Dies ist der zweite Breeders´ Cup, bei dem Pferde mindestens 24 Stunden vor dem Start kein Lasix (auch Furosemid genannt, ein Mittel, das der Entwässerung dient und dem Lungenbluten entgegen wirken soll) erhalten dürfen. Eine Entscheidung, die von einigen Rennsport-Regionen (der amerikanische Rennsport hat keine einheitliche Legislative) bereits angefochten wird; auch das offizielle Programmhaft hat das „L“ zumindest im Index nach wie vor beibehalten.
Es ist leicht, von innen heraus den Blick auf die anderen Aspekte des Rennsports zu verlieren. Auf den Aspekt, der zählt, zählen sollten; den Blick auf die Hauptdarstelle: die Pferde. Sie sind der Atem, von dem Lexington lebt, das Blut in den Venen der Stadt. „Wir sind eine Kleinstadt, in amerikanischen Standards (Anmerk.: Im Großraum Lexington leben rund 320.000 Menschen), aber in der Pferdewelt sind wir ein großer Name“ bekennt Ame Sweetall, deren Kunstagentur für die rund 160 kunstvoll gestalteten Plastik-Pferde - in realer Größe, auch als Fohlen - verantwortlich zeichnet, die in ganz Lexington verteilt sind; die Zufahrten auf die Rennbahn von Keeneland geraten nachgerade zum Laufsteg dieser individuell gestalteten Kunstwerke. „Wir dürfen nie das Auge für die Schönheit, die Ästhetik, der Tiere verlieren.“ ist Ames Fazit; eine Tatsache, an sich in den Plastiken, aber vor allem auf der Rennbahn wiederspiegelt. Ästhetik, die uns - und dies mag eine sehr persönliche Sicht auf die Dinge sein - direkt zu den schönsten Momenten bringt, die viele der großen, internationalen Rennsportevents auszeichnet: Die Möglichkeit, der Morgenarbeit beizuwohnen, die Möglichkeit, internationalen Spitzen-Rennpferden nah und „persönlich“ zu begegnen. Magische Momente, vor allem, wenn der kühle Morgen einem sonnigen Tag zu weichen beginnt, sanfter Nebel aufzieht und die Pferde im Gegenlicht der aufgehenden Sonne zu glühen schienen. Dampf steigt von Nüstern und schweißnassem Fell auf, das zufriedene Schnauben wird nur von Vogelstimmen unterbrochen. Und - wie um dieser malerischen Ästhetik etwas von seiner Romantik zu nehmen - dem Geräusch der Flugzeuge, die am direkt angrenzenden Bluegrass-Flughafen zu ihren Destinationen starten.
Die Rennen, die Pferde, die Menschen, die sie formen. Wenn alles zusammenkommt, entfaltet der Rennsport seine besondere Anziehungskraft. Nicht immer wird der Traum Wirklichkeit. Tyler´s Tribe, ein aus Iowa angereister Galopper; erworben, um einem krebskranken Jungen ein Ziel, einen Fokus zu geben, konnte die Träume seines „Tribes“ nicht erfüllen. Doch Cody´s Wish, ein Hengst, dessen Geschichte die Fans in den USA seit Jahren zu Tränen rührt, hatte das Skript gelesen. Benannt wurde der vierjährige Curlin-Sohn nach Cody Dorman, einem Teenager, der an einem seltenen Gendefekt leidet, im Rollstuhl sitzt und nur via Computer kommunizieren kann. Im Rahmen eines „Make-a-Wish“ Besuches hatte Dorman Jonabell Farm, Scheich Mohammeds amerikanischer Darley-Dependance besucht; ein Fohlen hatte sich dem schwerkranken Jungen besonders zugänglich gezeigt, „er hat praktisch seinen Kopf in Codys Schoß gelegt“ wird seine Mutter zitiert. Die Namengebung des Vierbeiners war somit Formsache, und Cody´s Wish zeigte schnell, dass er nicht nur einfühlsam, sondern auch sehr schnell ist. Die Sieg in der Breeders´ Cup Dirt Mile (Gr.I, 1600m) auf Sand war beim elften Start der siebte Sieg des Hengstes, sein zweiter auf Gruppe I- Ebene. Einige Tage zuvor hatte Cody Jonabell Farm, den Ort, wo alles seinen Anfang nahm, besucht, nun war er Teil der Siegerehrung; als hätte der Hengst nur für ihn gewonnen.