Alles rund ums Derby: Von Helfie, Moonie und Möpsen
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TurfTimes:
Sonntag, der Start ins Derby-Meeting. Und das ohne Regen! Der hatte rechtzeitig vorher aufgehört. Die Temperatur zwar noch etwas frisch, aber die Bahn auf dem Horner Moor "ein Teppich", wie zu hören war. Auch die bessere Sicht durch die Entfernung der Hecken kam positiv an. Bemängelt wurde allerdings das Fehlen des traditionellen Derby-Hufeisens, und bei genauerem Hinsehen merkte man erst kurz vor dem ersten Start, dass da überhaupt kein Zielpfosten mehr war. Tatkräftig sorgte Sascha Wöhler, Mitarbeiter der Firma Roschen, die eigentlich nur für das Grün auf der Bahn zuständig war, für Abhilfe, rammte einen Holzpflock eigenhändig in den Boden.
Sein Bruder, der Trainer Andreas Wöhler, holte wenig später mit Protectionist im Lucky Speed Hansa-Preis (beim Klick auf den Renntitel gibt es alle Infos!) den ersten Gruppe-Sieger des Meetings vom Geläuf. Auch Jockey Andreas Helfenbein, am Fronleichnamsrenntag in Frankfurt mit Lady of Budysin schwer gestürzt, hatte sich nach zehntägiger Rennpause und überstandenem Schleudertrauma erstmals wieder in den Rennsattel geschwungen und fünf Ritte absolviert. Darunter auch einen für das Gestüt Görlsdorf, für das er als privater Stalljockey arbeitet und auch Sea The Moon, den heißen Favoriten im IDEE 145. Deutschen Derby, reiten sollte. Beim "Warm-Up" mit Hey little Görl im Hauptrennen landete er auf dem zehnten und damit letzten Platz, viele Wetter mussten deswegen ihren Wettschein nicht zerreißen, die Stute stand am Totalisator 143:10.
Die Spatzen beginnen zu pfeifen
Der Montag war rennfrei. Hinter den Kulissen aber wurde mächtig gerührt. Für den Hamburger Renn-Club begann der Tag mit einer erfreulichen Nachricht. Gleich zwei Pferde wurden nach genannt und das aus den Rennställen der Big Player des internationalen Turfs: Für die Coolmore-Connection und den irischen Erfolgstrainer Aidan O'Brian der Gr. II-Sieger Geoffrey Chaucer und für das Godolphin-Imperium der von Charles Appleby trainierte Monsun-Sohn Pinzolo. Gut für die internationale Reputation des Deutschen Derbys und gut für die Kassen des Renn-Clubs, denn jede Nachnennung kostet €65.000.
Rennfrei hatte auch Andreas Helfenbein,
der an diesem Tag eigentlich, so die ursprünglichen Planungen, die Reise nach Chantilly mit Gestüt Görlsdorfs Wunder hätte antreten sollte. Die Stute gewann den Prix Chloe, Gr. III, mit Adrie de Vries im Sattel, man wolle Andreas Helfenbein nicht mit den Reisestrapazen belasten, hieß es dazu von Besitzerseite. Man war sogar so fürsorglich, den eigenen Stalljockey für kein anderes Rennen in Hamburg zu nennen. Gleichzeitig pfiffen nicht nur die Spatzen vom Hamburger Waagedach die Nachricht, dass Andreas Helfenbein möglicherweise auch beim Derby nicht auf Sea The Moon sitzen würde, der angeblich mangelnden Fitness wegen, auch in den sozialen Netzwerken tauchten am Montagabend erste Einträge auf. Unglauben, fast Entsetzen bei der vernetzten Galoppsport-Community auf das, was zu diesem Zeitpunkt noch nur ein "Gerücht" war. Der Tenor aber schon da: "Wie kann man den Jockey runtersetzen, der bei allen drei Siegen bei Sea The Moon im Sattel saß, ihn in der Arbeit reitet, zudem noch der eigene Stall-Jockey ist .... "
Der Jockey nutzte die freie Zeit für einen Arztbesuch bei Dr. Peter Wind, seit Jahrzehnten im Rennsport auch als Besitzer aktiv, Rennbahnarzt in Hamburg und auch Berater des Direktoriums in allen humanmedizinischen Fragen, bekam auch da grünes Licht und vermeldete: "Ich bin fit!"
