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Sea of Class eingegangen

Ein Blick aus der Box vor dem "Arc". www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 578 vom Freitag, 26.07.2019

Ältere Leser, oder solche mit einer Affinität für alte Film-Klassiker, können sich vielleicht noch an den schwedischen Streifen „Sie tanzte nur einen Sommer“ erinnern. Ein junges Mädchen, ein poetischer Sommer, ein tragisches Ende. Unverkennbare Parallelen zum kurzen Leben der Sea The Stars-Tochter Sea of Class, die nach wochenlangem Kampf gegen eine Krebserkrankung am Montag dieser Woche aufgegeben werden musste.

Sea of Class wurde nicht „groß geboren“ (auch wenn ihre Geschwister in Italien gute Rennen, u.a. einen einheimischen Klassiker, gewannen), aber sie erlangte Größe wie wenige Stuten in den letzten Jahrzehnten. Ein spätes Fohlen, kam sie erst Ende Mai 2015 auf einem italienischen Gestüt nahe Mailand zur Welt; ein Gestütsvideo zeigt malerische, holzeingezäunte Koppeln am Fuße schneebedeckter Berge. Über die weniger prestigereiche Tattersalls December Yearling Sales (deren Postergirl  sie nun im Internet ist)  folgte Sea of Class gleichsam ihrer Bestimmung, als sie über Agenten für 170.000gns in den Besitz der Familie Tsui wechselte:  natürlich eben die Familie Tsui, die ihre berühmte Großmutter Urban Sea und auch ihren Vater Sea The Stars besaßen.

Vielleicht hat die Fuchs-Farbe, die Sea of Class mit ihrer legendären Großmutter teilte, eine Rolle bei der Kaufentscheidung gespielt; jedenfalls blieb Sea of Class in Newmarket und wechselte in William Haggas´ Somerville Lodge Stables. Hier wurde sie behutsam aufgebaut, erst dreijährig betrat sie erstmals eine Rennbahn. Als heiße Favoritin war die Niederlage ärgerlich, aber kein Beinbruch; die Wiedergutmachung folgte auf dem Fuß, als Sea of Class zwei Listenrennen im südenglischen Newbury sicher für sich entscheiden konnte. Bereits nach dem ersten Sieg hatte sich die junge Stute nachdrücklich für die Epsom Oaks ins Gespräch gebracht; hier hielt sich Haggas jedoch weise zurück. Ende Juni hieß es dann aber auf dem irischen Curragh Farbe bekennen:  in den Irish Oaks trat die Stute beim vierten Karrierestart erstmals auf Gruppe1-Ebene an. Ein Dreigestirn des irischen Star-Trainers Aidan O´Brien sollte ihr das Leben schwer machen, doch Sea of Class´ hatte das Glück auf ihrer Seite, als sie ihren ersten und einzigenkKlassischen Sieg, und zugleich den ersten ihrer zwei Gruppe1-Siege,  nach Hause brachte.

In Yorkshire geboren, ist das Ebor-Meeting immer ein „Muss“ in Haggas´ Jahresplanung, oft und gerne bringt er seine besten Galopper auf der nordenglischen Paradebahn York an den Start. Wir kamen, um die nordenglischen Top-Stute Laurens zu bewundern, und verließen die Rennbahn an jenem denkwürdigen Donnerstag bekehrt. Bezaubert von einer kleinen, fein-gemeißelten Fuchsstute, die von innen heraus zu glühen schien, und dies nicht wegen der heißen Temperaturen. Es gab eine „Magie“ Sea of Class, ihre Haltung, ihre Bewegungen, der ausdrucksvolle Kopf mit dem sprechenden Auge – ihre Gegenwart berührte die Besucher; ihr spielerisch leichter Sieg gegen ein starkes Feld mit auch älteren Stuten in den Yorkshire Oaks war das Sahnehäubchen. Wir konnten nicht ahnen, dass sie nie mehr so hell scheinen sollte wie hier, als sie die Bewunderungen der Fans mit der ihr eigenen Anmut zu genießen schien. Ihr zweiter Gruppe1-Erfolg war ihr letzter Sieg.

