TurfTimes:
Ausgabe 196 vom Freitag, 23.12.2011
Zu einem Aufregerthema allererste Güte entwickelt sich derzeit die Diskussion über die Platzwette auf deutschen Rennbahnen in der Welt der Internetforen, die sich mit Themen des Galoppsports beschäftigen. Anlass dazu sind etliche Fälle der letzten Wochen, in denen die Platzwette für alle drei Platzierten zum reinen Geldwechsler mutierte. So staunten mit den Details der Quotenberechnung nicht vertraute Platzwetter des zu einer Siegquote von 1443:10 erfolgreichen Lebensdebütanten Zweigelt nach dem 2. Rennen am 4. Dezember auf der Dortmunder Rennbahn, als sie mitgeteilt bekamen, dass sie nur ihren Einsatz zurückbekämen, aber auf jeglichen Gewinn verzichten müssten. Zuvor hatte auch der Fall des 866:10 Außenseiters Elgin beim Bremer Saisonfinale für ähnliche Verwunderung gesorgt, da auch hier sein kleiner Anhang in der Platzwette nur das Geld zurückbekam. Zu solch kuriosen Situationen kam es zwar auch in der Vergangenheit immer wieder einmal, doch nehmen sie in der gefühlten Wahrnehmung der Wetter in der letzten Zeit zu, auch wenn es dazu keine erhärtenden statistischen Untersuchungen zu Veränderungen der Platzquoten in den letzten Jahren gibt.
Die Siegwette auf Zweigelt brachte 1413:10 Euro, die Platzquote lautete 10:10. www.franknolting.deVom ganz extremen Fall der Rückzahlung aller Einsätze in der Platzwette, ohne überhaupt Platzquoten zu ermitteln, wird allerdings tatsächlich erst in den letzten anderthalb Jahren von den Rennvereinen Gebrauch gemacht, auch wenn die legitimierende Bestimmung des §15(5) in der deutschen Rennordnung schon immer verankert war, aber nicht angewandt wurde. Durch die Rückzahlung der Wetten verzichtet der Rennverein zwar auf jeglichen Totalisatorabzug und senkt den Wettumsatz des Renntags freiwillig, muss im Gegenzug aber auch keine Vermittlungsprovisionen zahlen und steht sich dadurch in der Bilanz finanziell besser. Bei den oben angeführten Fällen von Zweigelt und Elgin griffen die Rennvereine nicht zu diesem Mittel, sondern es wurden reguläre Platzquoten von jeweils 10:10 auf allen drei Plätzen ermittelt.
Die Ursache für solche Fälle liegt in der Quotenberechnung der Platzwette. Anders als in der Siegwette hängt die Auszahlung nicht nur von den Wetten auf das jeweilige Pferd selbst ab, sondern auch von den beiden weiteren in der Platzwette erfolgreichen Startern. Zunächst werden aus dem Topf aller Einsätze in der Platzwette allen erfolgreichen Wettern - nach Herausnehmen des Totalisatorabzugs - ihre Wetteinsätze zurückgezahlt, erst dann wird der verbleibende Rest gleichmäßig auf die drei Starter aufgeteilt und die individuelle Gewinnquote ermittelt. In speziellen Konstellationen mit sehr stark gewetteten Favoriten führt diese Art der Quotenberechnung dazu, dass schon mit dem Zurückzahlen der Wetteinsätze der zu verteilende Topf leer ist und es keinen individuell zu verteilenden Rest mehr gibt. In beiden oben angeführten Beispielen liefen in den jeweiligen Kategorie F-Rennen extreme Favoriten mit in die Wette, was auf Kosten der Quoten für die platzierten Außenseiter ging.
Eine Situation, in der eine erfolgreiche Wette nicht mehr zu einem Gewinn führt, ist für jeden Wetter unbefriedigend. Die Enttäuschung bei einem Wetter eines Außenseiters, auch im Erfolgsfall nur seinen Einsatz zurück zu erhalten, dürfte besonders hoch sein. Auch wenn kein Wetter erwartet, durch Platzwetten Reichtümer anzuhäufen, wirken solche Erlebnisse demotivierend und schränken die Wettbereitschaft in der Zukunft weiter ein. Doch welche Möglichkeiten gibt es, hier eine Verbesserung zu erreichen?
Ein Weg, zu höheren Platzquoten zu gelangen, wäre es, die Abzüge für diese Wettart zu senken. Vergleichbar zu dem als große Innovation gefeierten Schritt in diesem Jahr, eine neue simple Einsteiger-Wettart „Gerade oder ungerade“ mit reduziertem Totalisatorabzug zu lancieren, könnte auch die Platzwette einen höheren Ausschüttungstopf durch geringere Abzüge erreichen. Finanzielle Ausfälle einer solchen Maßnahme für den Veranstalter könnten durch eine Verringerung von Vermittlungsprovisionen bei dieser Wettart teilweise oder vollständig kompensiert werden. Ebenso sind einfache Veränderungen in den Wettbestimmungen denkbar. So könnte die in anderen Ländern gültige Regel, erst ab acht Startern drei Platzwetten auszuschütten, leicht umgesetzt werden, würde zu einer Harmonisierung der Wettbestimmungen mit anderen Ländern führen und den Auszahlungstopf zumindest in den oft besonders problematischen Rennen mit sieben Startern erhöhen.
