TurfTimes:
Ausgabe 331 vom Donnerstag, 28.08.2014
Die Sonne scheint vom morgendlichen Himmel einen warmen Sommertag versprechend, Vogelgezwitscher, ein laues Lüftchen, ansonsten ist nicht viel los an einem ganz normalen Mittwochmorgen in der Nähe von Bremen. Ausgenommen die fünf jungen Pferde, die seit einigen Minuten ihre Runden um die Wiese drehen. Jede Runde wechselt die Führung, das vordere Pferd schwenkt nach innen und reiht sich hinten wieder ein. Das Ganze geht dann circa zwanzig bis dreißig Minuten so, dann ist vorläufig Feierabend – zumindest für die Pferde. Auktionsvorbereitung im Gestüt Fährhof.
Christina Müller, Jährlingsmanagerin auf Fährhof, mit einer Jährlingsstute aus der Kahara. Foto: Karina StrübbeDas Ganze läuft sehr routiniert ab, seit Anfang Juli sind Christina Müller und ihr Team in Haberloh intensiv damit beschäftigt 19 Fährhofer Jungspunde für die BBAG-Jährlingsauktion vorzubereiten. Hinzu kommen noch vier weitere Hoffnungsträger für Tattersalls einige Wochen später. Die heiße Phase hat natürlich längst begonnen, wie Fährhofs Jährlingmanagerin beim Turf-Times-Besuch berichtet. „Das geht eigentlich schon im Juli los. Jetzt ist eigentlich jeden Tag irgendetwas. Sire Cam hat einen Tag lang Videos gedreht, dann wird noch zwei Tage lang geröntgt. Zwischendurch kommen Leute, die sich die Jährlinge ansehen. Dann haben wir begonnen, die Mähnen zu verziehen usw. Am Tag, bevor wir losfahren, müssen alle gewaschen werden, dann müssen Sachen gepackt werden usw.“
In diesem Jahr ist das Lot für Baden-Baden besonders groß. Dementsprechend stockt Christina Müller ihr Team um diese Jahreszeit auf. Einige Mitarbeiter kommen vom Hauptgestüt aus Sottrum für die Auktionsvorbereitung nach Haberloh, andere, wie etwa die ehemalige Fährhofer Auszubildende Stefanie Buchholz werden extra für die Arbeit rund um die heiße Phase verpflichtet. „Es kommen noch mehr Leute mit nach Baden-Baden, als die Vorbereitung mitmachen. Wenn ich in Baden-Baden bin, muss immer einer parat stehen, wenn ein Kunde kommt. In den letzten Jahren wird das immer mehr, dass wir unglaublich frequentiert werden.“
Feierabend für das zweite Hengstlot. Nach zwanzig bis dreißig Minuten geht's zurück gen Stall. Foto: Karina StrübbeAls eines der größten deutschen Vollblutgestüte ziehen die Fährhofer Jährlinge naturgemäß großes Interesse nationaler und internationaler Interessenten an. Umso wichtiger ist es Christina Müller, dass Personal und Jährlinge optimal vorbereitet sind. Jeden zweiten Tag werden die Jährlinge – nach Geschlechtern und Größe in händelbare Lots getrennt – geführt, am Folgetag geht es in die Führmaschine. Vereinzelt wird auch longiert, dass allerdings so wenig und so schonend wie möglich. „Ganz wichtig ist, dass die Pferde schreiten lernen. Den müssen sie auf der Auktion sofort zeigen und nicht erst rumhampeln. Man hat auf der Auktion drei Minuten Zeit, um einem Kunden das Pferd zu verkaufen. Der Kunde will einen tollen Schritt sehen. Wenn sich das Pferd in den drei Minuten nicht vernünftig präsentiert, macht der Kunde einen Strich durch und kauft einen anderen.“
Die künftige Auszubildende Sina Pulger führt einen Jährling durch den luftigen Stall. Foto: Karina StrübbeDen Tag verbringen die Jährlinge in großen, luftigen Boxen, die nach vorn geöffnet sind. Nachts geht es dann wieder hinaus auf die Koppel – so lange es geht im Herdenverband – wie Christina Müller betont. Bei den Stuten gehe das meist länger, die Hengste müssten dann bisweilen auf Einzelpaddocks, die jedoch Sichtkontakt zu den Alterskollegen bieten. Doch nur mit Führen ist die Arbeit dann doch noch nicht getan. Am Tag des Turf-Times-Besuchs wartete noch eine weitere Übung auf die jungen Pferde: über eine mit Gummi belegte Holzplatte laufen. Diese Aufgabe dient als Vorbereitung fürs Verladen. Die Holzplatte schreckt die Hengste jedoch wenig, sodass zügig das nächste Lot seine Marschübungen aufnimmt. Grundsätzlich: „Das Führen ist wichtig fürs Handling. Nur Führmaschine reicht nicht aus. Es ist wichtig, dass die Pferde viel sehen. Auf der Wiese etwa fliegt schon mal ein Vogel hoch. Nachher auf dem Auktionsgelänge ist ja auch immer Action. Das müssen die gelernt haben.“
