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Ein Nachruf auf Denman

Denman und Kauto Star - Legenden und Boxennachbarn im Stall von Paul Nicholls. www.galoppfoto.de - John James Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 521 vom Freitag, 08.06.2018

Kleider machen Leute, und Pferde machen Trainer. Es sind – bei allem Respekt vor den unzähligen Siegern aus seinem Stall - vier Namen, die beinahe als  Synonym für ihren Trainer stehen; vier Pferde, auf deren Schultern der rasante Aufstieg des vielfachen Champion-Trainers Paul Nicholls ruhte: See More Business, Kauto Star, Denman und Big Buck's. Nun musste Denman im Alter von nur 18 Jahren von seinen Schmerzen erlöst werden. 

Alles begann mit dem kleinen Terrier See More Business, erster Cheltenham Gold Cup-Sieger für sein Trainingsquartier im südwestenglischen Dörfchen Ditcheat, in den Farben eines gewissen Paul Barber. Barber, dem nach wie vor die Trainingsanlage Manor Farm Stables – und das halbe Dorf Ditcheat gleich dazu – gehört, dessen Ambition es war, 1000 Kühe zu melken und einen Gold Cup Sieger zu besitzen, und der heute Somerset Cheddar in Millionenwerten herstellt, war somit von Stunde Eins eine unverzichtbare Stütze des aufstrebenden Jungtrainers. Was mit „See More“ so verheißungsvoll begann, fand seinen Höhepunkt in dem unvergleichlichen Denman. Nicht nur erfüllte Denman erneut den Traum seines Besitzers (zeitweilig ging Barber, der „Country Gentleman“, eine sehr ungewöhnliche Partnerschaft dem Berufs-Wetter Harry Findlay ein, in dessen lila Farben Denman zuweilen auch lief) nach einem Gold Cup Sieg, das Pferd war und ist die Krönung seines Besitzer-Lebens, eine Ikone des Sports und ein absoluter Liebling der Massen.

Denman, dessen Spitznamen „The Tank“ im englischen ungleich ansprechender als das deutsche „Panzer“ klingt, war doch eben dies: ein Hüne von Pferd, ein echter altmodischer Chaser aus entsprechenden Blutlinien (der beste Sohn seines Vaters Presenting aus der Pollerton Mutter Polly Puttens, die zum Zeitpunkt seiner Geburt bereits 18 Jahre alt war), voller Talent aber mit noch mehr Mut und Einsatzwillen, „you shall not pass“. Eine Karriere mit unglaublichen Höhen und vielen Tiefen; zusammen mit Kauto Star verkörperte er eine goldene Ära im englischen Hindernissport. Im gleichen Jahr (2000) geboren, verliefen ihre ersten Jahre alles andere als parallel - Denman als irischer „Store“ und Kauto Star als Jung-Star im französischen Hindernisspor t-  doch dann bezogen beide eine Box bei Paul Nicholls, und der Rest ist Geschichte. Von 2006 bis 2012 waren ihre Auftritte die Höhepunkte des Cheltenham Festivals, ihre Rivalität auch jenseits dieses Meetings der Traum jedes Marketing-Teams. Es liegt in der Natur des Menschen, Partei zu ergreifen – Team Denman vs. Team Kauto -  doch der Respekt für den jeweiligen „Gegner“ konnte nicht größer sein. Es sind nicht die reinen Zahlen, die die Rennlaufbahn Denmans ausreichend beschreiben – 14 Siege bei 24 Starts, rund 1,4 Mio Pfund an Preisgeld, ein Cheltenham Gold Cup, zweifacher Festival Sieger, zwei  Hennessy Gold Cups, drei zweite Plätze im Gold Cup – es war sein Mut, seine Ausdauer,  seine Einsatzbereitschaft, sein unnachgiebiges Galoppieren, ganz zu schweigen von seiner unbestreitbaren Klasse. Seine Siege waren Sternstunden des Rennsports, verblüffende Demonstrationen purer Kraft und gnadenlosem Stehvermögen; vor allem sein Sieg im 2009 Hennessy Gold Cup, unter Höchstgewicht, war eine Illustration all seiner Qualitäten.

