethinggirl, The Shunter), Yeats (Sadlers Wells; Sieger: Chantry House, Flooring Porter, Heaven Help us, Mount Ida)) und Jeremy (Danehill Dancer; Sieger: Appreciate It, Belfast Banter, Black Tears, Sir Gerhard); für ersten und letzteren kommen diese Ehren posthum.

Auch den deutschen Hintergrund des chronologisch nächsten Gr.1 Siegers Vanillier (Gavin Cromwell – Mark Walsh), der in der Albert Bartlett Novices´ Hurdle (Gr.1, 3m) überlegener nicht hätte sein können (und trotzdem lohnende 14-1 am Toto zahlte), besprechen wir an anderer Stelle. Anzumerken bleibt, dass dies bei nur fünf Starter nach Flooring Porter (Stayers´ Hurdle) der zweite Sieger (beide Gr.1-Erfolge!) für das relativ kleine Quartier Cromwells war, der seine Laufbahn im Sport als Hufschmied u.a. von Gordon Elliott begann und in einer noch kurzen Karriere bereits die Sieger von zwei Cheltenham Championship-Rennen trainiert hat. Sowohl Flooring Porter als auch Vanillier hätten im Übrigen von Jockey Jonathan Moore geritten werden sollen, der sich am frühen Donnerstag morgen mit einer Rückenverletzung krankmelden musste.

Ein für Henry de Bromhead bereits ausgezeichnetes Festival wurde dann gegen 3:15Uhr Ortszeit ungleich besser. Immer wieder hatte de Bromhead, zu diesem Zeitpunkt mit bereits vier Siegern auf der Haben-Seite, betont, dass er neben dem stark gewetteten A Plus Tard (Besitzer Cheveley Park Stud, Rachael Blackmore) eben auch Minella Indo am Start habe. Der Beat Hollow-Sohn, 2019 Sieger der Albert Bartlett Hurdle und im letzten Jahr knapper Zweiter zu Champ in der RSA Chase, fand genau zum rechten Zeitpunkt zu alter und voller Form zurück. Unter Kennedy, der die vermeidlich zweite Farbe des Stalls erstmalig ritt, lief der Wallach ein Traumrennen, sprang aus dem erweiterten Vordertreffen sehr sicher und gewann letztendlich überlegener, als der offizielle Abstand von 1.25 Längen zum Zweitplatzierten aussagte. Der Wallach hatte am letzten Sprung die Spitze übernommen und spielte im Einlauf sofort mit den Ohren, immer ein Zeichen, dass noch einiges im Tank ist.

Der Zweitplatzierte A Plus Tard machte den de Bromhead-Einlauf perfekt, auf Platz Drei kam Willie Mullins´ Al Boum Photo ein. Letzterer verpasste damit einen historischen dritten Sieg im Gold Cup, machte aber die totale Dominanz der Iren auch in diesem Rennen perfekt. „Um das Rennen zu analysieren, bräuchte ich zwei Tage“ bekannte Ex-Jockey, nun-Willie Mullins-Arbeitsreiter- und-TV-Experte Ruby Walsh direkt im Anschluss an die Prüfung; welche Chance haben wir da? Das beste in England trainierte Pferd, der alte Kämpfer Native River, raufte sich auf den vierten Platz. Henry de Bromhead wurde der erste Trainer in der Geschichte des Festivals, dem es gelang, die drei „Signatur-Championship-Rennen“, Champion Hurdle – Champion Chase – Gold Cup, in einer Saison zu gewinnen.

Cheltenham 2021 wird nicht nur wegen der (hoffentlich) einmaligen Corona-Umstände in Erinnerung bleiben. Ohne Zuschauer entfachte das Meeting nicht bei allen Zuschauern an den Bildschirmen oder Computern das Feuer, welches sonst so glühend von den Rängen strahlt. Immerhin 1.9 Millionen Zuschauer verzeichnete der frei empfangbare Fernsehsender ITV als Top-Wert; im Durchschnitt schauten mit rund 1.57 Millionen ca. 16% mehr zu als im Jahr 2020. Was an Atmosphäre gefehlt hat, machten die beeindruckenden Leistungen der Pferde jedoch mehr als wett. Noch ruft Cheltenham, und alle kommen. Dass sich das Kräfteverhältnis im Hindernissport jedoch weg von England, und hin nach Irland, verschoben hat, machte das Festival mehr als deutlich. 2016 gewannen die Iren erstmals den Prestbury Cup, die Länderwertung zwischen England und Irland. Eine Rivalität, die gerne als freundlich beschrieben wird, durchaus aber ernste Hintergründe hat.

