Submitted by Rennstallwoehler on 27. February 2021 - 23:10
Dr. Stihl – so hat ihn hier nie einer genannt, für uns war er immer „Der Dottore“ und der Gedanke, dass er wirklich nie mehr vorne durchs Tor gefahren kommt, können wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen. Seit 31 Jahren war er für uns der, der eigentlich gar kein Röntgengerät brauchte weil er fast selbst eines war, war er der, der in Sekundenschnelle die Probleme eines Pferdes erkennen konnte und eigentlich fast immer richtig lag. Mit ihm geht ein ganz unglaublicher Wissensschatz verloren denn auch nach so vielen Jahrzehnten des Praktizierens, hatte der Dottore immer noch Lust, noch mehr über Pferde und Therapieformen zu erfahren und ohne seine Bücher war er nie unterwegs und unterwegs war er ja eigentlich fast immer. Während andere noch im Tiefschlaf waren, studierte er schon die neuesten Erkenntnisse in Fachzeitschriften oder Literatur und konnte das einem auch fließend auf französisch, englisch oder italienisch vermitteln. Aber der Dottore war nicht nur unser Tierarzt, er war auch Besitzer und er konnte, obwohl meist guter Dinge, nach schlechten Resultaten erstaunlich grantig werden und der Trainer musste dann durchaus schon mal den Hörer etwas weiter vom Ohr nehmen. Mit seinen Pferden allerdings hatte er sehr viel Geduld und die brauchte er das ein oder andere Mal auf jeden Fall. Man könnte ja denken, dass er als Tierarzt besonders akribisch schaute bevor er ein Pferd kaufte aber es kam schon auch vor, dass Neuerwerbungen auf dem Hof vom Transporter stiegen, welche er vorher gar nicht gesehen hatte und sich anschließend auch als Pflegefälle erwiesen. Das nahm er dann seelenruhig zur Kenntnis und widmete sich mit großer Hingabe ihrer Heilung. Wie ihm überhaupt das Lebewesen Pferd sehr am Herzen lag und wenn er vom Büro geschimpft bekam weil er mal wieder einen Patienten behandelt hatte, dessen Besitzer sehr spät oder gar nicht seine Rechnungen beglich, meinte der Dottore immer nur:“Was kann denn das arme Pferde dafür?“
Die letzten zwei Jahre waren gesundheitlich kein Spaß für ihn aber auch wenn er dadurch natürlich mitunter schlechte Tage hatte, ans Aufgeben dachte er nicht und sogar am Tag seines Todes stand er noch mehrmals mit dem Trainer in Verbindung da wir auf die Ankunft eines Pferdes aus seiner eigenen Zucht in Frankreich warteten und der Dottore natürlich wissen wollte, wie sich Prairie Eagles in der Zwischenzeit gemacht hat. Die Fotos von ihm hat er leider gar nicht mehr gesehen.
Wir wissen, dass die Person Dr. Hans-Georg Stihl in manchen Kreisen nicht ganz unumstritten war aber das ist uns schlicht gesagt, wurscht. Er war einer der besten Tierärzte, mit denen wir gearbeitet haben, er liebte die Pferde und seine Arbeit und für den Trainer wurde er in all den Jahren schon fast ein väterlicher Freund. Sein Tod ist ein wirklich großer Verlust!