"Es ist sauschwer, ein Derby zu gewinnen!"
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TurfTimes:
Diesmal waren es relativ lange 2:34,56 Minuten bis der erste von 20 Auserwählten, die es bis in die Startbox zum IDEE 152. Deutschen Derby (Gr. I, 650.000 Euro) geschafft hatten, nach 2.400 Metern im Ziel war. Sisfahan heißt der nicht unbedingt erwartete Sieger, der den Toto-Kurs von 12,5:1 wohl wesentlich seinem prominenten Reiter Andrasch Starke verdankte, der, im nahen Stade geboren, die Rennbahn in Hamburg-Horn als sein Wohnzimmer bezeichnet. Siebenmal hatte der das Derby schon vorher gewonnen, dieser Sieg war ein historischer, bedeutet er doch, dass der Champion-Jockey gleichzieht mit dem bisherigen Rekordhalter Gerhard Streit, genau 60 Jahre nach dessen 8. Derbysieg mit Baalim 1961.
Natürlich bewegen wir uns jetzt in der Belle Etage der Derby-Glückseeligen: Mit den Besitzern Dr. Stefan Oschmann, der ehemalige CEO des Pharma-Riesen Merck, nebst Ehefrau Shahpar und Michael Motschmann, einer der BionTech-Gründungsinvestoren, mit seiner Frau Sabine, die Sisfahan auf Anraten ihres Racingsmanagers Holger Faust einige Wochen vor dem Derby gekauft haben. Aus dem eigenen Grewe-Stall heraus, der von einer GmbH betrieben wird. Der gehört Faust an, aber auch Christoph Holschbach, der sich für einen sechsstelligen Betrag von dem hübschen bunten Fuchs mit der blonden Mähne, der ihm zusammen mit Züchter Guy Pariente gehörte, trennte und beim Derby dann nur noch Zuschauer war. Auch das gehört zu den Geschichten dieses Derbys. Sisfahan blieb natürlich im Stall von Champion-Trainer Henk Grewe Köln, der somit auch zu seinem 1. Derbysieg kam und im Nachhinein durchklingen ließ, wie sehr ihn das Derby des letzten Jahres doch belastet hat. Mit vier Pferden ging er damals ins Rennen, auch mit der Nummer 1 Wonderful Moon. Die Plätze 5 bis 8 kamen dabei heraus, das Derby lehrt Demut. Diesmal hat man wenig aus dem Grewe-Stall gehört, "wir haben uns bedeckt gehalten", hieß es auch beim Siegerinterview mit Starke, "aber die haben mich geholt, damit ich ein Derby gewinne, und das habe ich jetzt geschafft!".
Rund wird die Geschichte, weil Sisfahan fünf Jahre nach seinem Vater Isfahan, 2016 der erste Derbysieger in Darius Racing-Farben, gewann. Zu der Zeit, als es das Derby-Dinner noch gab, erzählte Stefan Oschmann bei seiner Derby-Rede von den vielen Malen, die Isfahan beim Ritt durch die verschiedenen Instanzen das Derby gewonnen habe. Eine Erfahrung, die den Spaß am Derby etwas genommen hat. Deshalb ist die Freude umso größer als Isfahan, der seit 2017 im Gestüt Ohlerweiherhof steht, nun gleich mit seinem 1. Jahrgang den Derbysieger stellt.
Der Besitzerwechsel passiert kurz vor dem Düsseldorfer Derby-Trial, als noch kaum jemand daran dachte, das dieses auffällige Pferd mit dem unauffälligen Pedigree der 152. Derbysieger werden könnte. Hier geht es zum kompletten Profil von Sisfahan: Klick!
„The second standing small“
Schon beim Zweitplatzierten fängt die erste Enttäuschung an. „The second standing small“, heißt die alte Weisheit, wonach der Zweite, in diesem Fall Alter Adler, der erste Verlierer ist, auch wenn es sich vielleicht nur im ersten Moment ganz besonders bitter anfühlt. Denn jeder will dieses Derby gewinnen, deshalb tüfteln die verrückten Galoppsportleute vier Jahre vorher ihre Deckpläne aus, suchen die passenden Hengste für ihre Stuten, investieren mindestens einige zehntausend Euro für Aufzucht und Training, mancher Deckhengst kostet ein Vielfaches, bezahlen ein Nenngeld von 7500 Euro, um überhaupt auf einer Liste der Pferde zu stehen, die theoretisch die Chance haben zu laufen, um sich dann auf der Rennbahn noch qualifizieren zu müssen. Das gelang im Jahr 2021 nur einem Sechstel der ursprünglichen Anwärter: Viele Pferde waren einfach nicht gut genug, die Ausländer sind coronabedingt gar nicht erst angereist, für manche kam das Rennen zu früh, andere haben sich verletzt, wie der Jahrgangsbeste Best of Lips, den man gerne in diesem Rennen gesehen hätte wie so viele andere: Alenquer, Martial Eagle, Wiesentau,Quebueno und viele, viele mehr.
