TurfTimes:
Ausgabe 233 vom Donnerstag, 20.09.2012
Jubiläen sind eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits bieten sie Anlass für Feierlichkeiten, andererseits reizen sie zum Rückblick auf die Vergangenheit. Während ersteres von vielen als positiv empfunden wird, kann letzteres auch nach hinten losgehen, wenn durch die Rückschau die Defizite der Gegenwart offensichtlich werden. Wenn am Sonntag im Weidenpescher Park zu Köln die 50. Austragung des Preises von Europa (Gruppe I, 2400m, 155.000€) ansteht, ist ein solcher Fall gegeben.
Die Freude über die nun schon 50jährige Tradition, ein bedeutendes Steher-Rennen mit Gruppe I-Status auf der Kölner Rennbahn beheimaten zu dürfen, mischt sich mit einer gewissen Trauer über den Verlust an internationaler Bedeutung und sportlichem Renommee, den es bei allem Respekt vor den sieben diesjährigen Startern zu konstatieren gilt. Passenderweise wird diesmal kein im Ausland trainierter Vollblüter den Weg nach Köln antreten. Auch Godolphin, die zu den treuen „Starterlieferanten“ der Vergangenheit gehörten und insgesamt dreimal den Sieger dieser Prüfung stellten, glänzen ein Jahr nach Campanologists Erfolg mit Abwesenheit. Ein Novum stellt ein reine nationale Besetzung des Rennens zwar nicht dar – schon 2005 fehlte jeglicher Gast aus dem Ausland – doch konterkariert dies den Charakter eines solchen Rennens und straft zudem den Renntitel Lügen.
Im letzten Jahr sorgten Jockey Frankie Dettori und Campanologist noch für die internationale Note im Preis von Europa: www.galoppfoto.de - Marius Schwarz
Aus heutiger Perspektive kaum noch vorstellbar sind die Austragungen in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, als z.B. 1974 insgesamt 17 Vollblüter, darunter sieben aus dem Ausland angereiste Gäste, die Startboxen in Köln bezogen und um den Sieg stritten. Man darf dabei allerdings nicht außer Acht lassen, dass 1974 eine Dotierung von umgerechnet mehr als 271.000 Euro mit dem Rennen verbunden war, so dass vor 38 Jahren – auch ohne Inflationseinrechnung - immerhin 75 Prozent höhere Prämien im Europa-Preis zu verdienen waren.
Um die Rennpreise der Jubiläumsaustragung werden sich in Abwesenheit der deutschen Vorzeigesteherin Danedream vor allem ihre in Iffezheim nur knapp unterlegene Geschlechtsgenossin Ovambo Queen (Terence Hellier) und der Vorjahresdritte Earl of Tinsdal (Eduardo Pedroza) streiten. Die 5jährige Kalatos-Tochter aus dem im westfälischen Lengerich beheimateten Quartier von Dr. Andreas Bolte musste im Großen Preis von Berlin zwar den von Championtrainer Andreas Wöhler entsandten Earl of Tinsdal vor sich dulden, ihre Leistung im anschließenden Großen Preis von Baden war allerdings aller Ehren wert, während der Wöhler-Schützling bei seinem letzten Auftritt als Dritter im Großen Preis von Bayern unter den Erwartungen blieb.
In München musste er sogar den von Michael Figge trainierten Feuerblitz (Adrie de Vries) vor sich dulden, der am Sonntag erneut zu seinen Konkurrenten zählt. Als einer von zwei Vertretern des aktuellen Derby-Jahrgangs nimmt der mit überraschendem Stehvermögen ausgestattete Big Shuffle-Sohn den Kampf gegen die Älteren auf. Dem italienischen Derby-Sieger ist dabei eher ein Erfolg zuzutrauen als Gestüt Ebbeslohs Girolamo (Andrasch Starke), der nach dem 3. Platz im diesjährigen Derby schon mehrfach Grenzen bekennen musste.
Ein interessanter, oft unterschätzter Kandidat ist der 4jährige Baschar (Filip Minarik), der zuletzt im Großen Preis von Berlin genau zwischen Earl of Tinsdal und Ovambo Queen landete und danach eine kleine Pause bekommen hat. Für den von Miltcho Mintchev trainierten Starcraft-Sohn ist die Stallgefährtin Temida das große Vorbild, die bei ihrem Gruppe I-Triumph im Großen Preis von Bayern positiv überraschte.
Der letztjährige Derby-Sieger Waldpark gehört auch zum Europa-Preis-Septett. Wie bei seinem Karrierehighlight ist er auch dieses Mal nur die zweite Wahl im Wöhler-Aufgebot, so dass er nicht von Stalljockey Eduardo Pedroza, sondern von Jozef Bojko geritten wird. Der aus Slowakei stammende Jockey erlebte mit Waldpark im Derby des Vorjahrs den Höhepunkt seiner Rennreiterkarriere, am Sonntag sitzt er das erste Mal seit dem ersten Julisonntag 2011 wieder im Sattel des Ravensbergers. Vielleicht gelingt mit ihm das, was dem Dubawi-Sohn in allen Rennen nach dem Derby misslang: ein Sieg.
Erst über eine Nachnennung kam der Gestüt Ittlingens Araldo (Martin Harley) ins Aufgebot des Europa-Preises. Der spätreife 4jährige High Chaparral-Sohn aus dem Warendorfer Stall von Paul Harley ließ am vergangenen Sonntag seinen Start im Dortmunder St. Leger aufgrund des abgetrockneten Geläufs aus und probiert es nun über eine kürzere Distanz als zuletzt in anspruchsvollerer Gesellschaft. Auch wenn er als in dieser Saison noch unbezwungener Kandidat ins Rennen geht, kommt er über die Außenseiterrolle nicht hinaus.
Der Sieger im 1. Preis von Europa Opponent (Hein Bollow) gewann leicht vor Wild Hun, Novalis und Spielhahn. Foto: Archiv
Nach dem diesjährigen Europa-Preis wird bei der Siegerehrung der Brückenschlag zum Anfang dieses einst gemeinsam mit dem Großen Preis von Baden bedeutendsten internationalen Galopprennen auf deutschem Boden in Person von Hein Bollow geschlagen. Der mittlerweile 91jährige Bollow gewann mit dem von Josef Hochstein vor Ort trainierten Opponent im Jahre 1963 die erste Austragung des Europa-Preises. Gemeinsam mit dem Kölner Rennvereinsmitglied Konrad Adenauer, einem Enkel des namensgleichen Alt-Bundeskanzlers, der Bollows Sieg 1963 auf der Kölner Tribüne miterlebte, wird er die Ehrung des siegreichen Teams nach dem diesjährigen Europa-Preis vornehmen.