Drucken Redaktion Startseite

Champion Adrie de Vries im Porträt: "Ein Sieg im Deutschen Derby steht noch aus."

Entspannung muss auch mal sein. Adrie de Vries allein in der Startmaschine. www.galoppfoto.de - Frank Sorge

Autor: 

Karina Strübbe

TurfTimes: 

Ausgabe 347 vom Donnerstag, 11.12.2014

Sonntag in der Hong Kong Vase dabei: Empoli und Adrie de Vries, hier im Preis von Europa.  www.galoppfoto.de - Sandra ScherningSonntag in der Hong Kong Vase dabei: Empoli und Adrie de Vries, hier im Preis von Europa. www.galoppfoto.de - Sandra ScherningTemperaturen zwischen 25 und 30 Grad und meistens scheint die Sonne. In Deutschland ist der Himmel dagegen öfter grau statt blau anzutreffen und auch das Thermometer weist mehr und mehr Schwierigkeiten, die Fünf-Grad-Marke zu durchbrechen, auf. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Winter naht und die rennsportliche Saure-Gurken-Zeit hereinbricht. Umso lieber richtet der ein oder andere Turffreund seinen Blick in die Ferne, sprich in wärmere Gefilde. Die Saison in Dubai etwa nimmt gerade Fahrt auf. Mitten drin ist seit einigen Wochen Adrie de Vries, der Anfang November als designierter Championjockey die Sachen gepackt und sich auf den Weg in den warmen Süden gemacht hat. Mit Urlaub hat der Aufenthalt wenig zu tun, überhaupt kann sich Adrie de Vries nur an einen Urlaub in letzter Zeit erinnern. Das war 2013, zählt aber eigentlich auch nicht richtig, denn Adrie de Vries war verletzt, hatte sich im Training das Bein gebrochen. Da war dann mal Zeit für Südfrankreich. Ist er gesund, sitzt er im Rennsattel. Von Frühling bis Herbst in Deutschland, in den Wintermonaten war bis vor einiger Zeit stets Katar das Ziel, momentan ist es Dubai.

2014 für Peter Schiergen im Einsatz. Am Ende steht das erste (deutsche) Championat.  www.galoppfoto.de - Frank Sorge2014 für Peter Schiergen im Einsatz. Am Ende steht das erste (deutsche) Championat. www.galoppfoto.de - Frank SorgeImmer in Bewegung lautet das Motto, Zeit zum Verschnaufen bleibt kaum. 2014 war ohne Zweifel das erfolgreichste Jahr in den Laufbahn von Adrie de Vries. Mit 99 Siegen verabschiedete er sich am 1. November nach Dubai, uneinholbar in der Jockeystatistik. Dass es so ein gutes Jahr werden würde, hätten Ende Mail wohl die wenigsten erwartet. Adrie de Vries trennte sich von Schlenderhan. Seit 2009 war er für das Traditionsgestüt als Privatjockey tätig gewesen. Umso bedeutsamer ist das Championat: „Das ist eine Riesensache. Es ist schon schön, wenn man einmal im Leben Champion wird. Ich war es dreizehn Mal in Holland, aber als Holländer das Championat in Deutschland zu holen, ist natürlich eine tolle Sache. Es war eine tolle Saison, auch gerade mit dem Stall von Peter Schiergen im Rücken. Ich habe dort mit viel Spaß gearbeitet und viele Chancen bekommen.“

Gastspiel im fernen Osten. Adrie und Lorna de Vries in Tokio anlässlich des Jockeywettbewerbs. Foto: FacebookGastspiel im fernen Osten. Adrie und Lorna de Vries in Tokio anlässlich des Jockeywettbewerbs. Foto: FacebookDie gute Saison bescherte Adrie de Vries unter anderem seinen ersten Auftritt in Japan, wo er vor zwei Wochen am alljährlich dort stattfindenden Jockeywettbewerb teilnehmen durfte. Für ihn eine ganz besondere Erfahrung – Japan hinterließ einen nachhaltigen Eindruck: „So eine Stimmung wie beim Japan Cup habe ich noch nie erlebt. Ich würde gern nochmal zurückkehren. Dort auch mal länger zu reiten ist auf jeden Fall auch eine Option. Ich habe jetzt hier in Dubai meinen Kontrakt, aber für nächste Saison werde ich sicher versuchen, ein paar Monate in Japan zu reiten.“ Für Adrie de Vries steht am Sonntag noch ein zweites „Debüt“ an, der erste Ritt in Hongkong. In der Hong Kong Vase wird er am Sonntag erneut in Empolis Sattel sitzen. Die Chancen stehen gut. „Ich glaube, dass das Pferd eine sehr gute Chance hat, wenn er die Form aus dem Dubai Sheema Classic zeigt. Dort ist er gegen Weltklassepferde gelaufen. Wenn er das wiederholt, ist er sicher mit Platzchancen unterwegs. Auch die letzte Form aus Köln, wo er nicht einmal so glücklich war, ist gut. Er hat eigentlich leicht gewonnen, ich habe schon Mumm auf ihn.“Gruppenfoto bei der Eröffnungszeremonie in Japan.  www.galoppfoto.de - Yasuo ItoGruppenfoto bei der Eröffnungszeremonie in Japan. www.galoppfoto.de - Yasuo Ito

