Autor:
Philipp Graf von Stauffenberg
TurfTimes:
Ausgabe 119 vom Freitag, 18.06.2010
Nach der Auktion ist vor der Auktion. Deshalb beginnen nach der Frühjahrsauktion in Baden-Baden schon jetzt die Planungen für die Jährlingsauktion am 03. und 4. September 2010 – die wichtigste Termin im Kalender der deutschen Züchter. Passend dazu - angelehnt an das kürzlich angebotene BBAG-Seminar - haben wir vor zwei Wochen in der Turf-Times Ausgabe 117 diese Serie gestartet. Der Referent des Seminars ist zugleich unser Kolumnist: Graf Philipp von Stauffenberg ist sowohl Züchter (Schlossgut Itlingen, u.a. der Gr. I-Siegerin Lady Marian) als auch Agent (Stauffenberg Bloodstock). Im ersten Teil – hier auf unserem Internet-Portal nachzulesen – ging es um die Frage, was die Käufer erwarten. Der zweite Teil beschäftigte sich mit den Anbietern. Im dritten Teil geht es um die Entwicklung der Fohlen.
Die entscheidenden Phasen der Entwicklung
Hier sämtliche Kriterien anzusprechen, würde komplett den Rahmen sprengen, aber generell kann man über diesen Komplex sagen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Entwicklung möglichst gleichmäßig abläuft – es möglichst keine gravierenden Übergänge zwischen den einzelnen Entwicklungsphasen gibt.
Wer nicht die Voraussetzungen in seinem Betrieb hat, sollte sich nach einem Pensionsgestüt mit den entsprechenden Möglichkeiten umsehen.
Letztes Trächtigkeitsdrittel
Die erste entscheidende Phase in der Entwicklung, bei der es vor allen Dingen auf eine optimale Versorgung der Stute ankommt. Eine gute ausgewogene Ernährung, der Imun-/Impfschutz der Mutterstute und auch viel Bewegung sind die Basis eines gesunden gut entwickelten Fohlens. Hier in dieser Phase liegt meist der Ursprung nicht genetisch bedingter Stellungsproblematiken. Man muss den Übergang vom embryonalen Stadium zum Fohlen möglichst gut gestalten.
Erste Beurteilung der Fohlen
Von Anfang an sollte der Grundstein für ein vernünftiges Führen des Fohlens gelegt werden. www.stauffenberg.comJe früher man anfängt, sein Fohlen zu beurteilen, desto weniger Probleme hat man später. 3 Tage, 3 Wochen, 3 Jahre ist eine alte Regel und für die generelle Einschätzung nicht so ganz verkehrt, aber nicht genug. Es kann hier nicht auf alles eingegangen werden, aber der Ursprung vieler Chips und Gelenksproblematiken liegt in der/n ersten Lebenswoche/n. Zu starke, falsche oder keine Belastung der kleinen Knochen und Gelenke, Bänder und Sehnen in dieser entscheidenden Phase führt zwangsläufig zu teilweise nicht mehr zu behebenden Problemen im späteren Pferdeleben. Hier kommt es darauf an, dass der Verantwortliche die eventuellen Problematiken möglichst früh erkennt und dementsprechend handelt.
Von eventueller notwendiger reiner Boxenhaltung auf wenig Stroh, über Bewegungseinschränkung im Käfig, dem Führen der Stute und freiem Laufen des Fohlens, über kleine Koppeln zum Anweiden bis zum uneingeschränkten Zugang zur Weide kann und muss die Haltung entsprechend variieren. Ausschneiden, Extension, Hufschuh, Gipsen, Schienen, Periostlifting, Stosswellentherapie, usw. sind alles u. U. notwendige Maßnahmen und hängen von den jeweiligen Problematiken ab. Ideal ist es natürlich, wenn man ohne Einflussnahme und Einschränkung auskommt, aber manchmal geht es nicht ohne.
Generell korrigieren sich eine ganze Menge Probleme „von selbst“, aber viele Stellungsproblematiken, die nach 4 Wochen noch nicht auf natürliche Weise beseitigt sind, können im Alter bis zu 3-4 Monaten am besten korrigiert werden. Hier ist das geschulte Auge gefragt.
