Zukunft offen? Weiterhin Land unter in Halle und Magdeburg - Direktorium ruft zu Spenden auf
Autor:
TurfTimes:
Wer in diesen Tagen mit Heinz Baltus telefoniert, der hört nicht selten im Hintergrund ein leises Plätschern. Der Mann liegt mitnichten am heimischen Swimmingpool, er befindet sich auf der Galopprennbahn in Magdeburg oder am Rande einer Seenplatte, ganz gleich, wie die Sichtweise ist. Und er sagt: "Ich hoffe, dass ich nicht irgendwann einen Nervenzusammenbruch bekomme."
Heinz Baltus ist der Präsident des Magdeburger Rennvereins und er hat in den letzten Jahren auf dieser von vielen schon abgeschriebenen Bahn viel geschaffen. Er hat als wahrer Macher Arbeit und Herzblut hereingesteckt, "und jetzt können wir noch einmal von vorne anfangen", sagt er, "wie vor elf Jahren". Die Flut hat die Rennbahn am Herrenkrug im Griff, genau wie die Bahn auf den Passendorfer Wiesen in Halle, die Zukunft von beiden Bahnen steht in den Sternen. "Stallungen, Totogebäude und Geläuf sind unter Wasser", sagt Baltus, "die Pferde sind schon länger evakuiert. Wann sie zurückkommen können, wissen wir im Moment noch nicht. Das Problem ist, dass ich im Moment auch noch gar keine Schadensaufstellung machen kann. Erst muss das Wasser weg, dann können wir sehen, was alles nicht mehr funktioniert." Und damit ist es nicht getan, das weiß der vom Bau kommende Unternehmer Baltus ganz genau. "Es ist gut möglich, dass Öl ausgelaufen ist", sagt er, "dass der Schlamm verseucht ist. Und den kann man nicht ganz so einfach abtransportieren und irgendwo lagern. Die Entsorgungskosten sind enorm." Auch wenn der Chef der Hydro Wasser- und Tiefbau vom Fach ist und "vielleicht Sonderkonditionen" bekommt. Baltus gibt sich trotzdem zuversichtlich: "Unser Ziel ist es, noch im Herbst einen Renntag zu machen. Ich kann auch nicht sagen, dass wir allein gelassen werden. Es hat Anrufe und Hilfszusagen vom Direktorium, von der Besitzervereinigung gegeben, das ist anzuerkennen. Letztlich ist es auch so, dass es hier im Osten noch ganz andere Einzelschicksale gibt. Menschen, die alles verloren haben. Wir sind halt nur eine Pferderennbahn." Die Trainer Rainer Busch, Uta Kuckenburg, Frank Kurz und Hendrik Reichert sind mit ihren Pferden evakuiert, man hofft, dass sie vielleicht kommende Woche zurückkehren können.
Ähnlich dramatisch ist die Situation in Halle, wo das Hochwasser in den vergangenen Jahren ein ständiger Gast war. "Bis jetzt konnten wir noch nicht auf die Bahn", sagt Andreas Neugeboren vom Rennclub Halle, "aber der Pegel stand bei 8,10 Meter, der höchste Stand seit Menschengedenken." Neugeboren, der für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) tätig ist, musste selbst seinen Arbeitsplatz verlassen, er wurde nach Erfurt "evakuiert". Die Zukunftsaussichten sind vorerst vage. "Von der Kommune gibt es im Moment natürlich keine Zusagen", sagt er, "die haben andere Sorgen. Und ich könnte mir vorstellen, dass gesagt wird, 'die schon wieder', wenn es um die Rennbahn geht. Im Übrigen ist auch das komplette Trainingsgelände des Drittligisten Hallescher FC unter Wasser, das liegt direkt an der Rennbahn." Fraglos fehlt in Halle eine Führungspersönlichkeit, die jetzt Gelder loseisen könnte, doch ist Neugeboren da auf einem aus seiner Sicht guten Weg. "Ich bin im Gespräch mit einer lokalen Persönlichkeit, die jetzt noch nicht nennen will", sagt er, "da geht es schon um einen möglichen Platz im Präsidium." Aufgeben gilt nicht in Halle, "denn 2013 sind es einhundert Jahre, seit dem hier zum ersten Mal Rennen gelaufen wurden, da macht man nicht einfach zu." Hilfe vom Verband ist angekündigt, für die kommende Woche haben sich auch erste Fachleute zwecks Besichtigung angekündigt. Neugeboren: "Es ist wie in Magdeburg, wir können die Schäden noch gar nicht absehen." Wann Trainerin Angelika Glodde an ihren angestammten Trainingsplatz zurückkehren kann, ist ungewiss. "Wir benötigen jetzt erst einmal Strom", erklärt Neugeboren, "das wird dauern."