Nach dem Trip nach Hongkong geht es zurück nach Dubai. Dort bekommt Adrie de Vries regelmäßig Besuch von seiner Familie. Selbstverständlich wird Weihnachten gemeinsam gefeiert. Ob es denn auch einen Weihnachtsbaum gebe, wollen wir im Interview von Adrie de Vries wissen. Dank dürftiger Telefonverbindung braucht es ein paar Anläufe, bis die Frage in verständlicher Form durch den Äther gerauscht ist. Adrie de Vries lacht, klar gebe es einen Weihnachtsbaum: „Den kaufe ich bei Carrefour, so ein Kitschding.“ Aber besser als keiner.

Gefragter Mann, Adrie de Vries siegt u.a. für Andreas Bolte in Grupperennen, hier: Ever Strong.  www.galoppfoto.de - Frank SorgeGefragter Mann, Adrie de Vries siegt u.a. für Andreas Bolte in Grupperennen, hier: Ever Strong. www.galoppfoto.de - Frank SorgeIm nächsten Jahr wird Adrie de Vries vorerst keine feste Position als Stalljockey bekleiden, sondern als Freelancer in die Saison starten. Bei mehreren größeren Ställen ohne feste Jockeys ist Adrie de Vries zuversichtlich, auch in Bezug auf die Frage, ob sich eine solch erfolgreiche Saison wie die gerade ablaufende wiederholen lasse: „Das ist natürlich schwer. Man darf nicht vergessen, dass Andrasch Starke den Großteil der Saison nicht dabei war. Ich glaube, aber, dass ich mir als Freelancer gute Ritte aussuchen kann.“

Platz zwei u.a. mit Antek, war das bisher beste Ergebnis für Adrie de Vries im Deutschen Derby. www.galoppfoto.de - Sabine BrosePlatz zwei u.a. mit Antek, war das bisher beste Ergebnis für Adrie de Vries im Deutschen Derby. www.galoppfoto.de - Sabine BroseMaximal fünf Jahre will Adrie de Vries noch reiten, bevor er die Jockeystiefel irgendwann an den Nagel hängt. Fest im Visier ist anschließend die angepeilte zweite Karriere als Trainer. „Ich kann mir gut vorstellen, mal zu trainieren. Pferde zu trainieren, hat mich schon immer interessiert. Das würde ich gern machen.“ Doch bevor es soweit ist, gilt es noch, Ziele im Rennsattel zu erreichen. Ein Sieg im Deutschen Derby etwa – das holländische Pendant hat er bereits fünfmal gewonnen – steht noch aus. Zwei zweite Plätze (2007 mit Antek, 2008 mit Ostland) stehen bisher als Topergebnisse zu Buche. Vielleicht ist es ja 2015 so weit. Bis dahin ist das Quecksilber bestimmt  auch um ein paar Grade gestiegen.

Das Interview mit Adrie de Vries
Geboren:27.07.1969
Jockey seit:Beginn der Ausbildung 1985
Anzahl Siege

„Circa 1750. Ich zähle nicht so ganz genau.“ (Stand: Dezember 2014)

Was war der erste Sieg?

„Das war ein Steherrennen über 3300m in Holland, ein größeres Rennen. Das Pferd hieß Go Go. Ich war damals 15 Jahre alt. Das war also 1985. Es war mein sechster oder siebter Ritt überhaupt.“

Was sind Ihre größten Erfolge?

Zu den größten Erfolgen zählt Adrie de Vries den Sieg mit Getaway im GP von Baden.  www.galoppfoto.de - Frank SorgeZu den größten Erfolgen zählt Adrie de Vries den Sieg mit Getaway im GP von Baden. www.galoppfoto.de - Frank SorgeGyreka für Hans-Albert Blume in den italienischen Oaks war ein Riesenerfolg. Das war mein erster Gruppe I-Sieg. Gruppe I-Siege sind natürlich immer die wichtigsten. Getaway im Großen Preis von Baden und jetzt Empoli in Köln gehören natürlich auch dazu.

Warum sind Sie Jockey geworden?

„Mein Vater war Rennpferdebesitzer. Ich habe immer Spaß an Pferden gehabt, habe als Achtjähriger oder sogar noch früher angefangen auf Ponys zu reiten. Wir haben zu Hause einen Hof gehabt. So ging es Schritt für Schritt immer weiter. Als zwölfjähriger Junge bin ich zum Trainer Mets Snackers gekommen. Mir hat das Reiten riesigen Spaß gemacht und so habe ich nie etwas anderes gewollt.“

Wann kamen Sie nach Deutschland?

„Circa 1989 habe ich bei Jan Pubben angefangen, bin da sehr erfolgreich in Holland geritten. Als es dann dort immer weniger Renntage gab, ist er häufiger mit seinen Pferden nach Deutschland gekommen, das war Anfang der 1990er. Richtig in Deutschland angefangen habe ich dann später bei Andreas Trybuhl. Das war um 2005. Dort war ich etwa drei Jahre. Die Station danach war dann schon Schlenderhan.“

Sie waren lange eher zweite Reihe – was war der Durchbruch?

