TurfTimes:
Ausgabe 283 vom Donnerstag, 19.09.2013
Ein Jahr nach der 50. Jubiläumsauflage des Preises von Europa (Gruppe I, 2400m, 155.000€) präsentiert sich der Saisonhöhepunkt des Kölner Turf-Jahres am Sonntag im Weidenpescher Park in einer Form, die man sich im vergangenen Jubiläumsjahr gewünscht hätte. War es 2012 eine rein nationale Angelegenheit, die den Renntitel der in seiner besseren Zeit tatsächlich höchst international ausgerichteten Gruppe-Prüfung konterkarierte, so kommt es in diesem Jahr immerhin zu einem tschechisch-deutschen-Vergleichskampf mit zwei aus dem östlichen Nachbarland anreisenden Gästen, die das heimische Starter-Sextett auf die Probe stellen.
Der bis zum Ende des Winters noch in Frankreich stationierte Méandre, der bereits im Vorjahr noch unter der Ägide von Andre Fabre in Hoppegarten mit Großen Preis von Berlin ein deutsches Gruppe I-Rennen an seine Fahnen heften konnte, nachdem er dreijährig schon in seiner damaligen französischen Heimat mit dem Grand Prix de Paris auf dieser Ebene erfolgreich war, entwickelt sich nach Besitz- und Quartierwechsel in diesem Jahr zum Dauergast in deutschen Gruppe-Rennen der höchsten Kategorie. Der Schützling von Arslangirey Shavuev, der den Slickly-Sohn für den umstrittenen tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrov im tschechischen Most vorbereitet, hat zwar augenscheinlich nicht mehr ganz die Klasse seiner Jugend zur Hand, doch ein 3. Rang im diesjährigen Großen Preis von Berlin gefolgt von einem weiteren 3. Platz im Großen Preis von Baden vor drei Wochen dokumentieren, dass er auch als Fünfjähriger Endkampfchancen in deutschen Gruppe I-Rennen hat. Erstmals hat 58jährige aus dem russischen Kaukasus stammende Shavuev für den am Mittwoch nachgenannten Meandre mit Adrie de Vries einen in Deutschland aktiven Jockey als Jockey verpflichtet. Für den seit Jahren zur deutschen Spitze der „Sattelkünstler“ zählenden Holländer, im Vorjahr noch Zweiter auf Feuerblitz, wäre ein Sieg mit Meandre nach einigen Platzierungen in der Vergangenheit der erste Erfolg im Europa-Preis.
Meandres tschechischer Landsmann Donn Halling (Umberto Rispoli) dürfte ihn bei allem Respekt vor den Leistungen des im Vorjahr zum italienischen St. Leger-Sieger aufgestiegenen 5jährigen Wallachs kaum daran hindern. Der von Vaclav Luca trainierte Halling-Sohn übernimmt im achtköpfigen Starterfeld am Sonntag mit einiger Sicherheit die Rolle des längsten Außenseiters.
Dass es letztlich „nur“ die beiden Tschechen sind, die für die Internationalität des Europa-Preises sorgen, war die etwas überraschende Erkenntnis am Tag der Starterangabe, als der zuvor bereits mit Silvestre de Sousa als Jockey angegebene Godolphin-Vertreter Lost in the Moment doch wieder aus dem Aufgebot gestrichen wurde. Angesichts der Dotierung und Bedeutung eines deutschen Gruppe I-Rennens darf man sich allerdings nicht allzu sehr wundern, wenn profilierte Gäste aus dem westlichen Teilen Europas das Kölner Rennen meiden.
Die Rolle des Bannerträgers im deutschen Sextett ist nicht fest zementiert, mindestens zwei Kandidaten kommen für die Rolle des nach Vorleistungen stärksten deutschen Vertreters in die engere Wahl. Zum einen ist dies Gestüt Karlshofs Seismos (Andrea Atzeni), der seinen überraschenden Gruppe I-Erfolg im Großen Preis von Bayern Mitte August beim anschließenden Start im Großen Preis von Baden als Zweiter zu Novellist und vor Meandre bestätigte. Der von Andreas Wöhler in Gütersloh trainierte 5jährige Dalakhani-Sohn präsentiert sich im zweiten Teil der laufenden Saison wie verwandelt und rechnet aktuell zur schmalen heimischen Top-Stehergarnitur nach Novellist. Vor zwei Jahren ging er bereits einmal im Preis von Europa an den Start, beendete dieses Rennen jedoch abgeschlagen als Letzter. Am Sonntag ist ihm ein weit besseres Abschneiden zuzutrauen.