Abends dann die Auslosung der Startnummern im Hamburger Casino, auch da war das Nummer-1-Thema gesetzt. Der Kommentar eines gut informierten Besitzers mit einem aussichtsreichen Derby-Kandidaten: "Das war ein schlechtes Timing. Wenn ich gewusst hätte, dass Helfenbein frei ist, hätte ich ihn auf mein Pferd gesetzt, jetzt bin ich aber schon anderweitig gebunden." Die Glücksfeen Ole Feddersen und Nathalia Dorra haben auch ihre Arbeit gemacht: Sea The Moon erwischte im großen 20-er Feld die Box 15, nur mit welchem Reiter, das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Aber, dass in Deutschland ein Ritt auf dem Derby-Favoriten zu vergeben ist, diese Nachricht hatte auch schon in den französischen Jockey-Stuben die Runde gemacht. Während Christophe Soumillon, der passenderweise im gleichen Rennen wie Gestüt Görldorfs Wunder in Chantilly am Start war, noch seine Terminliste und Flugoptionen nach Hamburg checkte, wurden auch andere Agenten aktiv.
Vom Derby-Favoriten auf die Kiste
Dienstagmorgen klingelte im Waagegebäude des Hamburger-Rennclubs das Telefon gleich an verschiedenen Stellen. Sea The Moons Trainer Markus Klug meldete den Jockey Andreas Helfenbein nun auch offiziell ab, anstelle des Jockeynamens stand danach ein "X" hinter dem Pferd. Der Agent von Frankie Dettori landete bei einem Journalisten-Kollegen auf der Suche nach Trainer Klugs Telefonnummer, während Niko Lafrentz auf Galopponline mitteilte, "aktuell ist nicht entschieden, wir möchten natürlich, dass dieses Dream-Team nicht auseinander gerissen wird, aber Andreas muss auch fit genug dafür sein. Wir warten den heutigen Renntag ab und entscheiden nach einer Telefon-Konferenz heute Abend, wer am Sonntag auf Sea The Moon sitzt."
Der "Mann im Fokus" an diesem Renntag war natürlich Andreas Helfenbein. Der macht seine Sache gut, gewannt zwei Rennen für Trainer Toni Potters mit Time Looser und Foolproof, "da sieht man, wie fit Andreas Helfenbein ist", ist laut über die Mikrofone von Rennbahnkommentar Marvin Schridde zu hören. Er reitet an diesem Tag auf einer Welle der Sympathie und meistert die für ihn nicht einfach Situation sehr professionell. Schließlich geht es auch um Verträge, seine Festanstellung, die Existenz. "Es gibt auch ein Leben nach dem Derby", gibt Andreas Helfenbein zu Protokoll.
Im Hauptrennen, dem Hamburger Flieger-Preis, Gr. III, sitzt er auf dem Co-Favoriten Donnerschlag. Das ist für Trainer Andreas Löwe keine Frage: "Wenn Andreas Helfenbein sagt, er ist fit, dann ist er es auch. Der hat für uns soviel geritten, da stellt man das nicht in Frage." Donnerschlag fightet sich auf ein guten zweiten Platz, "ohne Helfenbein wäre er da nicht gelandet", wird Höny-Hofs Gestütsleiter Simon Minch später in Facebook posten. Nun holt nach Andreas Wöhler auch Peter Schiergen seinen ersten Gruppesieger vom Geläuf, Stall Nizzas Amarillo. Das Meeting fängt gut an für die beiden Top-Ställe, von denen man in Sachen Derby allerdings in diesem Jahr wenig hört. Sie satteln bei der 145. Ausgabe nur Außenseiter, Andreas Wöhler schickt Speedy Approach, Chartbreaker und Russian Bolero in den Farben des Derby-Sponsors Albert Darboven ins Rennen und konnte in diesem Jahr ungestört arbeiten, die TV-Kameras war woanders. "Titelverteidiger" Peter Schiergen hat sogar nur einen Starter, Gestüt Ebbelohs Giant's Cauldon. Aber wer weiß ....
