Offener Brief in Sachen Glücksspielstaatsvertrag
Autor:
Rolf Ostmann und Dr. Jan Kleeberg haben uns diesen Offenen Brief an Albrecht Woeste zugesandt, der sich mit der aktuellen Diskussion zum Glücksspielstaats-Vertrag befasst. Nachfolgend veröffentlichen wir diesen Brief im Wortlaut.
Als lebenslange Galoppsportanhänger haben wir es sehr begrüßt, dass der Galopprennsport mit Ihnen eine Persönlichkeit mit untadeligem Ruf und großem Engagement als Präsidenten gewinnen konnte. Umso erschütterter sind wir über die offizielle Position des Galopprennsports in Sachen Glücksspielstaatsvertrag. Das RWLG war vom Gesetzgeber ursprünglich als fairer Interessenausgleich zwischen Buchmachern und Totalisator konzipiert. Als Ausgleich für die Belastung mit den Kosten der Leistungsprüfungen wurde den Rennvereinen eine Steuererstattung gewährt.
Erst mit dem Aufkommen der steuerumgehenden Wettvermittlung in das Ausland veränderte sich das Gleichgewicht einseitig zu Lasten des Rennsports mit den bekannten Folgen: einem unaufhaltsamen Niedergang des Sports. Abzulesen ist dies bei den Rennveranstaltern anhand wesentlicher Parameter wie bspw. Totalisator-Wettumsatz pro Rennen, Ertrag aus der Wette pro Rennen, aber auch am Verhältnis Rennpreise je Starter zu Unterhaltskosten sowie Anzahl sowohl der Rennen als auch der Pferde. Als erstes großes Opfer dieser Entwicklung kann sicher die ehemals bedeutende Rennbahn Gelsenkirchen-Horst gesehen werden. Ein ähnliches Zeugnis legen die zahlreichen Insolvenzen bspw. der Rennvereine Baden-Baden, Frankfurt, Hannover, Hoppegarten, Krefeld ab. Aber auch der dramatische Einbruch an Rennveranstaltungen fast aller Rennvereine spricht eine deutliche Sprache, wie bspw. Köln, Mülheim….
Die Buchmacher hätten stets die Gelegenheit gehabt - im Sinne eines Bauern, der die Kuh, die er melken will, nicht schlachtet - verantwortungsvoll mit dem sich selbst verschafften Wettbewerbsvorteil umzugehen. Dies ist nicht geschehen. Stattdessen haben sie jegliche sich bietenden Schlupflöcher genutzt, Firmen in Steueroasen verlagert und den Rennsport ohne Skrupel sukzessive und sehenden Auges ausbluten lassen. Eine Farce ist insbesondere der Verweis auf positive Effekte durch Wettvermittlung von Buchmachern in den Totalisator. Schätzungen zufolge gehen deutlich mehr als die Hälfte der Wettumsätze am Totalisator vorbei. Dem Rennsport bleiben nur Brotkrumen, von den Buchmachern notgedrungen hingeworfen, weil einzelne Kunden darauf bestehen, eine Totowette abzugeben.
Der Rennsport musste in höchster Bedrängnis verzweifelt zu Notwehraktionen greifen, eine davon war die Beteiligung an diversen Buchmacheraktivitäten. Diese Beteiligungen hatten nur den einen Sinn, sich gegen das Ungleichgewicht der Kräfte und den drohenden Exitus des Sports zur Wehr zu setzen. Sie waren nie Selbstzweck und sollten dies auch heute nicht werden. Wenn sich nun heute im Zuge der Neufassung des Glücksspielstaatsvertrages die vielleicht allerletzte Chance bietet, den im RWLG vorgesehenen fairen Interessenausgleich zwischen Buchmachern und Totalisator endlich wieder herzustellen, dann sollte der Rennsport alles, aber auch wirklich alles in seiner Macht Stehende tun, diese Chance entschlossen zu nutzen.