Im selben Europa-Preis vor zwei Jahren auf dem 3. Rang endete der zweite heiße Kandidat für die Rolle des deutschen Hoffnungsträgers. Der ebenfalls von Andreas Wöhler trainierte Earl Of Tinsdal (Eduardo Pedroza) kündigte sich zuletzt mit seinem 2. Platz auf eigentlich zu kurzer Distanz in einem stark besetzten Gruppe III-Rennen in Baden-Baden wieder an, nachdem der 5jährige Black Sam Bellamy-Sohn im ersten Teil der Saison die Umstellung auf die extremen Steherdistanzen nicht so gut bewältigt hatte wie erhofft. Auf der Kölner Rennbahn avancierte der Hengst vor zwei Jahren bereits zum Gruppe I-Sieger, allerdings im Rheinland-Pokal. Sein dritter Start im Europa-Preis, nach dem 3. Platz bei seiner ersten Teilnahme 2011 folgte im Vorjahr ein 5. Rang, soll am Sonntag auch den dritten Gruppe I-Erfolg in der Karriere des einstigen Derby-Zweiten erbringen.
Dass sich im Aufgebot von Andreas Wöhler, der neben Seismos und Earl of Tinsdal auch noch den 3jährigen See The Rock (Jozef Bojko) satteln wird, Stalljockey Eduardo Pedroza in den Sattel von Earl of Tinsdal schwingen wird, sollte nicht zu hoch bewertet werden. Zu Seismos hatte Pedroza offensichtlich nie ein sonderliches Verhältnis, nur ein einziges Mal ritt er ihn vor zwei Jahren, während die Partnerschaft des ehemaligen Championjockeys mit Earl of Tinsdal bereits alle Höhen und Tiefen durchlaufen hat. Der Europa-Preis markiert den zehnten gemeinsamen Start dieses Teams.
Neben dem schon erwähnten See The Rock, der nach dem Erfolg in einem Auktionsrennen in Baden-Baden diesmal einen gewaltigen Sprung zu bewältigen hat, vertreten auch noch Gestüt Ebbeslohs Empoli (Andrasch Starke) und der von Jens Hirschberger vorbereitete Vif Monsieur (Koen Clijmans) den Derby-Jahrgang in Köln. Bei Empoli aus dem Quartier von Peter Schiergen gibt es zwar das Vorbild des im letzten Jahr erfolgreichen Ebbeslohers Girolamo, der als von Andrasch Starke gerittener Dreijähriger aus dem selben Quartier hier zum Zuge kam, doch muss der Union-Zweite sich schon deutlich steigern, um diesem Vorbild nacheifern zu können. Bei seinen letzten beiden Starts nach dem enttäuschenden Derby-Auftritt musste er Seismos jeweils klar vor sich dulden. Bei Vif Monsieur, im Frühjahr bereits überraschend als Gruppe III-Sieger ausgezeichnet, scheint das einzig Konstante seine Wechselhaftigkeit zu sein. Der Doyen-Sohn lässt sich nur schwer einschätzen.
Diese Eigenschaft teilt er mit der einzigen Stute im Feld, der von Markus Klug für das Gestüt Görlsdorf trainierten Berlin Berlin (Andreas Helfenbein). Nach dem Sensationserfolg der 4jährigen Dubai Destination-Tochter im Hansa-Preis versagte sie anschließend auf Listenebene in Hannover. In Köln muss die Görlsdorferin, über die im Zusammenhang mit einer zunächst als positiv bewerteten Dopingprobe nach dem Hansa-Preis bereits viel diskutiert wurde, durch eine ansprechende Leistung auf dem Rasen der Rennbahn demonstrieren, dass ihr Triumph im Hansa-Preis keine Eintagesfliege war.