Das Interview mit Rafael Schistl |
Geboren: | 24.07.1988 |
Jockey seit | 2007 |
Position/Stall: | Stalljockey bei Mario Hofer |
Größte Erfolge als Jockey: | Die Derbys in Skandinavien, ganz besonders die Norwegischen Derbys 2014 und 2015 |
Anzahl Siege: | ca. 450 (Stand: November 2015) |
Geringstes Reitgewicht: | 55 Kilo |
Ausbildung/Stationen | Ausbildung 2004-2007 in Brasilien, 2008 Dubai, bis 2015 Skandinavien |
Warum haben Sie diesen Sommer nach Deutschland gewechselt? | Eye in the Sky, hier mit Andrasch Starke im Langen Hamburger, war einer der Derbysieger. www.galoppfoto.de - Frank SorgeIch bin nach Skandinavien zunächst für eine Saison gekommen. Geblieben bin ich dann gleich 6 Saisons lang oder ich bin vielmehr jeden April wiedergekommen und dann jeweils bis September geblieben. Ich habe dort den größtmöglichen Erfolg gehabt und alles erreicht, was man als Jockey in Skandinavien erreichen kann. Ich habe die dortigen Derbys und Grupperennen gewonnen. Deutschland bietet für mich unter anderem den Vorteil, dass es nah an Skandinavien liegt, wohin ich nach wie vor viele Kontakte habe. Für die großen Renntage kann ich dorthin und reiten, wenn ich angefragt werde. Nun kann ich neben den Rennen in Deutschland auch deutsche Pferde in Frankreich oder England reiten. Es gibt hier Gruppe I- und II-Rennen, die es in Skandinavien nicht gibt. |
Sie hatten auch direkt einen sehr guten Start in Deutschland! | Das hat sehr gut angefangen mit dem ersten Ritt auf Wildpark. Beim ersten Ritt an einem wichtigen Renntag ein Listenrennen zu gewinnen, hat der ganzen Sache gleich einen Kick gegeben. Aufgrund des Gr. I-Rennens am nächsten Tag war das Publikumsinteresse groß und viele Leute haben das Rennen mit Wildpark gesehen. Ein paar Wochen danach konnte ich in Baden-Baden noch ein Listenrennen gewinnen. Dann habe ich den Ritt auf Parthenius im Ratibor-Rennen bekommen. Mit diesem knappen Abstand zu gewinnen, war natürlich großes Glück für mich. Natürlich will ich das bestmögliche erreichen und so viel gewinnen wie möglich, aber die Entwicklung in den letzten Wochen und Monaten ging viel schneller als ich mir hätte träumen lassen. Listensieg Nummer zwei gelang Rafael Schistl mit Lili Moon. www.galoppfoto.de - Sarah Bauer |
Sie haben seit August 12 Rennen in Deutschland gewonnen, bei 17 % Siegquote… | Für Peter Schiergen war Rafael Schistl mit Drummer im Auktionsrennen erfolgreich. www.galoppfoto.de - Sabine BroseJa, hinzu kommen noch zwei Siege in der Schweiz und etwa zehn Sieger in Skandinavien in einem Zeitraum, in dem ich schon in Deutschland gelebt habe. Insgesamt sind es so circa 30 Siege seit August, aber auch eine Menge zweite Plätze. Leider mehr zweite Plätze als Siege, das ist nicht so gut, aber natürlich besser als dritte Plätze. Ich bin auch für Peter Schiergen geritten und konnte mit Drummer in Hoppegarten mit zehn Längen gewinnen. Aber auch von anderen Trainern, zum Beispiel Waldemar Hickst, habe ich Ritte bekommen. Ich war Dritter auf Gruppeebene für ihn, ein Sieg gab es auch, in Baden-Baden mit Mister Universum. Und es wird mehr. Ich bekomme mehr Ritte für große Trainer, vielleicht auch, weil der Erfolg am Anfang direkt da war. So habe ich dann Chancen bekommen und hatte Glück, Erfolg zu haben. |