Auch mit solchen Maßnahmen wird man das Problem niedriger Platzquoten nicht komplett lösen. Wenn das Geld der Platzwetter sich nahezu vollständig auf einzelne Starter konzentriert, wird es auch dann zu unbefriedigenden Quoten für alle kommen, wenn auch seltener als derzeit. Einer Enttäuschung könnte zusätzlich im Vorfeld besser vorgebeugt werden, wenn mehr Transparenz im Platzwettmarkt herrschte. Früher zeigten die Quotenmonitore den getätigten Platzwettumsatz auf die jeweiligen Starter an. Auch ohne große mathematische Fähigkeiten war erkennbar, in welchen Rennen es mit Sicherheit unbefriedigende Platzquoten geben würde. Seit etlichen Jahren wird dies dem Wetter nicht mehr gezeigt, wobei dies wohl kaum technische Gründe haben dürfte. Selbst ein Anzeigen der konkreten Platzeventualquoten bei verschiedenen Einlaufkonstellationen ist technisch möglich, überflutet den Wetter allerdings mit einem Zahlensalat, da z.B. bei einem fünfzehnköpfigen Starterfeld für jeden Starter 91 verschiedene Platzeventualquoten anzuzeigen wären. Da ist eine grobe Orientierung über die Platzwettumsätze der Starter leichter verdaulich, wenn auch nicht so präzise interpretierbar.
Keine Lösung sind dagegen die im Internet kursierenden Forderungen einer fixen Kopplung von Sieg- und Platzquote, einer Sperre der Annahme von Platzwetten auf besonders exponierte Favoriten oder einer direkten Aufteilung des Auszahltopfes der Platzwette auf die Starter. Eine fixe Kopplung von Sieg- und Platzquote widerspricht dem Totalisatorprinzip des Umverteilens von getätigten Wetteinsätzen. So etwas kann nur ein Buchmacher anbieten, wobei es hierzulande keinen Buchmacher gibt, der reine Platzwetten mit einer fixen Kopplung an die Siegquote anbietet, was schon deutlich macht, dass dies aus Anbietersicht nicht attraktiv ist. Die Sperre der Wettannahme auf bestimmte Starter wirft kaum lösbare Fragen auf, wie z.B. wer entscheidet darüber? Wann und wie informiert man darüber? Der Vorschlag einer direkten Aufteilung des Auszahlungstopfes auf die einzelnen Starter verhindert zwar niedrige Quoten bei Außenseitern im Erfolgsfall, hat jedoch einen anderen Pferdefuß, der zum Knock-out für diesen Vorschlag wird. Selbst im Erfolgsfall hat kein Wetter mehr die Garantie, seinen Einsatz zurück zu erhalten. Die Vorstellung mit einer gewonnenen Wette Geld zu verlieren, dürfte kaum reizvoll sein.
Eine Idee aus der Forendiskussion über das Ärgernis Platzwette hat dagegen im ersten Moment durchaus Charme, auch wenn sie mit Gewohnheiten bricht: Der Erfolgsfall in der Platzwette tritt nur ein, wenn das gewettete Pferd sich platziert, aber nicht, wenn es gewinnt. Damit würde die Platzwette in der Terminologie der Buchmacherwetten zu einer kombinierten Ita- und Trita-Wette. Einsätze auf heiße Favoriten in dieser Variante der Platzwette sind wenig erfolgversprechend, so dass sich die Einsätze ausgeglichener verteilen sollten und das Problem niedriger Quoten zumindest stark reduziert wird. Doch auch dieser Vorschlag hat seine Schattenseite: Diese Variante der Platzwette verliert den Charakter einer einfachen „Einsteigerwette“, mit dem die bisherige Platzwette versucht, Neulinge an das Wetten heranzuführen. Sich ein Pferd auszusuchen, dass gut genug ist, sich zu platzieren, aber nicht gut genug, das Rennen zu gewinnen, ist – nicht nur für Neulinge – alles andere als einfach.
Bei allem aktuellen Ärger und hitziger Diskussion über notwendige Veränderungen der Platzwette, um die Situation unbefriedigend niedriger Quoten für Außenseiter in Rennen mit heißen Favoriten zu beheben, darf jedoch auch die andere Seite derselben Medaille nicht vergessen werden. Geht einmal ein „Unverlierbarer“ richtig unter, so winken plötzlich auch in der Platzwette Traumquoten. Beim Dresdner Saisonfinale 2008 trat beispielsweise ein solcher Fall ein: Der Wöhler-Schützling Potenzi strafte seine Einschätzung als Unverlierbarer (Siegeventualquote 10:10) Lügen und endete nur als Fünfter des einleitenden Altersgewichtsrennens. Die Platzquoten lauteten in diesem Rennen: 70:10, 142:10 und 77:10 und überstiegen damit deutlich jede auf der Siegeventualquote der Starter basierende Erwartung. Solche Fälle treten selten ein, aber wenn, dann strahlen auch die Platzwetter von Außenseitern wieder.