Vorbereitungen Melbourne Cup I
In der Vergangenheit gab es schon viele große Auslandseinsätze - gerade in den Jahren 2001 und 2004 mit Silvano und Paolini - und obwohl immer noch genug zu organisieren blieb, wurden einem viele Dinge von den jeweiligen Jockey-Clubs abgenommen da es Einladungsrennen waren.
Beim "Vorhaben Melbourne Cup" aber liegt die komplette Organisation in den Händen des Trainers und auch wenn man im Vorfeld schon davon ausgehen konnte, dass es nicht ganz einfach werden wird, allen Anforderungen gerecht zu werden, sprengt die Realität, sprich die Bürokratie, alle Vorstellungen darüber. Dachte man z.B., dreimal vierzehn Seiten auszufüllen um eine Arbeitserlaubnis für den Trainer und die zwei Betreuer zu erhalten, wäre schon eine Zumutung, wusste man noch nichts über die Erfüllung aller Quarantäne-Vorschriften und deren schriftlicher Abhandlungen. Abgesehen davon, dass sämtliche Medikamente, Salben, Tinkturen etc. vorher genau mit dem Australischen Jockey-Club abgestimmt und erlaubt werden müssen, werden auch alle Futtermittel und sonstiges Equipment überprüft. Die strikteste Regel lautet - nach Beginn der Quarantänezeit am 11.09. um 11.00Uhr darf nichts mehr nachträglich auf das Gelände. Sollte man also vielleicht das Fieberthermometer oder den Hufkratzer vergessen oder zu wenig Futter eingepackt haben, hat man Pech und muss sich anderweitig behelfen. Sämtliches Reitzeug und die Arbeitskleidung der Betreuer werden vor Ort chemisch gereinigt und müssen dort belassen werden. Vor Betreten des Geländes, welches ringsherum eingezäunt ist, muss man sich umziehen und desinfizieren. In Formblättern ist nicht nur die Ankunftszeit und sein Status etc. anzugeben, man muss auch jedes Mal Auskunft darüber geben, wann und wo man das letzte Mal geduscht hat. Theoretisch müsste der Wasserverbrauch in Newmarket seit Beginn der Quarantäne sprunghaft angestiegen sein da erstaunlicherweise jeder Groom und jeder Trainer eine Stunde vor Betreten des Geländes unter der Dusche war - und das vormittags, wie auch am Nachmittag.
Die Quarantäne-Station befindet sich etwas außerhalb von Newmarket auf der Side Hill Farm und wird von Damien, einem australischen Mitarbeiter von IRT (International Racehorse Transport), geleitet. Im Moment befinden sich dort 19 Pferde, was für die doch recht kleine Anlage eigentlich schon zu viele sind und wahrscheinlich nur funktioniert da die meisten Pferde dort sehr abgeklärte Globetrotter und ihre Betreuer ebenfalls allesamt alte, erfahrene Hasen sind. Diese Gruppe wird dann am 25.09. gemeinsam in einer großen Cargo-Maschine Richtung Melbourne aufbrechen und sind dort für diverse Vorbereitungsrennen vorgesehen. Gleich danach treten die Pferde ihre Quarantäne-Zeit an, die nur später im Cup oder einem anderen Rennen zu dieser Zeit an den Start kommen.
Von Ravensberg sind, wie berichtet, letzten Mittwoch Protectionist, Nuntius und Terrubi nach Newmarket gebracht worden. Letzterer wurde schon von seinem neuen Trainer David Payne erwartet. Der gebürtige Südafrikaner konnte in seiner Karriere bereits über 100 Gr. I-Rennen gewinnen und ist seit vielen Jahren in Sydney beheimatet. David Payne hat Freitag schon wieder die Heimreise angetreten und um Terrubi kümmert sich sein Reiter Mark.
Ein übereifriger Zollbeamter in Calais verhinderte die Einreise von Jose Silverio und so musste kurzfristig Marketa Talar, die bereits ein paar längere Auslandsaufenthalte mit Pferden hinter sich hat, noch am Donnerstag mit der Abendmaschine von Hannover nach Stansted nehmen um Jose zu ersetzen und ihre Kollegin Lisa Krüllmann zu unterstützen.
Alle drei Protagonisten haben die Anreise gut wegsteckt und sind in sehr großen, komfortablen Boxen untergebracht. Die Trainingszeiten mussten auf den Nachmittag verlegt werden da die Perde nur in der Zeit von 16.00 bis 18.00Uhr auf die Bahn dürfen. Das Gelände ist riesig und die Bahn um einen sehr weitläufigen Hügel angelegt, so dass man sich als Trainer im Vorfeld überlegen muss, will ich die Pferde am Anfang oder am Ende der Runde sehen?
Während am Freitag erstmal nur leichtes Programm vorgesehen war, sollte samstags normal gecantert werden und dabei sorgte Protectionist unfreiwillig für eine Premiere.
Wie aus dem Nichts drehte der Hengst beim Schritt gehen weg, was Marketa noch artistisch aussaß aber bei einer weiteren Drehung fiel er über seine eigenen Füße und Marketa musste trotz heftiger Gegenwehr zu Boden. Dabei riss dann auch noch die Trense, Protectionist suchte in strammen Galopp das Weite und war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten schnell aus dem Blickfeld entschwunden. Natürlich wurde sofort der Trainer und die an dieser Stelle versammelten Leute wie Tierarzt etc. verständigt aber auch die brauchten eine ganze Weile bis sie den Hengst entdeckten. Dieser stand eine ganze Elle entfernt, nur durch Rails von einer sehr befahrenen Straße getrennt, und war am grasen. Das zufällig anwesende Auto vom Jockey-Club durfte den Trainer nicht dort hinbringen weil dadurch Quarantäne-Vorschriften verletzt worden wären und so mussten er und sein gerissener Innen-Meniskus den ganzen weiten Weg laufen um Protectionist einzufangen. Das ließ er zwar bereitwillig mit sich machen aber um ihn nach Hause zu führen musste erstmal aus den kläglichen Resten der Trense, einem vom Tierarzt gestellten Halfter und einem Strick ein entsprechendes Konstrukt gebastelt werden. Als alle wieder heile auf dem Gelände angekommen waren, erzählten die Mitarbeiter vor Ort, dass noch nie ein Quarantäne-Pferd lose gewesen wäre und die Aufregung, ob bei so einem ungewohnten Vorkommnis auch wirklich alle Auflagen erfüllt werden können, war groß.
Protectionist hat sein Abenteuer gut überstanden, Marketa verletzte sich leider an der Schulter, kann aber - hartgesotten wie sie ist - weiterhin in den Sattel steigen. Für die kommenden Tage ist normales Programm angesagt und bei der geplanten Arbeit vor dem Abflug wird sich der Trainer nochmal persönlich vom Zustand der Pferde überzeugen. In der Zwischenzeit füllt er die nächsten Formulare aus.