Wie leicht oder schwer ist es, sich an ein neues Rennsystem zu gewöhnen? | Nun ja, es ist ein europäisches System. Es ging eigentlich sehr gut los in Deutschland. Bei den ersten 50 Ritten habe ich weder eine Sperre noch sonst eine Strafe bekommen, aber bei den letzten paar Ritten habe ich dann andauernd Sperren bekommen. Vielleicht war ich da etwas zu ehrgeizig und habe mehr ans Gewinnen als an den nächsten Tag gedacht. Aber wirklich schwierig finde ich es nicht, mich an das System zu gewöhnen. |
Gibt es überhaupt signifikante Unterschiede zwischen skandinavischem und deutschem System? | Im Prinzip ist es fast das gleich, abgesehen davon, dass in Skandinavien noch weniger Peitscheneinsatz erlaubt ist. Behinderungen und Kreuzen passiert in Skandinavien häufiger, allein schon aus dem Grund, weil die Bahnen kleiner und enger sind. Das ist mir in Deutschland bisher noch nicht passiert. Aber sonst ist das schon sehr ähnlich. Ich war beispielsweise in Neuseeland, da sind die Unterschiede deutlich größer. Die Peitsche kann man dort so oft benutzen, wie man will. Als ich dorthin kam, musste ich lernen, wie man die der Peitsche effektiv einsetzt. Hier muss man das schnell wieder vergessen. |
In wie vielen Ländern haben Sie schon geritten? | Natürlich in Brasilien, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, dann in Dubai. Als ich 18 war, habe ich einen Vertrag in Dubai bekommen, dann Skandinavien, Schweiz, Neuseeland und Deutschland natürlich. |
Sie haben Ihre Ausbildung in Braslien gemacht. Die Ausbildung in Brasilien ist doch bestimmt ganz anders als in Europa, oder? | Ja, das läuft völlig anders ab. Wenn man dort zur Berufsschule geht, müssen die Eltern für einen unterschreiben. Danach ist man völlig für sich selbst verantwortlich, nicht mehr die Eltern. Dann hat man eine bestimmte Zeit, um eine festgelegte Anzahl von Siegern zu reiten. Um Jockey zu werden, muss man 70 Rennen gewinnen. Zuerst hat man drei Monate Zeit, um fünf Rennen zu gewinnen, danach sechs Monate für 20 Siege, dann wieder sechs Monate für weitere 20, die Erlaubnis sinkt dann entsprechend mit jeder erreichten Stufe. Wenn man das in der vorgegeben Zeit nicht schafft, muss man sich einen Trainer suchen, der einem die Lizenz garantiert. Dann darf man für sechs bis sieben Monate ausschließlich für diesen einen Trainer oder Besitzer reiten, bis man dann die Vorgaben erfüllt und gut genug ist, für alle zu reiten. |
Wie kommt das eigentlich, dass so viele Brasilianer in Skandinavien reiten. Ist das Zufall? | In Skandinavien hocherfolgreich: 2011 gewinnt Schistl mit Giant Sandman in Täby. www.galoppfoto.de - Peo PloffTatsächlich war ich der erste Brasilianer, der damals dorthin gegangen ist. Mit der Zeit habe ich acht weitere Brasilianer mitgebracht. Ich komme aus einer ziemlich kleinen Stadt und die anderen Jungs sind meine Freunde. Wir haben uns damals eine Sache versprochen: Wenn einer von uns die Chance auf ein besseres Leben hat, holen wir die anderen nach. Und so habe ich meinen Teil erfüllt. Ich bin nach Dubai gegangen und von da nach Norwegen. Das Leben wurde besser für mich und so hatte ich die Möglichkeit, den anderen einen besseren Job zu organisieren. Und so sind sie alle gekommen, jedes Jahr zwei oder drei. Einer von ihnen, Elione Chaves, ist jetzt Championjockey. Wir waren schon als Kinder befreundet. Jetzt ist er verheiratet, hat Kinder und ein Haus. Er ist jetzt für vier Monate nach Singapur gegangen. Er ist in Schweden zu Hause und sagt, er gehe nie wieder zurück nach Brasilien. |