Mit Fassungslosigkeit und wachsender Empörung müssen wir nun tatenlos zusehen, wie der Rennsport sich unter Ihrer Führung, Herr Woeste, von den Buchmachern instrumentalisieren lässt und als deren Beschützer auftritt. Der Rennsport torpediert nun genau die für ihn selbst und die mit ihm verbundenen Aktiven so lebenswichtige Wiederherstellung eines fairen Gleichge-wichts zwischen Buchmachern und Totalisator! Die offizielle Begründung für dieses aus unserer Sicht skandalöse und verantwortungslose Verhalten, eine Wiederherstellung des Gleichgewichts würde die Gefahr bergen, die Steuererstat-tung einzubüßen, kann bei näherem Hinsehen nicht überzeugen. Das Schreiben zweier Staatssekretäre an Herrn Robra, das immer wieder als Beleg dafür herhalten muss, welche Risiken mit der Herstellung des Gleichgewichts verbunden seien, eignet sich genau dafür nicht. Es steht lediglich darin, dass es Risiken gibt, wenn man es falsch macht. Es steht aber nichts darüber darin, ob man es auch anders lösen könnte und ob es dann noch die behaupteten Risiken gäbe.
Wir sind der festen Überzeugung, dass man das Gleichgewicht zwischen Buchmachern und Totalisator im Rahmen eines neuen Glücksspielstaatsvertrages wieder herstellen kann, ohne die Steuererstattung zu gefährden. Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass sich die Verantwortlichen beider Rennsportfraktionen an einen Tisch setzen, eine gemeinsame Linie abstimmen und diese dann zusammen gegenüber Politik und Öffentlichkeit ver-treten. Es ist schon unwahrscheinlich genug, dass ein gemeinsam auftretender Rennsport in der Politik Gehör finden wird. Ein Ding der Unmöglichkeit ist dies aber, wenn die Fraktionen zerstritten sind.
Die inoffizielle Begründung für das aus unserer Sicht unsägliche Verhalten des Galopprennsports, man müsse den Wert der Kommanditanteile schützen, kann ebenso wenig überzeugen wie die offizielle. Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht einer der 397 Kommanditisten seine Beteiligung aus anderen Motiven, als zur Rettung des Rennsports beizutragen, eingegangen ist. Alle 397 Kommanditisten sind erwachsene Menschen, denen sowohl die Risiken einer solchen unternehmerischen Beteiligung als auch die von vornherein nur äußerst vagen Erfolgschancen im Hinblick auf eine Gesundung des Rennsports sehr wohl bewusst waren.
Sehr geehrter Herr Woeste, es ist noch nicht zu spät für einen Kurswechsel. Herr Woeste, lassen Sie nicht länger zu, dass
- Sie persönlich vor den Karren der Buchmacher gespannt werden,
- in Ihrem Namen Sachverhalte und Zusammenhänge bewusst falsch dargestellt werden,
- in Ihrem Namen aufrichtige Rennsportfreunde in unerträglicher Weise öffentlich und persönlich diffamiert werden.
Herr Woeste, ergreifen Sie jetzt die sich für den Galopprenn-sport bietende einmalige Chance und
- setzten Sie sich konstruktiv mit den Argumenten des HVT und von Herrn Dr. Reinhard Göhner auseinander,
- erwirken Sie eine Allianz mit dem HVT,
- suchen Sie fachlichen Rat bei Personen, deren Interessenlage nicht von einer Beteiligung an Buchmacheraktivitäten beeinflusst ist.
Sehr geehrter Herr Woeste, wir wünschen uns, dass kommende Rennsportgenerationen sich an Sie erinnern als Retter des Galopprennsports, als den Mann, der dafür gesorgt hat, dass nach jahrelanger Agonie wieder ein fairer Wettbewerb zwischen Buchmachern und Totalisator entstehen konnte. Wir wünschen uns nicht, dass man sich an Sie erinnert als den Mann, der als Lichas dafür gesorgt hat, dass der Galoppsport in Deutschland auf ewig ein Schattendasein fristen muss.
Sehr geehrter Herr Woeste, die Buchmacher verdienen Ihren Einsatz für ihre Sache nicht. Die Buchmacher haben jahrelang als Trittbrettfahrer einer Wettbewerbsverzerrung sehr gut auf Kos-ten des Sports gelebt. Wenn sie in Zukunft wieder die ihnen vom RWLG zugewiesene Rolle einnehmen müssten, wäre das mehr als gerecht und voll im Sinne des Sports. Umso mehr verdienen die Züchter und Besitzer von Rennpferden, die Jockeys, Trainer und Stallangestellten sowie die weiteren dem Sport auf verschiedene Weise verbundenen Menschen Ihren Einsatz.
Die Entscheidung, sehr geehrter Herr Woeste liegt jetzt bei Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Ostmann Dr. Jan Kleeberg