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Neue und alte Namen in der NH-Szene

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 597 vom Freitag, 06.12.2019

Großer Sport auf beiden Seiten der Irischen See prägte das vergangene Hinderniswochenende auf den Inseln. Im nordenglischen Newcastle wurde mit der prestigereichen Fighting Fifth Hurdle (2m ½ f – ca. 3260m) das erste Gr.1-Rennen der Saison über Hürden ausgetragen. Im südenglischen Newbury war das Winter Festival um die Ladbrokes Trophy, eingefleischten Fans immer noch als „The Hennessy“ geläufig, einer der absoluten Höhepunkte im Kalender der renommierten Rennbahn und des gesamten Rennjahres überhaupt. Im irischen Fairyhouse wurden am Sonntag vier Graded Rennen, davon drei Gr.1-Rennen, gelaufen: ein Feuerwerk großer Namen, die – Gesundheit vorausgesetzt- die weitere Saison prägen werden.

Ein Shooting Star der letzten Saison war ohne Frage Paisley Park, dessen Stern als Staying Hurdler (ein Hürdenpferd  über lange Distanzen) im Oktober 18 zu strahlen begann: mit fünf Siegen bei ebenso vielen Starts zeigte der Wallach ein ums andere Mal sein immenses Können. Der bald 8j. Oscar-Sohn steht im Besitz von Andrew Gemmell, welcher seine angeborene Blindheit niemals als Handicap sah und dessen Lebensweg alleine eine Inspiration ist. Nach einer Saison voller Höhepunkte hatte Gemmell nun ein Wochenende „to remember“: Paisley Park war bei seinem Jahresdebut in der Long Distance Hurdle (Gr.2, 3m = ca. 4827m) erwartungsgemäß nicht zu schlagen, als Mitbesitzer von De Rasher Counter konnte er dann am Samstag gar noch einen finanziell wesentlich dickeren Fisch an Land ziehen.

Doch der Reihe nach: Newburys Long Distance Hurdle ist seit Jahren der logische Startpunkt dieser Kategorie; ein Rennen Spezialisten, in dessen Siegerliste sich die Creme dieser Sparte, häufig als Mehrfachsieger, eingetragen hat. Deano´s Beano, Baracouda, Inglis Drever und der einmalige Big Buck´s gewannen zusammen elf Austragungen, zuletzt hatte Publikumsliebling Unowhatimeanharry zwei der letzten drei Editionen für sich entschieden; er war ebenso wie der Sieger von 2017, Beer Goggles, wieder mit von der Partie. Das Rennen wurde ein Match zwischen Paisley Park und dem unverwüstlichen Haudegen Thistlecrack, der, wenn auch inzwischen seit Dezember 16 sieglos, in der Niederlage ein ums andere Mal heroisch kämpft und dies auch am Freitag wieder tat. Deutlich vor dem zahlenmäßig sehr schmalen Feld hatte Paisley Park, der über den Sommer deutlich zugelegt hat, am Ende einfach zu viel Klasse. Überschattet wurde das Rennen von der tödlichen Verletzung von Beer Goggles, der erstmals seit rund 22 Monaten wieder an den Start gekommen war.

Sehr beeindruckend auch der Sieg von Champ in einem Gr. 2 Rennen für Nachwuchs-Chaser. Der Wallach, in den berühmten Farben von JP McManus  von Nicky Henderson trainiert, ist „natürlich“ nach Champion Jockey Anthony AP McCoy benannt und selbstredend Liebling der gesamten Familie. In bisher 11 Karrierestarts war der King´s Theatre-Sohn nie schlechter als Zweiter. Der jüngste Sieg war allerdings nicht ohne Aufreger: nicht nur, dass der Wallach einige deutliche Springfehler an den Tag legte, im Einlauf wäre der 7jährige beinahe von der rechten Bahn abgekommen. Nur die geistesgewärtige Reaktion von Jockey Barry Geraghty zog den Wallach wieder auf die richtige Spur; das war knapp. Doch wer gegen gestandene Gegner wie Black Op (Trainer: Tom George, Jockey: Jonathan Burke) trotz dieser Widrigkeiten letztendlich leicht gewinnt, der muss mit allerersten Chancen nach Cheltenham reisen.

