Was wäre, wenn? Was wäre gewesen, wenn Danedream im Prix de l'Arc de Triomphe gelaufen wäre? Mit einer guten Startnummer hätte sie, in der Verfassung, in der sie im Moment ist, bei durchaus passenden Bodenverhältnissen, eine tragende Rolle gespielt, da sind wir uns doch ziemlich sicher. Sie ist aber nun aus bekannten Gründen daheim geblieben, doch eine vier Jahre alte Stute hat das wichtigste Pferderennen der Welt denn doch gewonnen. Solemia, eine krasse Außenseiterin aus dem Besitz der Wertheimer-Brüder, sorgte nach einem schon bizarr zu nennenden Rennverlauf für eine große Überraschung. Schon überlaufen von dem Favoriten Orfevre bekam sie auf den letzten 100 Metern noch einmal den zweiten Wind und raufte sich unter den effektiven Hilfen von Olivier Peslier noch an dem Hengst aus Japan vorbei. Ausgerechnet Peslier, ein häufiger Gast im Fernen Osten, dort hoch angesehen, machte den Traum der Japaner vom ersten Sieg im "Arc" zunichte und in seinen Kommentaren nach dem Rennen entschuldigte sich der Reiter fast schon für seinen Sieg.
Das Profil von Solemia war bisher das einer sehr guten, aber keineswegs überragenden Stute. Zweijährig legte sie ihre Maidenschaft beim zweiten Start in einem 1800-m-Rennen in Maisons-Laffitte ab. Dreijährig startete sie mit Platzierungen auf Listenebene, gewann dann beim vierten Start ein 2400-m-Rennen dieser Kategorie in Saint-Cloud, schloss die Saison mit Rang zwei im Prix de Conseil de Paris (Gr. II) ab. In diesem Jahr gewann sie im Mai in Saint-Cloud den Prix Corrida (Gr. II), immerhin gegen so gute Stuten wie Shareta (Sinndar) und Siyouma (Medicean). Im Prix de Pomone und zuletzt im Prix Vermeille gab es dann aber nur Platzierungen, im "Vermeille" wurde sie Dritte, mit Christophe Soumillon im Sattel, denn Peslier hatte sich als Wertheimer-Stalljockey für Galikova (Galileo) entschieden. So war die Außenseiterstellung von Solemia durchaus berechtigt, doch zeigte sich im "Arc", dass der Jahrgang 2009 in Europa doch mit gewissen Fragezeichen zu versehen ist. Bester Dreijährige war Masterstroke (Monsun), der mit dem Sieg im Grand Prix de Deauville (Gr. II) im Gepäck an den Start gekommen war, offensichtlich deutlich verbessert ist und 2013 in den Gr. I-Rennen eine tragende Rolle spielen sollte.
Für Solemia, die ihrem Reiter den vierten "Arc"-Sieg bescherte, könnte es jetzt im Breeders' Cup Turf weitergehen, das wäre dann ihr letzter Rennbahnauftritt, sie wird in die Zucht genommen. Die von dem Sadler's Wells-Sohn Poliglote, inzwischen auch renommierter Hindernis-Vererber, abstammende Stute ist mütterlicherseits erstklassig gezogen. Die Mutter Brooklyn's Dance hat u.a. den Prix Cleopatre (Gr. III) gewonnen, sie hat bislang zwölf Sieger auf der Bahn, darunter den von Sadler's Wells stammenden Prospect Wells, Sieger im Prix Greffulhe, und Prospect Park, der zwei Gr. III-Rennen gewonnen hat und Zweiter im Prix du Jockey-Club (Gr. I) war. Zudem hat sie drei Listensieger auf der Bahn und ist Schwester der Mutter des Gr. I-Siegers und Deckhengstes Okawango (Kingmambo). Die Wertheimers hatten die Linie 1968 in ihre Zucht integriert, als sie Solemias vierte Mutter Green Valley II (Val de Loir) als Jährling für 410.000 Francs bei der Auflösung des Bestandes von Gertie Widener ersteigerten.
Mit Quest of Fire (Rainbow Quest) stand eine Schwester von Brooklyn's Dance einige Jahre in Brümmerhof, sie hat dort ausschließlich Hengste gebracht, darunter Quorum (Acatenango) und Quo Dubai (Dubai Destination). Lebendig ist die Linie noch durch ihre Tochter Quila (Unfuwain) in Fährhof, diese ist dort Mutter u.a. des dreifachen Gr. I-Siegers Quijano (Acatenango). Ihre Tochter Quiana (Monsun) war im laufenden Jahr Siegerin, dieses Jahr ein Quila ein Stutfohlen von Sabiango gebracht.
Solemias Vater Poliglote, 1992 geboren, stand im Haras d'Etreham in diesem Jahr zu einer Decktaxe von 8.000 €. Er wurde bereits von der Familie Wertheimer gezogen, war zweijährig u.a. Sieger im Grand Criterium (Gr. I), war auch Zweiter im Prix du Jockey Club (Gr. I). "Er ist ein Hengst, der unterschätzt und nicht genügend genutzt wurde, da muss man bei uns anfangen", meinte Alain Wertheimer nach dem "Arc". In der französischen Deckhengststatistik 2012 katapultierte er sich gleich an die Spitze, doch ist das natürlich dem "Arc" geschuldet. Im vergangenen Jahr stand Lomitas auch an der ersten Position, dank Danedream. Interessant ist, dass Poliglote auch in der Statistik der führenden Hindernisvererber die erste Stelle einnimmt. Es dürfte wohl einmalig sein, dass ein Hengst in einem führenden Rennsportland wie Frankreich das Championat sowohl auf der Flachen wie auch über Sprünge erringen kann. In Argentinien, wohin er immer wieder geshuttelt ist, ist er Vater von acht Gr. I-Siegern, in Frankreich war bisher der Gr. II-Sieger Irish Wells sein bester Nachkomme.
Die folgenden zwei Videos beleuchten noch einmal den japanischen Aspekt. Im ersten wird sichtbar, wie groß die Probleme von Christophe Soumillon auf Orfevre in der entscheidenden Phase waren: Klick!
Und auf dem nächsten Video ist überhaupt kein Pferd zu sehen: Japanische Rennsportfans schauen sich daheim die Live-Übertragung des "Arc" an. Ein Kurzfilm der besonderen Art, sehr verhalten am Anfang, aber ab 2:22 Minuten wird er zu einem echten Gefühlskino: Klick!