Im Waagegebäude freuen sich auf ihre stille sympathische Weise Jürgen Imm und seine Frau Ursula vom Stall Nizza über den Sieg von Amarillo. Sie wissen, wie das ist mit den Derby-Favoriten, im letzten Jahr landete ihr Nicolosio als dritter Favorit nur auf Platz 14, dafür haben sie das Derby aber auch schon mal gewonnen, mit der 119:10-Chance Nicaron im Jahr 2005.
In Facebook ist das ausgebrochen, was man neudeutsch Shitstorm nennt. Weil es aber nur um den Rennsport geht, ist es ein vergleichsweise kleiner, aber schön ist es für die Betroffenen sicher nicht das alles zu lesen. Immerhin dürfte es sie nicht unerwartet getroffen haben, denn Niko Lafrentz, Ehemann der Gestütseignerin, war es, der in seiner Zeit als Beauftragter für die Öffentlichkeitsarbeit des Direktoriums und German Racing die sozialen Netzwerke als die Medien der Zukunft überhaupt erst für den Rennsport entdeckt hat, Facebook inklusive. Nur ist das Ding dann irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Um 21:38 Uhr kommt nun auch die Pressemitteilung der dynamischen Kommunikationsagentur, die für das Derby-Meeting zuständig ist, von der Auslosung am Tag zuvor via Email an. Interessiert das jetzt noch jemanden?
Christophe Soumillon auf Sea The Moon
Mittwoch, der Tag der endgültigen Starterangabe. Soumillon sitzt auf Sea The Moon. 20 Pferde im Rennen, alle Startboxen besetzt, sogar 24 wollten laufen. Am Derby-Wettmarkt ändert die Diskussion um den Jockey an der Favoritenrolle von Sea The Moon nichts, denn dass mit Christophe Soumillon ein Spitzenmann gebucht worden ist, stellt niemand in Frage. Bei RaceBets führt er den Langzeit-Wettmarkt mit mit 23:10 an, gefolgt - auch das keine Überraschung - vom nachgenannten Geoffrey Chaucer (60:10), Wild Chief (90:10), Lucky Lion (100:10) und Swacadelic (130:10).
Am Mittwochmittag, genau um 12:48 Uhr erreicht uns eine Pressemitteilung vom Gestüt Görlsdorf mit der Überschrift "Betr. Reiterwechsel Sea The Moon". Zitiert wird darin Gestütsbesitzerin Heike Bischoff-Lafrentz: "Nach dem Renntag am Sonntag in Hamburg musste ich mir als Besitzerin von Sea The Moon, aber auch als Medizinerin, die Frage stellen: "Wird unser Stall-Jockey Andreas Helfenbein nach seinem fürchterlichen Sturz in Frankfurt rechtzeitig zu 100 Prozent fit für das Deutsche Derby? Denn das Rennen aller Rennen, das wichtigste in der Geschichte des Gestüts Görlsdorf, ist immer das härteste Rennen des Jahres. Und wir haben alle im Union-Rennen gesehen, dass Sea The Moon noch sehr grün und nicht einfach zu reiten ist.
Meine Entscheidung für den besten Jockey Europas trägt das ganze Team Görlsdorf, auch Andreas Helfenbein. Unser Moonie wäre nicht Moonie ohne seinen Helfie. Dieser wird sein ganzes Wissen über den Hengst an Christophe Soumillon weitergeben und mit uns zusammen in Hamburg fiebern. Von einer Entlassung, wie in Zeitungen zu lesen war, kann keine Rede sein. Andreas Helfenbein ist und bleibt der Görlsdorfer Stalljockey." Eine Facebook-Schreiberin schreibt dazu, "vielleicht sollte man das jetzt einfach mal so stehen lassen" und hängt das obligatorische Zwinker-Smilie dran. Ein Kommentar, der viel Zustimmung findet, denn die Community weiß gut Bescheid.
