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National Hunt: Nicholls und Skelton im Fokus

Greaneteen unter Bryony Frost nach dem Sieg in der Tingle Creek Chase. Foto: courtesy by Sandown racecourse

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 698 vom Freitag, 10.12.2021

Es ist eine schöne Tradition, große Rennen nach erfolgreichen Pferden vergangener Jahre zu benennen. Die beiden englischen Hauptrennen des vergangenen Samstags erinnerten an vierbeinige Publikumsmagneten ihrer Zeit. Sandowns Tingle Creek Chase (Gr.1, 3200m) ist nicht nur die bedeutendste Hindernis-Prüfung der Rennbahn, sondern ein Highlight der gesamten National-Hunt-Saison; die Siegerliste vergangener Jahre das „Who-is-who“ der Zwei-Meilen-Chaser. Tingle Creek selber gewann dieses Rennen, damals noch ein Handicap, im Jahr 1973; weitere Sieger wie Moscow Flyer, Kauto Star, Flagship Uberalles, Altior, Twist Magic, Desert Orchid, Viking Flagship, Sprinter Sacre oder Master Minded geben dem Rennen einen legendären Status.

Tingle Creek machte sich mit spektakulären Sprüngen, vor allem über Sandowns schwierige Hindernisse, und 23 Siegen in den 70iger Jahren viele Freunde; die samstägliche Prüfung immer wieder eine schöne Erinnerung. Nicht zu gerne erinnern wird sich Willie Mullins an die jüngste Austragung, wie überhaupt sein Wochenende von Höhen und Tiefen geprägt war. Der von ihm trainierte und Sohn Patrick gerittene Chacun Pour Soi trat als heißer Favorit an, nach offiziellem Rating und allen Vorleistungen schien das Rennen auf dem Papier nicht mehr als eine Pflichtaufgabe. Doch nach einigen unsauberen Sprüngen und Fehlern, die sich auch ein Pferd seines Kalibers nicht erlauben kann, wurde der französisch gezogene Wallach enttäuschender Letzter der nur fünf Starter. Bei bisher zwei Reisen gen England lief Chacun Pour Soi zweimal unerklärlich schwach, schon seine Niederlage gegen Put The Kettle On in der Champion Chase im März diesen Jahres fiel in die Kategorie „herbe Überraschung“.

Grund zum Jubeln hatte dagegen Paul Nicholls, der die Tingle Creek Chase nicht nur zum zwölften Mal gewann, was ihn zum alleinigen und unangefochtenen Rekordhalter macht. Hinter dem Sieger Greaneteen (Jockey: Bryony Frost) kam mit Hitman (im Sattel Stalljockey Harry Cobden) sein weiterer Starter auf Platz zwei ein. Kurios, dass beide Starter mit einer Quote von 12:1 die größten Außenseiter des Feldes waren. Es wurde zudem ein Befreiungsschlag für Frost, die seit Wochen in einen unschönen Gerichtsprozeß gegen Jockey Robert Dunne verwickelt ist, den sie (Frost) des Mobbings bezichtigt hat. Während das offizielle Urteil zum Zeitpunkt des Schreibens  noch aussteht, ließ das Publikum (die Rennbahn Sandown, wie fast alle Bahnen bislang in England ohne Corona-Regeln und -Maßnahmen [ab der nächsten Woche ist ein Eintritt nur mit einem Impfpass möglich], war ausverkauft) keinen Zweifel an seiner Unterstützung für Frost aufkommen und feierte ihren Sieg frenetisch. Das zweite Gr.1-Rennen der Karte, die Henry VIII Novices´ Chase (ca. 2m), gewann Alan Kings Edwardstone, im letzten Jahr bereits ein hochklassiges Hürdenpferd. Der erste Erfolg auf höchster Ebene für Jockey Tom Cannon, inoffizieller Stalljockey für King. Auf Platz wei der Jukebox-Jury Sohn War Lord (Colin Tizzard, Brendan Powell), aus der Sternkönig-Tochter Westalin und im Gestüt Etzean gezogen; in weiteren Generationen ist dies eine W-Linie aus Röttgen.

Im nordenglischen Aintree wurde hingegen Many Clouds gedacht, dem 2015er Grand National Sieger, der im Januar 2017 unmittelbar nach seinem Sieg in der Cotswold Chase, noch auf dem Rasen der Rennbahn Cheltenham, an einer Herzattacke verstarb. Seit 2017 wird die Gr.2-Prüfung über rund 5000m als Memorial für dieses Pferd ausgetragen. In Schneeregen fanden sich acht Starter an der Startstelle ein, darunter mit Native River (Colin Tizzard/Jonjo O´Neill jr.) ein ehemaliger Cheltenham Gold Cup Sieger und mit Tiger Roll (Gordon Elliot/James Bowen) eine wahre Aintree-Legende. Während Native River, mit seinen 11 Jahren einer der Senioren im Feld, hinter dem verblüffend leichten Sieger Protektorat (Dan Skelton/Bridget Andrews) auf Platz Zwei einkam und ein überaus tapferes Rennen lief, wurde Tiger Roll angehalten. Protektorat, in den Farben von John Hales unterwegs, verlor seine Konkurrenz im Einlauf förmlich und könnte, erst sechsjährig, nun gar den Cheltenham Gold Cup 2022 ansteuern.