Ein Handvoll darf sich freuen
Die Liste der Enttäuschten ist also lang und wird nach dem Derby noch länger. Dann bleibt nur noch eine Handvoll übrig, die sich freuen dürfen. Fünf Preisgelder werden vergeben. Aber es geht nicht nur ums Geld. Das Team von Alter Adler hatte sich viel vorgenommen, „der hat alles, was ein Pferd für das Derby braucht“, war zu hören. Und der Adlerflug-Sohn aus dem Quartier von Waldemar Hickst für den Stall Nizza unterwegs, sah mit Theo Bachelot im Sattel innen lange wie der sichere Sieger aus, bis Andrasch Starke außen auf Sisfahan den fünften Gang einlegte und auf den letzten der 2.400-Derbymeter noch vorbeirauschte. In seinem Fahrtwasser lag Imi mit Sibylle Vogt im Sattel, der die beste Platzierung einer Frau im Derby überhaupt gelang. Die Strafe wegen eines Peitschenschlags zu viel, trübt die Freude ein wenig, wird aber beim Blick in die Derby-Statistik auch schnell wieder vergessen sein. Mit der Programm-Nummer 19 aus der Startbox 20, also theoretisch mit den fast schlechtesten Voraussetzungen, hat die 26jährige gebürtige Schweizerin das Bestmögliche herausgeholt. Zufrieden dürfe so auch der Trainer Peter Schiergen, bei dem sie den 2. Ruf hat, sein. Denn geliefert hat er auch mit dem 4. Platz des nachgenannten Lord Charming (Bauyrzhan Murzabayev), auch wenn die Nachnennungsgebühr von 65.000 Euro nicht ganz eingaloppiert worden ist, aber Ziel war es ja auch den Wert des Pferdes für einen eventuellen Verkauf zu steigern. Das sollte in jedem Fall gelungen sein.
Auch der Besitzer Holger Renz, der mehr als einem halbes Dutzend Pferden die teure Nennung spendiert hatte und mit zweien davon schlussendlich einen Startplatz ergatterte, gehört zu der kleine Gruppe der Derby-Gewinner. Der schon benannte Imi lief in seinen Farben, aber auch Aff un Zo (Adrie de Vries) schnappte sich das fünfte und letzte Preisgeld.
„Krone richten und weitermachen“
Das Gestüt Höny-Hof, das farblich perfekt abgestimmt im Derby-Führring noch voller Hoffnung war, erwischte es besonders hart. Mit Sea of Sands, Sun of Gold und Sassoon drei aussichtsreiche Kandidaten im Rennen, darunter sogar das Pferd mit der Nummer 1 auf der Satteldecke, aber am Ende stand man mit leeren Händen da. „Es ist schon brutal“, gibt der Gestütsleiter Simon Minch zu, „aber so ist eben das Derby.“ Doch der gebürtige Ire zeigt sich als guter Verlierer, „ich gratuliere dem Team von Sisfahan zu diesem Erfolg, das war an diesem Tag das beste Pferd mit dem besten Jockey.“
Alle Pferde seien gesund aus dem Rennen gekommen und jetzt sei für sie erstmal Ruhe angesagt, bevor man mit Trainer Jean-Pierre Carvalho auf die Suche nach neuen Aufgaben für sie geht. Das Laufen von Sea of Sands wirft die meisten Fragezeichen auf, „das war kein Vergleich zu seinem Auftritt im Derby-Trial in Hoppegarten, vielleicht kam er mit dem großen Feld nicht klar.“ Bei Sassson stand vorher die Frage im Raum, ob er das Stehvermögen für die Derby-Distanz hat, „das können wir jetzt eindeutig mit ‚nein hat er nicht‘, beanworten“, so Minch. Sun of Gold habe es an Klasse gefehlt, der konnte nicht beschleunigen, ist aber ein Riesensteher, mit dem nun Ziele wie das Oleander-Rennen angedacht werden.
Nein, Wunden lecken, sei jetzt nicht angesagt, meint Minch, „der Job geht weiter und im nächsten Jahr gibt es vielleicht eine neue Chance“. Zwar hat Höny-Hof im 2019-er Jahrgang keinen Hengst, aber "vielleicht versuchen wir es mit Salve le Meer", blickt Simon Minch voraus, eine bildhübsche Le Havre-Tochter, auf die die Autorin dieses Beitrages auch schon ein Auge geworfen hat. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Eines habe auch die 152. Auflage um das Blaue Band habe wieder gezeigt, nämlich: "Wie schwer es ist, ein Derby zu gewinnen - es ist sauschwer!", bringt es Simon Minch auf den Punkt.