Sportlich stehen die Stuten im Mittelpunkt, im Franz-Günther von Gaertner-Gedächtnisrennen schafft Calyxa nach vier Listensiegen nun endlich auch den ersehnten Gruppetreffer. Besitzertrainer Ferdinand Leve, passend in rot-weiß in den Rennfarben des Gestüts Haus Ittlingen gekleidet, strahlt mit dem blauen Himmel mit ein paar getupften Schäfchenwolken drin und Jockey Adrie de Vries um die Wette. Fotos wie gemacht für Werbebilder der Derbybahn entstehen da, liegt wohl auch an den Farben.
Dürfen Möpse auf die Rennbahn?
Der Donnerstag, der Derby-Countdown läuft. Die Mitarbeiter von German Tote bereiten sich auf das Wett-Wochenende des Jahres vor, sind an fünf Stellen auf der Derbybahn präsent und wollen auch die Neulinge für die Pferdewetten mit einem Beratungsangebot locken und für den Rennsport begeistern. Die Traber sind zu Gast in Horn und im German Tote "Langer Hamburger" gewinnt Alexander Pereiras Stute Baroness Daniela mit Fabrice Veron im Sattel, die in Frankreich von Henri-Alex Pantall trainiert wird.
Noch drei Tage, dann wird das "verrückteste Rennen des Jahres", wie wir Altmeister Heinz Jentzsch immer wieder gerne zitieren, gestartet. In diesem Jahr ist es eben nur noch ein wenig verrückter als sonst losgegangen. Oder vielleicht doch nicht? Das mit den Reiterwechseln hat es immer schon gegeben, nur eben die Diskussionen in den sozialen Netzwerken nicht. Davon gänzlich unberührt dreht Sea The Moon im Trainingsquartier in Köln-Heumar seine Runden, gähnt sogar dabei. Das Pferd kriegt von dem ganzen Drama gar nichts mit, wahrscheinlich ist es ihm sogar egal, wer ihn am Sonntag reiten wird. Wer weiß das schon. Derweil erreicht uns über Umwege ein Email, das an den Hamburger Renn-Club gerichtet war. Frau K. aus H. schreibt: "Wir haben für kommenden Samstag vier Tribünenkarten und würden zusammen mit unseren zwei Mops-Damen gern dabei sein. Ist es erlaubt Hunde mitzuführen? In diesem Fall eben zwei Möpse." (An dieser Stelle mal was zum Nachdenken anhand einer kleinen Analyse der eigenen Klickzahlen der Turf-Times-Datenbank. Wer führt da mit Weile? Nicht Sea The Moon, Lucky Lion oder gar Danedream. Nein ein klitzekleiner Artikel ist es: "Das erste Mal auf der Rennbahn ..." Geschrieben von Rennklub-Mitarbeiterin Birgit Gutermann auf der Webseite des Frankfurter Rennvereins. Sind Möpse etwa doch wichtiger als Derby-Favoriten oder was kriegen die "Normalbesucher" eigentlich überhaupt vom Rennsportgeschehen mit?)
Aber zurück zum Sport, wir als Fachjournalisten dürfen das. Trainer Markus Klug stapelt tief: "Es haben schon ganz andere Favoriten das Derby nicht gewonnen, ich wäre also nicht alleine, wenn es nicht klappt." Das hat er allerdings schon vor einer Woche an dieser Stelle gesagt, also lange bevor das ganze Theater losging (Klick zur ganzen Story!). Er sagt auch: "Ich hätte natürlich auch nichts dagegen, wenn Weltmacht das Derby gewinnt." Nur nach Trainingsleistungen soll das ein Ding der Unmöglichkeit sein, Sea The Moon soll deutlich über ihr stehen.
Doch das Schöne am Rennsport ist, dass "am Ende doch immer noch der Zielpfosten über den Sieg entscheidet", so Trainer Andreas Löwe. Da der Zielpfosten nun auch da ist, wo er hingehört, ist dem nichts hinzuzufügen, außer dem großen Porträt des 71-jährigen Trainers aus Köln, der den Co-Favoriten Lucky Lion sattelt, der nach ihm benannt ist (Klick zur ganzen Story)