Newcastle trotzte dem Frost, sehr zu Freude eines Nachwuchsjockeys. Erneut kam in der Fighting Fifth Hurdle nur ein kleines Feld an den Start; darunter aber keiner Geringerer als Buveur d´Air, der dieses Rennen zudem in den letzten beiden Jahren gewonnen hatte. Leider war er (erneut) nicht mit Fortuna im Bunde. Im Rückblick betrachtet war Buveur d´Airs Saison im letzten Jahr – gemessen an seinem hohen Standard- bestenfalls durchwachsen gewesen, über den Sommer hatte sich der Wallach zudem einer Operation an den Rückenwirbeln unterziehen müssen. In einem schnell gelaufenen Rennen, in dem Henry Brooke auf dem großen Außenseiter Cornerstone Lad  (Quote 16:1) sein Heil in der Flucht suchte, hielt Geraghty seinen Partner im „Mittelfeld“ (so es dies bei vier verbleibenden Pferden denn gibt); am vorletzten Sprung patzte der sonst so sicher springende Wallach. Mit riesiger Kraftanstrengung rettete sich Cornerstone Lad (Trainer: Micky Hammond) daraufhin ins Ziel; auf der Linie war es offiziell ein kurzer Kopf.

Es war selbstredend der größte Erfolg für das kleine Quartier von Hammond, dessen Anlage auf dem Weg zum großen Trainingsquartier von Mark Johnston durchfahren werden muss. Er (Hammond) ist einer der hart arbeitenden, keineswegs untalentierten nordenglischen Trainer, die in ihrer Laufbahn (bisher?)  nie das eine „Durchbruch-Pferd“ gefunden haben. Gewisse Berühmtheit hat sein Stall allerdings durch das Buch „Stable Lass – Riding out and mucking in“´- Untertitel „Tales from a Yorkshire Racing Yard“ („Stallmädchen – vom Ausreiten und Ausmisten“  - Geschichten aus einem Rennstall in Yorkshire) erlangt: Autorin Gemma Hogg ist eben bei Micky Hammond angestellt.  

Was zunächst nur wie eine „ärgerliche“ Niederlage aussah, nahm leider eine Wendung zum Schlechten, als deutlich wurde, dass Buveur d´Air nach dem Rennen augenscheinlich lahm ging. Spätere Untersuchungen ergaben, dass sich der Wallach bei seinem Fehler einen Stück Reisig der Hürde in den Kronenrand gerammt hatte, es musste operativ entfernt werden. Dabei mussten Teile seiner Hufwand entfernt werden; der Wallach, nach wie vor einer der Mitfavoriten für die Champion Hurdle, fällt nun auf unbestimmte Zeit, schlimmstenfalls die gesamte Saison aus. Dreizehn Rennbahnen in England benutzen inzwischen sog. „padded hurdles“ („gepolsterte Hürde“), die nicht mehr aus Reisig, sondern aus einem Kunststoff-Zellstoff besteht. Sie scheinen der Weg vorwärts; die Verletzung eines so prominenten Pferdes wie Buveur d´Air wird die Diskussion weiter anfachen.

Nachwuchsjockey Ben Jones hatte die Wettervorhersage fest im Blick. Schließlich war er als Ersatzjockey für einen aussichtsreichen Kandidaten in der Ladbrokes Trophy gebucht, sollte die „erste Wahl“ nach Newcastle reisen. Man braucht eben auch einmal Glück im Leben. So war der Weg frei für seinen Ritt auf De Rasher Counter; für Trainerin Emma Lavelle und (Mit-)Besitzer Andrew Gemmell wurde es ein Wochenende, das man sich in den kühnsten Träumen kaum erhoffen mag. De Rasher Counter, aus Irland im Jahr 2017 in den Stall von Lavelle gewechselt, war im Vorfeld als eine Art Geheimtipp gehandelt worden;  mit einer Quote von 12-1 zählte der Wallach schließlich zum erweiterten Favoritenkreis.