Manche Stellungsproblematiken schränken die Renntauglichkeit nicht ein, aber viele Agenten, Tierärzte und Besitzer sind nicht in der Lage dies zu beurteilen und wollen - bös gesagt - das „perfekte-fehlerlose-wir-haben-nichts-falsch-gemacht-Individuum“, das hinterher keine Rennen gewinnen kann!
Wichtig ist schon in dieser Phase die erste Hodenkontrolle bei den Hengsten nicht zu vergessen!
Handling
Generell bewährt sich das „früh-durch-die-Finger-gehen-lassen“. Je weniger Widerstand im täglichen Umgang aufgebaut wird, je besser sich die kleinen Fohlen alles gefallen lassen, desto weniger Schwierigkeiten gibt es zu einem späteren Zeitpunkt. Es gibt auch andere Methoden, die sich sehr bewähren, aber dazu gehört meist mehr Horsemanship, die die wenigsten heutzutage haben.
Empfehlenswert ist das Führen der Fohlen von Anfang an im „Paket“ rechts (und auch links – Erleichterung beim Führen von 2 Absetzern) neben dem Führenden. Das heisst hier wird schon der Grundstein für ein vernünftiges Führen des Auktionsjährlings gelegt. Die Position des Pferdes ist immer auf Schulterhöhe des Führenden . Das zieht sich durch alle Phasen der Entwicklung durch. Und grundsätzlich wird immer zügig gegangen - hinterher ziehen ist tabu.
Generell ist zu empfehlen das „Vormustern“ schon von klein an zumindest monatlich zu üben. Es zahlt sich aus und man braucht es eh, um die Fohlen zumindest dem Schmied vernünftig vorführen zu können.
Anfüttern
Je nach der Qualität der mütterlichen Versorgung und den Haltungsmöglichkeiten, die gegeben sind (beste Basis ist die optimal versorgte Weide möglichst ganzjährig) müssen die Fohlen früher oder später mit Zusatzfuttermitteln versorgt werden und rechtzeitig vor dem Absetzen an ihre komplett eigenständige Versorgung herangeführt werden.
Die beste Methode ist immer noch die individuelle Fütterung in der Box mit der Mutter, die aber einen extrem hohen Individualaufwand bedeutet. Denn sie findet nicht nur hier Anwendung, sondern setzt sich eigentlich über den ganzen Entwicklungszeitraum fort. Wer die Möglichkeit dazu hat ist im Vorteil.
In der Praxis größerer Betriebe, die personell etwas begrenzt sind, hat sich der Fohlenschlupf bewährt, gerade wenn man größere Gruppen hat und mehr Rücksicht auf die individuellen Stärken seiner Fohlen nehmen kann.
Das vorausschauende Zusammenstellen von Kleingruppen von maximal sechs Stuten im Spätherbst lässt von vorneherein die Altersunterschiede der zu erwartenden Fohlen nicht so groß werden und es ergeben sich beim gemeinsamen Fressen weniger rangordnungsbedingte Problematiken.
Auch hier ist Individualität und intensives Beobachten gefragt.
Absetzen
Das Absetzen selbst sollte so schonend wie möglich erfolgen, wobei sich das Herausnehmen der entsprechenden Mutterstuten aus einem bestehenden Herdenverband sicherlich am besten bewährt hat. Bei schlecht versorgten oder zu üppigen Fohlen kann das Absetzen besser früher (4 ½ Monate) erfolgen. Länger als 6 – 6 ½ Monate sollten die Fohlen nicht bei der Mutter bleiben, denn die optimale Versorgung der Fohlen vorwiegend über die Muttermilch ist dann nicht mehr gewährleistet. Wichtig ist zu beobachten, wie sich die Gelenke/Epiphysen der Fohlen entwickeln, wie die körperliche Entwicklung ist. Diese Phase stellt das Auge und die Qualität des Verantwortlichen vor die nächste große Bewährungsprobe.
Spätestens jetzt sollte man eine zweite Hodenkontrolle durch führen.
Teil IV beschäftigt sich kommende Woche mit den älteren Fohlen bzw. jungen Jährlingen.