Irland 23 – England 5, war das Endergebnis dieses Jahres. Unter den erschwerten Anreisebedingungen dominierte Irland das Festival in nie dagewesener Form. Leicht hätte es noch „schlimmer“ für Team UK kommen können: Nicky Hendersons Chantry House profitierte nicht unerheblich vom bereits erwähnten Sturz Envoi Allens´; die (britischen) Sieger der Hunter Chase (der bekannte Titel Foxhunters Chase musste auf Betreiben des neuen Sponsors gestrichen werden) und der Grand Annual Chase gewannen mit gerade einmal einem Kopf gegen irische Gegner. Kein Wunder, dass sogar der Premierminister Irlands öffentlich gratulierte.

20 der Sieger wurden zudem in Irland gezüchtet, 17 in Irland gekauft. Selbstredend machten irische Trainer den Meeting-Champion unter sich aus; das allerletzte Rennen entschied diesen Titel zugunsten von Willie Mullins, der wie Henry de Bromhead sechs Sieger, aber zudem sieben Zweitplatzierte trainierte. Mrs. Denise Foster, in deren Namen die Pferde von Cullentra House Stables (vormals Gordon Elliott) laufen, hatte in der Endabrechnung drei Siege auf der Plus-Seite; drei ehemalige Stallinsassen (Galvin, Quilixios und Sir Gerhard) gewannen für andere Trainer.  De Bromhead wird sich nicht grämen: mit 941.579 Pfund verdienten seine Schützlinge über 200.000GBP mehr als die von Mullins. Mager die Einzelstatistik englischer Trainer: die vier „besten“ englischen Trainer gewannen zusammen rund 541.000 Pfund und damit deutlich weniger als Willie Mullins alleine. Paul Nicholls, auf dem Weg, erneut Champion Trainer in England zu werden, gewann magere 68.636 Pfund; trotz sehr zuversichtlicher Vorhersagen waren diverse Plätze (nur ein zweiter Platz) sein bestes Ergebnis. Die britische Fachpresse musste zu hilflosen Floskeln greifen und versucht seit Tagen in überlangen Artikeln, einen Weg aus der Misere aufzuzeigen.

Willie Mullins´ Stalljockey Paul Townend (drei Siege), heißer Anwärter auf den Titel des Meeting-Champion, musste sich, beinahe sensationell, „natürlich“ Rachael Blackmore geschlagen geben. Seine Bilanz fiel dann auch negativ aus: „Sicher, die Sieger waren gut, aber wer so oft Zweiter wird, macht etwas falsch.“

Sechs Sieger ritt Blackmore, darunter mit Honeysuckle als erste Frau die Siegerin eines Championship-Rennens; im Gold Cup entschied sie sich für das sprichwörtlich falsche Pferd und verpasste die Chance auf einen weiteren historischen Sieg. Natürlich waren aber Blackmore und ihre fantastischen Siege eine der Storys des 2020 Cheltenham Festivals; die „richtigen“ und so dringend benötigten positiven Schlagzeilen.

„Positiv“ sicher auch die Zahl Eins. Nur ein Pferd verlor beim Festival sein Leben; es muss nicht betont werden, dass jedes verlorene Pferdeleben eines zu viel ist. Doch bei Zahlen, die in besonders schlechten Jahren auch schon einmal zweistellig waren, muss dies absolut als Erfolg angesehen werden, der in den sozialen Medien in England durchaus Beachtung fand. Ob der Boden, der durch zwei witterungsbedingt ausgefallene Renntage ungewöhnlich „frisch“ war, hier eine Rolle spielte, kann nur vermutet werden. Oder war entscheidend, dass keine Amateure reiten durften, der Vier-Meiler in der Distanz gekürzt wurde (über die alte Distanz nur für Amateure offen, war gerade dieses Rennen in sehr negative Schlagzeilen geraten), eben keine Zuschauer die Stimmung „zum Kochen“ brachten, und ein weiteres kontroverses Rennen einen neuen Platz in der Reihenfolge der gelaufenen Rennen fand? Dass kaum ein Pferd lief, nur, damit der Besitzer eben einen Starter hatte?

Tatsächlich waren deutlich weniger Pferde als noch im Vorjahr genannt worden; große Trainer wie Paul Nicholls hatten im Vorfeld offen zugegeben, dass kein Pferd nur „for a day out“ laufen würde. Somit kam es am Tag Eins nach dem Festival zu einem Kuriosum auf der Rennbahn von Kempton, als ein einem „Trostrennen“ für Pferde, die in einem der Handicaps nicht in Starterfeld „gerutscht“ waren, genau ein Pferd startberechtigt war (welches in einem sog.  Walk-over nur die Zielgerade hinauf galoppieren musste). Das Rennen hatte im letzten Jahr 20(!) Starter gehabt. Die Besitzer des einsamen Läufers spendeten das Preisgeld anschließend an eine Wohltätigkeitsorganisation.

Cheltenham bot und bietet also reichlich Gesprächsstoff. Nach dem Festival ist vor dem Festival.

Catrin Nack

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