„Er hat eine so hohe Grundgeschwindigkeit, ich konnte wirklich nicht langsamer reiten“ erklärte Andrews, Ehefrau von Harry Skelton und somit Schwägerin von Trainer Dan, nach dem 25-Längen-Sieg; beide Hauptrennen des Tages wurden also von weiblichen Jockeys gewonnen. Tiger Roll, wie Native River inzwischen elf Jahre alt, hatte sich im Vorfeld des Rennens frisch und munter gezeigt; er war jedoch auf dem weichen Boden zu keiner Zeit im Rennen und wurde auf halber Strecke angehalten. Trainer Gordon Elliot, der zeitgleich auf der Rennbahn von Navan sieben der acht Rennen der dortigen Karte gewann und erneut ein Stück irischer Rennsportgeschichte schrieb, gab sich später selbstkritisch: „Wir hätten auf den Start verzichten sollen, aber er (Tiger Roll) ist absolut tip-top aus dem Rennen gekommen. Dies war definitiv nicht sein letztes Rennen.“

Kurz erwähnt auch die Gr.3 Becher Chase über 5200m der Grand National-Hecken; hier wurde es im Gegensatz zur Many Clouds Chase höllisch eng.  „Nase“ lautete der offizielle Siegabstand. „Ich wäre so enttäuscht gewesen, wenn wir hier verloren hätten“ bekannte Jockey Aidan Coleman, der auf der von Charlie Longsden trainierten Siegerin Snow Leopardess früh die Spitze übernahm und diese bis ins Ziel  halten konnte. Es war der achte Sieg für die fast weiße neun Jahre alte Martaline-Tochter, die zwischen 2017 – 19 auf keiner Rennbahn zu sehen war und in dieser Zeit sogar ein Fohlen zur Welt brachte.

Nach wie vor fristet der Sonntag im englischen Rennkalender ein Außenseiter-Dasein; traditionell finden die großen Prüfungen samstags statt. Huntingdons Peterborough Chase (Gr.2, ca. 4000m) wurde 2014 auf diesen Tag verlegt; zuvor wurde es lange Zeit gar auf einem Dienstag gelaufen. Dan Skeltons Sea The Moon-Sohn Allmankind, immerhin Gr.1-Sieger über Hürden und der Jagdbahn, trat als heisser Favorit an, wurde aber – wie Chacun Pour Soi am Vortag - nur Letzter. Der Sieger First Flow (Kim Bailey/David Bass) hatte in der vergangenen Saison seinem Trainer den ersten Gr.1 Sieg seit Jahrzehnten beschert, nun der erste Sieg in der laufenden Rennzeit. 

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Nicht einem Pferd, sondern John Durkan, ehemaligem Trainer und Entdecker des großen Istabraq, wird in dieser zur höchsten Kategorie zählenden Traditionsprüfung im irischen Punchestown gedacht. Das Rennen liegt mit 4000 Metern unterhalb der Gold Cup Distanz. Willie Mullins hatte vor vergangenem Sonntag sieben Sieger dieses Rennens gesattelt, sieben der zehn Starter der jüngsten Austragung kamen aus seinem Stall; die Chancen auf Sieg Nr. acht  standen also schon im Vorfeld gut. Es wurde ein voller Erfolg, Mullins´ stellte die drei Erstplatzierten. Es siegte der amtierende Ryanair-Sieger Allaho (Jockey: Patrick Mullins), der, wie schon im März in Cheltenham, von der Spitze aus die Konkurrenz beherrschte und letztendlich für den vollen Erfolg nie wirklich in Gefahr kam. Mit Janadil (Jody McGarvey) und Melon (Brian Hayes) liefen nicht unbedingt gemeinte Pferde auf die Plätze. Als Favorit war Envoi Allen in Rennen gegangen. Der in den Farben von Cheveley Park laufenden Muhtathir-Sohn hatte seine ersten 11 Rennen, noch für Gordon Elliot, gewonnen; im Zuge der „Foto-Affäre“ um Elliot war der 2014 geborene Wallach in den Stall von Henry de Bromhead gewechselt. Vieles lief glatt für de Bromhead in seiner wundersamen Saison 2020-21, aber nichts lief glatt für und mit Envoi Allen. Nachdem der Wallach die ersten beiden Starts für de Bromhead nicht beendet hatte, und sich zuletzt in einer mehr als harmlosen Aufgaben schadlos hielt, konnte der Wallach das Vertrauen der Wetter zu keiner Zeit einlösen. Unter Rachael Blackmore sprang nur ein enttäuschender sechster Platz heraus.

Den guten Tag für Mullins' Stall rundeten Concertista und Energumene in Cork ab. Zwei Grade2-Rennen standen hier auf der Karte; vor allem der bei acht Starts nun siebenfache Sieger Energumene untermauerte seinen Ruf als aufregender „Nachwuchs“ am mächtigen Stall von Mullins. Zu all diesen Siegen kam allerdings die deutliche Niederlage seines Kilkruit, einem der aufregendsten Bumper-Pferde der vergangenen Saison. Seine Niederlage mit einer Quote von 1-14 (!) (1.07-1 in der deutschen Schreibweise) war die erste Niederlage eines so „kurzen“ Favoriten seit rund 25 Jahren, und damit ein Stück kurioser irischer Rennsport-Statistik.

Catrin Nack

 

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