Mit ihren Pferden ist sie im Umland in einem Reitstall untergekommen, nicht in Leipzig, wie schon einmal in der Vergangenheit. Denn auch dort gibt es Schwierigkeiten, erst am Montag wird definitiv entschieden, ob der für den kommenden Freitag geplante Abend-Renntag durchgeführt werden kann. "Das Problem ist bei uns das Grundwasser", berichtet Birgit Dombeck vom Rennverein, "es kommt von unten hoch, steht im Moment auf der Bahn. Es kommt vom nahegelegenen Elster-Flutbecken, da hatten wir schon in der Vergangenheit das eine oder andere Mal Schwierigkeiten." Pumpen sind im Einsatz, "es kommt jetzt auf das Wetter der nächsten Tage an", sagt Birgit Dombeck, "Regen können wir keineswegs gebrauchen." Tribünen und Stallungen sind in jedem Fall nicht betroffen.
Am Donnerstag tagte der Vorstand des Direktoriums, Hilfsmaßnahmen sind angekündigt. "Wir werden eine Spendenaktion starten, um die Solidarität des Rennsports zu dokumentieren", bestätigte das Geschäftsführende Vorstandsmitglied Jan Antony Vogel am Abend, "es ist ja nicht so, dass wir hier in Köln sitzen und uns freuen, dass es trocken ist. Halle und Magdburg sind im Fokus des Rennsports. Daniel Krüger von der Besitzervereinigung und ich werden am Mittwoch zu beiden Rennbahnen fahren und uns vor Ort ein Bild machen. Anschließend wird über konkrete Dinge entschieden.
Direktorium ruft zu Spenden auf
Nachfolgend veröffentlichen wir die Pressemitteilung des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen, die nach der Sitzung am Donnerstagabend um 22.59 Uhr verschickt worden ist, im Wortlaut: Es ist die wahrscheinlich schlimmste Hochwasser-Katastrophe, die Deutschland je heimgesucht hat. Vor allem die neuen Bundesländer, an Elbe oder Saale, kämpfen seit Wochen gegen die Fluten.
Auch vor dem Galopprennsport macht die Urgewalt der Natur nicht halt: So sind die Rennbahnen in Halle und Magdeburg bereits überflutet. Zahlreiche Aktive, wie die Hallenser Trainerin Angelika Glodde, mussten mit ihren Rennpferden in Notquartiere ausweichen.
Hier ist schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe gefragt. Daher hat das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V., der Dachverband des Galopprennsports, am Donnerstag bei einer Präsidiumssitzung Folgendes entschieden:
Für die betroffenen Rennbahnen in Halle und Magdeburg ist ab sofort ein Spendenkonto beim Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V. eingerichtet. Unter der Konto-Nummer 4002184 (BLZ 37050198, Sparkasse KoelnBonn; Verwendungszweck: Spende Hochwasser Kto. 400400) können auch Sie Ihren Beitrag leisten, um den schlimmsten Auswirkungen der Jahrhundert-Flut für den Turf wirksam entgegenzutreten.
Jede Spende ist herzlich willkommen. Denn die Zukunft dieser Hippodrome in den Neuen Bundesländern ist von unschätzbarer Bedeutung.