Lavelle, die mit Partner und Ex-Jockey Barry Fenton seit Jahren ein formidables Team bildet, hatte vor rund drei Jahren ein neues Trainingsquartier bezogen: ihre Karriere, die lange an der Schwelle zu Größerem stand, nahm damit so richtig Fahrt auf. Nach Paisley Park holte der Stall also direkt am nächsten Tag zum nächsten Schlag aus. Ben Jones servierte seinem Partner ein Rennen nach Maß; bei 24 Startern war ein schnelles Tempo ohnehin garantiert. Nach einigen weniger starken Austragungen war das aktuelle Feld gespickt mit starken Formpferden und eine wahrhaft offene Angelegenheit. Wenn auch mit Gr. 3 Status, das Rennen ist ein Handicap; Pferde, die hier Höchstgewicht tragen, können bis in den Cheltenham Gold Cup ein Wörtchen mitreden, und immer wieder hat sich das Rennen auch als ausgezeichneter „Pointer“ für das Grand National bewährt.

Mit der Startnummer Eins war Elegant Escape in Rennen gegangen; sein dritter Platz ein ausgezeichnetes Ergebnis für den Schützling von Colin Tizzard, dessen letztendlich als Favorit gestarteter West Approach früh reiterlos wurde. Auf Platz Zwei schob sich David Bridgewaters Leichtgewicht „The Conditional“, wie der Sieger (und Elegant Escape) erst 7j. Die Racing Post ließ sind in der Bewertung des Siegers zu geradezu lyrischen Bewertungen hinreißen; Fakt ist, dass Lavelle das junge Pferd nie überfordert hat, man im März das Cheltenham Festival mit voller Absicht ausgelassen hatte und der Wallach sicher stark steigerungsfähig ist. Ob er allerdings den Sprung in echte Gruppe-Rennen ohne Gewichtsvorteile „mit links“ bewältigt, bleibt abzuwarten. Ein Wort zum Namen: Ganz im Sinne seiner Besitzergemeinschaft, deren Name „Makin´ Bacon Partnership“ sicher jeder übersetzen kann, ist „De Rasher Counter“ eben ein Schinkenzähler, „Rasher“ eine Art Slang für die bruzzeligen Schinkenstreifen, die man auf den Inseln so gerne bereits zum Frühstück isst.

Irlands Grade1-Rennen werden von der englischen Presse gerne belächelt, da man hier selten kopfstarke Felder sieht. Das ist allerdings auch in England nicht viel anders; die „Abrechnung“ in Cheltenham fällt seit Jahren „pro-Irland“ aus. Nach witterungsbedingten Ausfällen in England war Fairyhouse Alleinveranstalter, mit einer absoluten Traum-Karte.

Jung-Trainer Joseph O´Brien drückte dem Tag mit drei Siegern seinen Stempel auf; er legte direkt in der einleitenden Gr.3 Prüfung, einer Art Trial für die Triumph Hurdle, los. Tatsächlich starteten seine beiden Schützlinge gar als Co-Favoriten, und machten das Finish dann auch unter sich aus. Der Sieger Cerberus, ein fuchsfarbener Sohn des Darley-Hengstes Iffraaj, wurde bereits auf der Flachen (hier blieb er sieglos) von Joseph trainiert; als Jährling hatte er 95.000gns gekostet und war in den Farben von Mutter Annemarie O´Brien gelaufen.