Nur ein Mal hatte er in seinen ersten 15 Rennen verloren, eine Serie,  die in seinem atemberaubenden Sieg im 2008 Cheltenham Gold Cup – er lief seinen Rivalen, allen voran Kauto Star, einfach davon -  ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hatte, dann schockte die Nachricht seines Herzfehlers die besorgte Öffentlichkeit. Es brauchte Zeit, bis der mächtige Wallach im wahrsten Sinne wieder auf die Beine fand, in der Saison 2008-9 konnte er nur dreimal an den Start kommen, doch auch mit einem „halben Herzen“ war nur ein Kauto Star im 2009er Gold Cup zu stark. Anschließend kam er in Aintree zu Fall, offiziell der einzige Sturz seiner Laufbahn. Es schien daher fraglich, ob Denman im November 2009 in der Lage sein würde, im einem so anspruchsvollen Rennen wie dem Hennessy Gold Cup ein Höchstgewicht von rund 75 kg verteidigen zu können. Doch seine Fans kannten solche Zweifel nicht, und mit Ruby Walsh im Sattel gab der nun neunjährige Wallach die erwähnte Demonstration seines Könnens:  Er tat, was er am besten konnte: er galoppierte, er sprang, und er tat dies besser – und schneller – als all seine Rivalen. Sein dunkles Fell erhellte die Rennbahn von Newbury, und seine Fans, die in Massen gekommen waren, weinten Tränen der Bewunderung. Was für ein Pferd.

Es sollte sein letzter voller Erfolg bleiben. Doch sein Stern ging nicht unter. Im Herbst seiner Laufbahn raffte sich der Wallach auch in der Niederlage zu einigen Top-Leistungen auf, darunter noch zwei weiteren zweiten Plätzen im Cheltenham Gold Cup, gegen Imperial Commander und Long Run. Seine Karriere erreichte nicht mehr die Höhen, die  Kauto Star 11jährig noch einmal erreichte, aber welcher Hindernis-Fan wird jemals diese Momente - diese Sekunden, in denen das Unmögliche möglich schien - im 2011er Cheltenham Gold Cup vergessen, in denen ein Sieg für sowohl Kauto Star als auch Denman zum Greifen nah schien? „The who-is-who of Gold Cup History… Denman and Kauto Star are rolling back the years“ rief der Kommentator, und dies taten sie, auch wenn Long Run´s Beine letztendlich das Quäntchen frischer waren.

Untrennbar mit Kauto Star verbunden - es gibt im Englischen sogar eine Doppelbiographie über die Beiden, und sie waren nicht nur Trainingsgefährten, sondern auch Boxennachbarn - schrieben die Wallache, jeder für sich und vor allem zusammen, Rennsportgeschichte. Sie stehen für eine goldene Ära im Rennsport, von der auch ein Paul Nicholls noch heute zehrt; es war die Zeit des Überflusses an seinem Stall, an zwei- und vierbeinigen Talenten. Mit Dan Skelton und Harry Fry standen Assistenztrainer höchster Klasse an seiner Seite, deren Einfluss an der Entwicklung beider Stars nicht unterschätzt werden darf. Sie alle waren zur rechten Zeit am richtigen Ort.

Zu Beginn der Saison 2011-12 kam Denmans Rennkarriere zu seinem natürlichen Ende, bedingt durch eine leichte Verletzung. Anders als Kauto Star, dessen kontroverser Ruhestand seine Fans noch heute umtreibt, bezog Denman eine Box bei Charlotte Alexander, und wurde hier im sog. Team Chasing eingesetzt, bei dem auf einem Cross-Country Kurs 25 Hindernisse „gegen die Uhr“ überwunden werden müssen. Eine Sportart nicht ohne Tücken; für die gleiche Reiterin verunglückte Silviniaco Conti, ein weiterer Star aus Nicholls Stall, Ende 2017, nur wenige Wochen nach seinem „Ruhestand“, tödlich. Denman genoss einige Jahre im Stall von Alexander, konnte im Frühjahr 2017 bei Paraden alter Rennpferde im Rahmen der Cheltenham und Aintree Festivals jedoch nur geführt werden und ging deutlich lahm. Denman kehrte in den Stall von Paul Nicholls zurück, um hier noch rund ein Jahr verwöhnt zu werden;  am 06. Juni musste die herzzerreißende Entscheidung getroffen werden, ihn von seinen Schmerzen am „Knie“ (stifle), dessen Verletzung sich verschlimmert hatte, zu erlösen.

Denman und Kauto Star setzten Maßstäbe an Klasse, Langlebigkeit, Charakter und Charisma, an denen wir zukünftige Stars messen werden. Sie hinterlassen goldene Erinnerungen voller Dramatik und Emotionen, und es scheint unmöglich, dass wir Ihresgleichen noch einmal erleben werden.

Catrin Nack

 

 

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