TurfTimes:
Ausgabe 139 vom Freitag, 05.11.2010
Der Sport liebt – und braucht! - die „Rags-to-Riches“ – Storys, der sogenannte „kleine Mann“, der auch einmal zu einem richtig tollen Erfolg kommt. Die wohl schönste Geschichte des Rennjahres 2010, und vielleicht eine der schönsten Erfolgstorys überhaupt, kommt aus Irland, und die Protagonisten heissen John Grogan und Katla. John wer? Es ist verzeihlich, den Namen bisher nicht zu kennen, aber die Geschichte des Milchfarmers aus Cashel, der nebenbei genau ein Pferd besitzt, welches er selber gezüchtet hat und – natürlich, möchte man sagen – auch noch selber trainiert, darf man sich nicht entgehen lassen.
Der Reihe nach: Grogan, ein typischer irischer Farmer mit einer Liebe zum Vollblut, kaufte vor fünf Jahren eine Stute bei Goffs. Rennpferde waren sein Hobby, er hielt eine Point-to-Point-Lizenz, sein Budget war klein, und so fiel die Wahl auf eine sieglose Stute namens Bratislava, eine Tochter von Dr Fong aus einer listen-platzierten Mutter; die vierte Mutter war immerhin auch Mutter der profilierten Mutterstute Early Rising, Mutter u.a. von Papineau und Silver Patriarch – ein klarer Fall von „im Pedigree graben, und sich einreden, dass es noch etwas ausmacht“ – aber für 8.000 € bekommt man eben keinen Superstar. Grogan schickte die Stute zu Majestic Missile, auch nicht gerade dem geläufigsten aller Deckhengste, der aber selber ein feines, hartes und frühreifes Rennpferd war. Grogans erster Zuchtversuch, eine Stute, erhielt den Namen Katla, und ihr Verkauf auf einer Jährlingsauktion sollte ein wenig Geld in die Kasse spülen. Weit gefehlt. In Irland, einem Land der Überproduktion von Vollblüter, wollte man Grogan und seine Stute auf keiner Auktion haben – nicht gut genug! Vier Auktionshäuser lehnten ihn ab, schließlich wurde sie für die Breeze-Up Sale in Dundalk akzeptiert, doch diese Auktion wurde kurzfristig abgesagt. Die Stute war inzwischen zweijährig, und die Zeit rannte Grogan durch die Finger. Dann selber ins Training geben, doch woher das Geld dafür nehmen?
John Grogan, Züchter und Trainer in Personlunion, und seine Katla. Foto: John James Clarke.jpgGrogan rief fünf etablierte irische Trainer an, um einen wie auch immer gearteten Deal auszuhandeln, aber außer ein paar freundlichen Worten kam er auch auf dieser Schiene nicht weiter. Auf die Idee, die Stute selber zu trainieren, kam Grogan zuerst gar nicht; er nahm an, dass seine Lizenz für ein Flachrennpferd nicht ausreichend war. Erst der Hinweis eines befreundeten Züchterpaares brachte hier Aufklärung, und so fügte sich Grogan, und, mit Hilfe eines alten Vollblüters, eines Assistenten und dem Jockey Billy Lee, erneut nicht gerade dem bekanntesten aller irischen Jockeys, nahm er das Training selber in die Hand. Ende Juni diesen Jahres gab die Stute dann ihr Lebensdebut in Fairyhouse und lief als eine von zwei 25:1 Außenseitern als Dritte ein couragiertes Rennen. Besser noch lief es beim nächsten Start, auf dem Curragh, als sich Katla nur Aidan O´Briens Misty for Me geschlagen geben musste. Beim dritten Lebensstart folgte dann formgemäß der erste Sieg in einem Maidenrennen in Cork, nach ihren Vor-Formen war sie nun natürlich auch Favorit. Grogan griff dann nach den Sternen und nannte Katla in einem Listen-Rennen, erneut auf dem Curragh, und, im Wettmarkt auch durchaus beachtet, schlug sich die kleine Stute hervorragend und musste sich nur mit einem Kopf dem Hengst Longhunter geschlagen geben, einem durchaus guten Namen im Stall von Altmeister Kevin Prendergast. Es war klar – dies war eine gute Stute! Grogan, ohne Startmöglichkeiten im eigenen Land, schaute nun über die Irische See, und am Abend des 8. Oktober verlud er sein Star-Rennpferd und machte sich auf den Weg nach York, wo Katla die Rockingham Stakes, erneut mit Listen-Status, bestreiten sollte. Dies tat sie auch, aber die Gegner hatten einen besseren Blick auf sie als andersherum, denn Katla war „andere Ware“, jederzeit überlegen, und überrannte ihre Gegner zu einem völlig ungefährdeten 6-Längen-Sieg. Das Rennen wurde live im britischen Fernsehen übertragen, und Zuschauer erlebten einen völlig überwältigten, sprachlosen und einfach ekstatischen Grogan, dem vor lauter Aufregung und Begeisterung kaum ein klares Wort über die Lippen kam „Das haben wir niemals erwartet, niemals“ stammelte er in die Mikrofone, „aber morgen fahren wir nach Hause, und dann feiern wir richtig."
Dabei hatte Grogan schon seit Mitte der Saison, und dann vor allem seit dem Wochenende zuvor, allen weiteren Grund zum Feiern gehaben, nämlich, als Trainer Richard Fahey seine Siegesserie mit dem Hengst Wootton Bassett begann, der – Grogan selber hätte es nicht besser erfinden können- zum Gruppe I–Sieger in Longchamp aufstieg – und ein Halbbruder von Katlas Mutter Bratislava ist!
Grogan selber ließ auch Katla nicht auf ihren Lorbeeren ruhen – am Montag dieser Woche verlud er der Stute erneut, und fuhr diesmal gen Frankreich, wo mit dem Criterium de Maisons-Laffitte ein veritables Gruppe 2- Rennen mit gestanden Hengsten als Gegnern anstand. Ein großer Sprung, aber erneut zogen sich Katla und ihr ständiger Jockey William „Billy“ Lee mehr als anständig aus der Affäre; beinahe hätte es zum zweiten Platz gelangt, aber auch ein dritter Platz in solch einem Rennen ist ja aller Ehren wert.
Katla hat nun in diesem Jahre für ihren Züchter, Besitzer und Trainer John Grogan bei sieben Starts mehr als 60.000 Pfund eingaloppiert, 2 Siege und 4 Platzierungen erreicht – ein echtes Traumjahr für Grogan und all die „Kleinen“ in diesem Sport, die das Hoffen und Träumen noch nicht ganz aufgegeben haben. Das Beste – Grogan besitzt nach wie vor beide Stuten und kann so wohl noch ein bißchen weiter träumen ….