Die jungen Stuten werden in die Führmaschine verfrachtet. Foto: Karina StrübbeNach der Frühstückspause sind die Stuten dran, für die an diesem Tag die Führmaschine auf dem Programm steht. Auch da zeigen sich die jungen Damen schon sehr routiniert. Gern aus den Augen lässt Christina Müller die Jährlinge dort jedoch nicht, nach dem Motto Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Zeit genug, Christina Müller zu fragen, nach welchen Kriterien sie selbst sich einen Jährling aussuchen würde. „Auf Grund des beschränkten Geldbeutels würde ich erst einmal nicht so sehr aufs Pedigree achten und vielleicht ein Pferd eines jungen Hengstes aussuchen, wo ich aber Mumm drauf habe. Auch wenn ich das Geld übrig hätte, würde ich nie für ein Pferd eine halbe Million ausgeben. Man kann nicht wissen, ob das überhaupt ein Rennpferd ist.“
Unerschrocken trotz der "Verladeübung": Die beiden Hengste mit Stefanie Buchholz und Pavel Pytlik am Zügel. Foto: Karina StrübbeChristina Müller selbst ist bereits seit zwölf Jahren beim Gestüt Fährhof. Ihre Ausbildung hat sie allerdings in Schlenderhan gemacht, dann folgte ein Jahr im Cheveley Park Stud, der Wechsel in den Norden und diverse Aufenthalte in Südafrika. Seit drei Jahren leitet sie als Jährlingsmanagerin die Zentrale Haberloh. Dort ist aber nicht nur im Sommer was los. Kurz nach den Auktionen treffen bereits die ersten Absetzer ein und dann kommen Ende des Jahres auch schon die ersten Stuten von auswärts, die in Haberloh abfohlen und dann einen der Deckhengste in Sottrum aufsuchen. „Von April bis Juli ist eine etwas ruhigere Phase, wo man aber auch im Gestüt mal was machen, Liegengebliebenes erledigen oder auch eventuell etwas bauen kann. Jetzt ist aber schon die stressigste Zeit.“
Neugierige Blicke. Stephen Eccles, Azubi Jan Willenbrock und Pavel Pytlik auf den Weg zum nächsten Pferd. Foto: Karina StrübbeObwohl Fährhof drei Standorte betreibt, die jeder einen eigenen Leiter haben, ist die Jährlingsauktion Teamsache. Das beginnt nicht erst im September in vor Ort in Baden, sondern bereits vorher. Schließlich müssen etwa Erwartungshorizonte abgestimmt werden. Wer könnte welchen Preis erzielen und ab welchem Betrag will man ein Pferd abgeben? „Wir setzen uns vorher zusammen und überlegen, was die einzelnen Pferde bringen könnten. Gerade bei den Stuten achten wir da drauf. Die Hengste gehen in der Regel für jedes Geld weg. Wir sind ein Verkaufsgestüt und wollen dem Kunden auch deutlich machen, dass wir verkaufen wollen.“ Und in Iffezheim geht die Arbeit weiter. Sowohl Pferde als auch potenzielle Käufer müssen betreut werden, da hilft jede zusätzliche Hand. „In Baden ist so viel los, dass man aufpassen muss, dass man nicht vergisst, einem Kunden alle So war's 2013, Stephen Eccles präsentiert einen Jährling. Foto: Karina Strübbegewünschten Pferde zu zeigen. Wir haben dort dann auch Leute, die nur Kunden betreuen und Kommandos geben, welche Pferde der Kunde noch sehen muss“ Und wenn es dann gelaufen ist, überwiegen Freude oder Trauer? „Die Freude überwiegt schon. Obwohl die Arbeit dann natürlich nicht beendet ist. Ein paar Jährlinge nehmen wir immer wieder mit, sei es, weil sie nicht verkauft wurden oder nochmal auf die Wiese sollen. Ein paar nicht versteigerte versucht man, im Nachhinein noch zu verkaufen. Dann muss man ja auch noch alles einpacken. Man freut sich aber auch schon auf die kleinen Absetzer, die dann kommen. Bei dem einen oder anderen ist man auch schon mal traurig, aber meistens landen sie ja irgendwo, wo man sie weiter verfolgen kann. Bei ein paar Pferden ist man aber auch froh, wenn sie weg sind.“ Aber erst einmal muss es überhaupt so weit kommen, darf sich nach Möglichkeit kein Jährling verletzen, muss alles Wichtige eingepackt und bedacht werden. Und dann muss am Ende das Individuum Pferd auch noch mitspielen. Schließlich ist bei aller professionellen Vorbereitung am Ende nicht gesagt, dass alles klappt.
Am kommenden Dienstag, 02. September 2014, ist es wieder soweit, die BBAG-Jährlingsauktion steht an. Foto: www,.galoppfoto.de - Frank SorgeBesonders wichtig ist Christina Müller ein Team, auf das sie sich verlassen kann und von dem sie Feedback bekommt. Die sprichwörtlichen vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei. Bei einem insgesamt über 40 Pferde fassenden Jahrgang hat immer einer irgendein Wehwehchen. Die jungen Pferde lernen in der kurzen Zeit so unglaublich viel. Das ist es vor allem, das so viel Freude an der Arbeit macht.“