„Das hat natürlich ein paar Jahre gedauert, bis ich in Deutschland oben angekommen bin. Die Zeit bei Andreas Trybuhl hat sehr geholfen. So bekam ich immer mehr Ritte auch von deutschen Trainern, konnte auch in Grupperennen reiten und so bin ich dann schließlich auch zu Schlenderhan gekommen. Dort ging es richtig los, eine Riesenchance für mich.“

Wo sind Sie nächstes Jahr?

„Ich habe bisher geplant, nächstes Jahr als Freelancer zu reiten. Ich habe mich für keinen Stall festgelegt.“

Sie sind zum ersten Mal in Japan geritten. Wie war es?

Adrie de Vries in Japan. Hier sitzt er auf der Yoshida-Stute Spitze.  www.galoppfoto.de - Yasuo ItoAdrie de Vries in Japan. Hier sitzt er auf der Yoshida-Stute Spitze. www.galoppfoto.de - Yasuo Ito„Riesig. Es ist ein großes Pferdeland, eine Riesenpferdekultur. Der Japan Cup war Wahnsinn, alles sehr professionell und auch sehr nette Leute. Es war für mich eine ganze tolle Erfahrung.“

Warum tun Sie sich das jeden Winter an, Sie könnten ja auch mal Urlaub machen.

„Für mich ist es wichtig, dass es weitergeht. In Deutschland ist im Winter ja auch kein Sport auf dem höchsten Niveau. Dubai oder Katar sind dann eine Herausforderung. Vier Monate Urlaub zu machen ist dann auch keine Option, man muss ja auch das Gewicht halten und in Schwung bleiben.“

Wie funktioniert das Familienleben, wenn Sie in Dubai sind?

„Sie besuchen mich so oft wie möglich. In zwei Wochen kommen sie für drei Wochen her. Zwischendurch fliege ich auch mal nach Hause und meine Frau kommt etwas häufiger. Meine Kinder sind ja nun auch schon etwas größer, da geht sowas leichter. Wir besuchen einander regelmäßig. In Katar haben wir es damals so gemacht, dass die ganze Familie dabei war. Jetzt ist das mit der Schule nicht mehr so einfach. Aber in den Ferien sind sie immer hier bei mir.“

Was macht den Reiz Ihres Berufs aus?

„Es ist nie langweilig. Rennen reiten ist immer anders, man lernt stets dazu. Es macht immer Spaß mit Lebewesen zu arbeiten. Pferde sind keine Maschinen, wo alles immer das gleiche ist. Für mich ist es ein Lebenstraum. Ich bin froh, dass ich in diese Richtung gegangen bin.“

Welches ist das beste Pferd, das Sie geritten sind?

Ivanhowe, auch vom Charakter her.“

Haben Sie ein Lieblingspferd?

Ein besonders erfolgreiches Team: Adrie de Vries herzt Lucky Strike.  www.galoppfoto.de - Frank SorgeEin besonders erfolgreiches Team: Adrie de Vries herzt Lucky Strike. www.galoppfoto.de - Frank Sorge„Das war vielleicht Lucky Strike, dem ich viel zu verdanken habe. Allein acht Gruppesiege waren darunter.“

Welche ist Ihre Lieblingsbahn und warum?

In Deutschland München, eine ganz tolle Bahn. Sowohl was die Linienführung als auch was die Grasnarbe angeht, ist das die beste Bahn in Deutschland. Ansonsten ist die Grasbahn in Meydan meine Lieblingsbahn, aber die wird leider nicht so oft benutzt. Das ist wohl auch die beste Grasbahn, auf der ich je geritten bin.“

Haben Sie Hobbys?

Mit dem Familienpferd erfolgreich: Oquawka gewinnt 2013 in Baden-Baden.  www.galoppfoto.de - Sarah BauerMit dem Familienpferd erfolgreich: Oquawka gewinnt 2013 in Baden-Baden. www.galoppfoto.de - Sarah Bauer„Eigentlich bin ich immer mit Pferden beschäftigt. Wenn ich nicht reite, schaue im am Computer nach Ergebnissen, schaue auch Rennen in Frankreich und England. Die Pferde sind mein größtes Hobby. Meine Frau besitzt ein paar Pferde, um die wir uns dann auch noch kümmern.“

Wie lange wollen Sie noch reiten? So lang wie es geht?

„Nein, nicht so lang wie es geht. Ich habe geplant, noch zwei, drei Jahre zu reiten. Es macht Riesenspaß und große Gewichtsprobleme habe ich nicht. Gesundheitlich ist auch alles noch gut. Ich will noch ein paar Jahre reiten, wie lange genau, weiß ich nicht. Aber länger als fünf Jahre will ich wohl nicht mehr reiten. So wie es jetzt läuft, kann ich es noch ein paar Jahre aushalten.“

Verwandte Artikel: