Wir wissen nicht, wo Lanfranco Dettori den Sonntagnachmittag verbracht hat. Vor einer Woche wären wir – wie alle anderen Turf-Fans auch – davon ausgegangen, dass er im Sattel der 3jährigen Stute Treve den 92. Qatar Prix de l’Arc de Triomphe bestreiten würde. Als Stalljockey der Al Thanis hatte er die Motivator-Tochter erstmals vor drei Wochen im Prix Vermeille geritten und ihr dabei den Sieg so leicht wie möglich gemacht, schließlich sollte die von Criquette Head-Maarek trainierte Stute drei Wochen später im Arc laufen, die mit einer Gebühr von 100.000 Euro verbundene Nachnennung war da schon beschlossene Sache.
Doch Dettori war am Sonntagnachmittag nicht auf der Rennbahn Longchamp im Pariser Westen. Nicht er, sondern der 46jährige Thierry Jarnet saß im Sattel der französischen Arc-Hoffnung, die am Totalisator zu einem Kurs von 58:10 in der Rolle der Ko-Favoritin stand. Dettori hatte sich am Mittwoch bei einem Sturz in Nottingham den Knöchel gebrochen, wurde am Freitag operiert und wird den Rest der Saison ausfallen. Dadurch verpasste Dettori seinen vierten Arc-Sieg und ermöglichte dem im Herbst seiner Jockeykarriere stehenden Jarnet einen unerwarteten dritten Arc-Erfolg nach 1992 (Subotica) und 1994 (Carnegie).
Jarnet hatte Treve, die er bei ihren ersten drei erfolgreichen Rennbahnauftritten bis zum Prix Diane im Juni stets geritten hatte, zunächst im hinteren Feld an der Außenseite postiert, eine andere Lage war angesichts der ungünstigen Startbox weit außen im 17köpfigen Arc-Feld kaum möglich. Vorne sorgte der Dunlop-Schützling Joshua Tree (Richard Hughes) für eine eher moderate Pace, das Fehlen der sonst von Aidan O’Brien in den Arc beorderten Pacemaker machte sich bemerkbar. Schon vor Erreichen der Zielgeraden verbesserte die Französin an der Außenseite ihre Position und schritt früh in der Gerade zum Angriff. Sie klärte die Frage nach dem Ausgang des diesjährigen Arcs in wenigen Galoppsprüngen. Rund 350m vor dem Ziel übernahm sie mühelos die Spitze und setzte sich vom restlichen Feld ab.
Wer die Stute vor dem Start im Führring gesehen hatte, war von diesem Auftritt mehr als überrascht. Treve fühlte sich bei dem auch in diesem Jahr vorherrschenden Trubel sichtlich unwohl, sie schien zudem geräuschempfindlich zu sein und machte alles andere als einen entspannten Eindruck. Auch die Parade vor den vollbesetzten Tribünen machte ihr zu schaffen. Doch im Rennen war sie wie ausgewechselt, sie lief ihr einsames Rennen in einer eigenen Liga.
Fünf Längen hinter Treve kam es zu einem spannenden Kampf um den 2. Platz. Wie im Vorjahr - damals jedoch unter gänzlich anderen Vorzeichen – konnte sich der Japaner Orfevre (Christophe Soumillon) diesen Platz in den Annalen sichern. Mit einem Hals vor dem französischen Derby-Sieger Intello (Olivier Peslier) behauptete sich der Japaner. Christophe Soumillon, der in Longchamp ein erfolgreiches Arc-Wochenende mit vier Siegen (zweimal auf Gruppe II-Ebene am Samstag, zweimal auf Gruppe I-Ebene am Sonntag, davon einmal im zweithöchst dotierten Rennen nach dem Arc für arabische Vollblüter) verbrachte, meinte nach dem Rennen: „Als Treve neben mir anzog, wusste ich, dass es schwer sein wird, sie noch zu erreichen. Ich habe mich ganz auf den Kampf um Rang 2 konzentriert.“
Hinter dem keineswegs enttäuschenden Intello belegte der zweite japanische Gast, der amtierende japanische Derby-Sieger Kizuna (Yutaka Take), einen respektablen 4. Platz und sorgte dafür, dass sich unter den ersten Vier des Arcs gleich zwei Japaner befanden. Dennoch war den Tausenden von angereisten japanischen Turf-Fans die Enttäuschung über den wiederum verpassten ersten japanischen Arc-Sieg in der Geschichte dieses seit 1920 ausgetragenen Rennens ins Gesicht geschrieben.
Hinter Kizuna endete der aus der französischen Godolphin-Filiale bei Andre Fabre stammende Penglai Pavilion (Mickael Barzalona) auf dem 5 Platz und kassierte damit die letzte Geldprämie. Als bester Brite schaffte der 5jährige Al Kazeem (James Doyle) dahinter den 6. Rang. Al Kazeems Trainer Roger Charlton erklärte nach dem Rennen, dass der Arc definitiv der letzte Rennbahnauftritt seines Schützlings gewesen sei.
Etwas Enttäuschung war im irischen Lager nach dem Arc zu spüren. Der 7. Platz des englischen Derby-Sieger Ruler of the World (Ryan Moore) aus dem Quartier von Aidan O’Brien war sicherlich weniger als erhofft, auch der 12. Platz des eigens nachgenannten O’Brien-Schützlings Leading Light (Gerald Mosse) war nach dessen St. Leger-Erfolg in Doncaster eine Enttäuschung.
Ebenfalls nicht gelohnt hat sich die Nachnennung für den tschechischen Europa-Preis-Sieger Meandre (Umberto Rispoli). Auch bei seiner dritten Arc-Teilnahme wollte dem Slickly-Sohn kein großer Wurf gelingen.
Für den im Besitz des Münchener Buchmacher Simon Springer stehenden Sahawar (Thierry Thulliez) war es ohnehin ein Griff nach den Sternen in diesem Arc. Der als 1330:10 Außenseiter ins Rennen gegangene 3jährige Hengst kam als Elfter ins Ziel.