Sie verbringen Weihnachten vermutlich in Brasilien, oder? | Ja, ich habe auch noch ein kleines Unternehmen in Brasilien, Rinderzucht zur Fleischproduktion. Ich bin damit aufgewachsen und betreibe das nun gemeinsam mit meiner Mutter weiter. Dorthin fahre ich jedes Jahr. Außerdem habe ich immer Bullriding betrieben, auch schon als ich klein war. Damit habe ich auch immer noch viel zu tun, wenn ich zuhause bin. Ich werde für etwa einen Monat heimfahren, meine Mutter besuchen, schauen, ob alles gut läuft. Im Januar komme ich dann zurück, rechtzeitig für das Meeting in Cagnes-sur-Mer. |
Verfolgt man den europäischen Rennsport in Brasilien oder beschränkt man sich eher auf Amerika? | Nein, wir verfolgen den Rennsport sehr wohl, selbst den in Australien. Die besten Rennen, die besten Pferde, wie Frankel, sind sehr wohl Thema. Wir sind da sehr begeistert, besonders seitdem das Internet überall verbreitet ist, natürlich. Wir verfolgen die besten Jockeys wie Silvestre de Sousa natürlich, der ja auch Brasilianer ist und dieses Jahr Champion in England wurde. Wenn Sie mich das vor drei oder vier Jahren gefragt hätten, hätte ich gesagt, dass es unmöglich ist, dass ein Südamerikaner Champion in England wird. |
Haben Sie ein Vorbild? | Idol und Weggefährte, Hongkongs Championjockey Joao Moreira. www.galoppfoto.de - Frank SorgeJa, Joao Moreira, mit dem ich schon gemeinsam in Brasilien geritten bin. Ich habe immer zu ihm aufgeschaut, die Art und Weise des Reitens, sein Stil. Ich versuche, dem jeden Tag etwas näher zu kommen. So gut wie er zu werden, dauert viele Jahre. Für mich ist er einzigartig. Niemand kann ihn zu 100 % kopieren, aber ich will dem so nahe kommen, wie es irgendwie geht. Ich kenne ihn auch als Menschen sehr gut, seit 20 Jahren. All das, was er erreicht hat, hat er sich selbst erarbeitet. |
Welches Rennen würden sie gern mal gewinnen? | Den Prix de l’Arc de Triomphe, aber davor hoffe ich, das Deutsche Derby gewinnen zu können. |
Welches ist/war das beste Pferd, das Sie geritten sind? | Das ist schwierig. Von den noch aktiven Pferden wahrscheinlich Bank of Burden. Er ist das gewinnreichste Pferd aller Zeiten in Norwegen. Ich habe 2012 ein Listenrennen am Derbytag mit ihm gewonnen. Ich glaube, er ist das beste Pferd, auf dem ich gesessen habe. Und er ist immer noch aktiv! Den unverwüstlichen Bank of Burden bezeichnet Schistl als das beste Pferd, das er bisher ritt. www.galoppfoto.de - Sabine Brose |
Welche ist Ihre Lieblingsbahn? | Natürlich Dubai, das ist der schiere Wahnsinn. |
Was machen Sie in Ihrer Freizeit? | In der letzten Zeit habe ich ziemlich viel gekocht, für Steffi und Cay (Bonhoff) zum Beispiel. (Steffi Hofer: Er kocht sehr gut!) Ansonsten waren wir ziemlich viel unterwegs, viel reiten, lange Reisen. Ansonsten laufe ich wegen meines Gewichts sehr viel. Wenn ich also nicht reite, schlafe oder laufe ich. |
Ihr Lieblingsessen? | Ich mag natürlich brasilianisches Essen besonders gern: gegrillte Rippchen vom Rind. |