Viel hatte sie erreicht in diesen kurzen vier Monaten, vom Listen-Sieger war sie zur klassischen Gruppe1-Siegerin aufgestiegen; doch sie trug prestigereiche Farben, und es war vielleicht immer ihre Bestimmung, an jenem ersten Sonntag im Oktober in Paris-Longchamp an den Start zu kommen. Urban Sea hatte hier im Jahr 1993 in David Tsui´s Farben gewonnen, ihr Sohn Sea The Stars - offiziell in den Farben von Davids Sohn Christopher unterwegs – hatte die Massen in 2009 von den Sitzen gerissen. Sunderland Holding Inc. war der eingetragene Besitzer von Sea of Class, dies der züchterische Arm der Familie Tsui, der u.a. für diverse Nachkommen der Jahrhundert-Zuchtstute Urban Sea zeichnet.

 Ein frisch verwandeltes, goldenes Longchamp konnte im Oktober 2018 vielen Erwartungen nicht gerecht werden, die 97. Austragung des Prix de l´Arc de Triomphe ließ jedoch keine Wünsche offen. Wie immer an diesem Sonntag kamen die britischen Fans in Scharen, um ihren Favoriten anzufeuern, im Jahr 2018 kamen sie für eine wunderbare Stute; sie gingen und wussten, sie hatten zwei gesehen. Ein jeden Rennen ist nur so gut wie seine Starter, es kann (normalerweise) nur einen Sieger geben, „but it takes two to Tango“, wie die Engländer sagen; zu jedem epischen Kampf auf dem grünen Rasen bedarf es mindestens zweier hochklassiger Pferde. Es wurde strenggenommen kein Kampf, und manch ein Fan mag die zarte Gestalt der Sea of Class erst ganz am Ende wahrgenommen haben. Enable – natürlich – war die Hauptattraktion, Khalid Abdullahs mächtige Stute kam, sah und siegte in ihrem zweiten Arc unter einem absoluten Meisterritt ihres Piloten Frankie Dettori. Fans von Sea of Class hatten lange mit bangen Blick die gelben Farben in hinteren Regionen suchen müssen, doch als Jockey James Doyle die Stute endlich auf einer Art freier Bahn hatte, fraßen ihre Hufe den Boden, flog Sea of Class heran, ganz die Klasse und das Herz ihrer berühmten Vorfahren; allein, es sollte nicht sein. Während Enable sich dem gerechten Jubel stellte, verließ Sea of Class leise und beinahe unbemerkt die Rennbahn; sie hatte in der Niederlage brilliert und die für unbezwingbar gehaltene Enable an den Rand einer Niederlage gebracht. Doch die Scheinwerfer waren auf eine andere Stute gerichtet, „the winner takes it all.“

2019 brach die Tragödie mit voller Macht über Sea of Class ein, und Niederlagen auf der Rennbahn sollten zur Nebensache werden. Sie war spät zur Hand, wie Pferdeleute sagen, ließ einige angedachte Engagements aus, zeigte sich in Royal Ascot nur kurz und vermutlich schon im Schatten ihrer tückischen Erkrankung, deren volles Ausmaß ihre Umgebung erst nach ihrem Tod bekannt machten. Die vielzitierte Kolik war in Wahrheit durch einen bösartigen Tumor ausgelöst worden; und hatte uns Sea of Class auf der Rennbahn mit ihrem Charakter und Kampfeswillen von den Sitzen gerissen, so stand sie bei diesem Kampf wohl von vornherein auf verlorenem Posten. Lange Tage hielt sie stand, banges Warten auf kleine Updates, die zwischen den Zeilen bereits mehr als eine Kolik vermuten ließen.

Reine Statistiken – sieben Starts, vier Siege, bemerkenswerte 1.5 Millionen Pfund an Preisgeld – weisen auf eine außergewöhnliche, vielleicht nicht herausragende Stute hin. Doch machte Trainer William Haggas klar, dass er „um die beste Stute, mit der je zu tun hatte“ trauere, und ihre Erinnerung „für immer“ bei ihm bleiben würde; und Jockey James Doyle teilte seine Betroffenheit auf Twitter mit. Fans in den sozialen Netzwerken trauerten in großer Vielzahl und teilten ihre ganz persönlichen Erinnerungen. So viele Rennen ungelaufen, Jahre ungelebt, ein unermesslicher Verlust für die Vollblutzucht. Sea of Class mag nur einen Sommer getanzt haben, doch sie strahlte als hellster Stern über das Rennjahr 2018, eine würdige Tochter ihres großen Vaters.

Catrin Nack

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