Cheveley Parks Engagement in Hindernissport haben wir an dieser Stelle im letzten Jahr mehrfach beleuchtet. Seit Party Politics, Grand National Sieger im Jahr 1992, hat die Eigner- Familie Thompson immer wieder Ausflüge in diese Sphäre unternommen. Mit Envoi Allen, für den man immerhin 400.000gns auf den Tisch blättern musste, hat man einen echten Star im Stall. Besser, in Gordon Elliotts Stall. Der fünfjährige Muhtathir-Sohn ist bei sechs Starts ungeschlagen, jetzt kam er zu seinem zweiten Gr.1-Sieg, seinem ersten über Hürden, nachdem er in der letzten Saison die Bumper-Szene beherrscht hatte. Der Schritt in die Gr.1-Gesellschaft beim erst zweiten Start über Hürden bereitete ihm keinerlei Probleme; Start-Ziel beherrschte der mächtige Wallach unter Davy Russell die Konkurrenz in der renommierten Royal Bond Hurdle (2m).  Experten sind sich einig: er ist „the real deal“. 

Das Rennen blieb jedoch das Highlight des Tages für Gordon Elliotts Cullentra Stables. In der Drinmore Novices´ Chase (Gr.1, 2m4f) sollte der einstmals als „Superstar“ betitelte Samcro sein angekratztes Image aufpolieren. Seltsamerweise gelang dies, obwohl der Fuchs nicht einmal ins Ziel kam. Das Rennen, auf dem Papier ein Zweikampf zwischen Joseph O´Briens Fakir D´oudairies (Besitzer: JP McManus, Jockey Mark Walsh), und eben Samcro, wurde leichte Beute für den Erstgenannten, als Samcro, der noch zu cantern schien, am vorletzten Sprung sehr unglücklich zu Fall kam. Es war eher ein Ausrutschen beim Landen als ein echter Springfehler; Jockey Jack Kennedy hatte keine Chance, sich im Sattel zu halten. Sofort sah man zwei Dinge: Samcro, der offensichtlich gesund und munter dem Feld folgte, und Kennedy, der im Hintergrund frustriert seine Gerte auf den Boden pfefferte. „Er sagt 100%ig, dass er gewonnen hätte“ kommentierte Co-Kommentator Ruby Walsh die Szene auf Racing TV. So sahen es auch 70% der Zuschauer bei einer Online-Umfrage der Timeform. Fakt ist, dass Samcro seine unterirdische Saison 18/19 deutlich hinter sich gelassen hat, und dass sowohl Fakir D´oudairies als auch Samcro in dieser Saison noch manch scharfe Klinge schlagen werden.

Im abschließenden Gr.1 Rennen des Tages, der Hatton´s Grace Hurdle (2m4f), waren natürlich alle Augen auf Apple´s Jade gerichtet. Die 7j. Saddler Maker-Tochter hatte dieses Rennen in den letzten drei Jahren gewonnen; seit ihrem spektakulären 41(!)-Längen Erfolg in Aintree 2016 ist sie einer DER Stars des Sports. Leider stottert der Motor seit einiger Zeit, wenn auch gemessen an dem so hohen Standard, den sie setzt. Ihre letzten fünf Rennen hat sie verloren, und die überragende Form, die sie auch zu Beginn der letzten Saison zur Hand hatte, will sich nicht einstellen. Als Publikumsliebling immer als kochendheißer Favorit unterwegs, werden ihr Niederlagen besonders krumm genommen, und sind Gegenstand hitziger Debatten. So war sie auch am Sonntag nicht in der Lage, dem Rennen, das sie jahrelang beherrscht hatte, ihren Stempel aufzudrücken.

Dafür ging der Stern einer anderen Stute vollends auf, der von Henry de Bromhead trainierten Honeysuckle (der englische Name der Heckenkirsche, und Befürwortern der Bachblüten sicher ein Begriff). Die fünfjährige Sulamani-Tochter (siehe auch sparate Meldung) versteht sich mit ihrer ständigen Reiterin, der von de Bromhead so stark unterstützten Rachael Blackmore, ganz besonders gut. Der jüngste Erfolg, ein weiterer Sieg auf höchster Ebene für einen weiblichen Jockey, war tief beeindruckend und wurde in der Fachwelt entsprechend aufgenommen. Erstaunlicherweise hat die Stute fünf ihrer Siege auf der Rennbahn von Fairyhouse erlaufen und ist noch nie auf einem Linkskurs, wie Cheltenham einer ist, gestartet.

Catrin Nack

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