Miss Yoda und die Görlsdorfer "Meer"-Familie"
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Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde in der Druckerei des Direktoriums in der Kölner Rennbahnstraße ein 232 Seiten umfassender Band mit grünem Umschlag erstellt. Im Hauptquartier des bundesrepublikanischen Rennsports wurde Amtshilfe geleistet, denn der Herausgeber der Broschüre war die „Zentralstelle für Pferdezucht beim Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterschaft der Deutschen Demokratischen Republik.“
Es war Band V des Gestütsbuchs für Vollblut der DDR, der letzte seiner Art. Immerhin rund 350 Stuten wurden dort noch aufgeführt, nahezu alle im volkseigenem Besitz. Die Linien, die sie vertraten, sind inzwischen fast sämtlich vergessen und ausgestorben, sie waren für den Wettbewerb mit dem Westen einfach nicht gut genug. Nur eine Handvoll ist übrig geblieben. Auf Seite 93 dieser Broschüre findet man die 1967 vom VE Gestüt Görlsdorf gezogene Meernymphe (Imperial), Tochter der Meerfee (Birkhahn). Und diese Meernymphe ist die vierte Mutter von Miss Yoda (Sea The Stars), die am Sonntag in Düsseldorf den 162. Henkel-Preis der Diana gewann.
Fast schon auf den Spuren ihrer Vorfahrin, denn Meernymphe gewann 1970 in Hoppegarten das Kincsem-Rennen, die „Diana“ der DDR. Dazu noch, stets unter Egon Czaplewski, das Derby der DDR und das Festa-Rennen, die damaligen 1000 Guineas.
Den Ursprung hatte die Familie in einer 1942 aus Frankreich eingeführten Stute namens Magnolia II (Mandar), die für einen Oberst Baldamus einige Rennen bestritt, 1944 von Brantome gedeckt wurde, für W. Säuberlich aus Könnern in Sachsen-Anhalt im Jahr darauf Mach’s gut brachte, ihr einziges Fohlen. Sie war in mehreren privaten Zuchten aktiv, ihre Tochter Meerfee (Birkhahn), 1954 geboren, gelangte in das VE Gestüt Görlsdorf und war dort die Gründerstute für die heute in mehreren deutschen Zuchten so erfolgreiche Familie, die über die in die USA exportierte Meridiana (Lomitas) auch international ein gutes Standing hat. Görlsdorf selbst hat gut getan, die Linie zu behalten, gleich neun Stuten aus der „Meer“-Familie sind in der Herde.
Nach Etzean kam die Linie 1994 durch die als Jährling aus der Zucht von Carola und Rainer Schätzchen erworbene Monbijou (Dashing Blade). Sie war auf einer damals in Köln durchgeführten Auktion und wurde von Heinz Weil für 36.000 Mark erworben. „Die Experten haben damals nicht verstanden, dass man in eine solche Linie einkauft“, erinnert sich der damalige Etzeaner Gestütsleiter Gerhard Kredel. Doch kannte Heinz Weil halt die Mutter Meerdünung von der Bedeckung 1992 in Etzean, hatte sich da erstmals mit der Linie beschäftigt. Mario Hofer trainierte Monbijou für Etzean, sie war zweijährig in Auktionsrennen platziert, gewann dreijährig zwei Rennen in Neuss und Köln.
Zwölf Fohlen hat sie für Etzean gebracht, an der Spitze Meridiana und Monami. Meridiana (Lomitas) gewann 2003 die Oaks D’Italia (Gr. I) für den Stall Lucky Owner und Trainer Hans Blume. Sie wurde in die USA verkauft, war auch dort noch Gr.-Siegerin und ist Mutter von fünf Black Type-Pferden. Ihr Sohn Center Divider (Giant’s Causeway), der Zweite in den Man O’War Stakes (Gr. I), wurde als Deckhengst in Schweden aufgestellt.
Monami (Sholokhov) lief in Etzeaner Farben, Andreas Wöhler trainierte sie zweijährig zum Sieg im Preis der Winterkönigin (Gr. III). Dreijährig gewann sie den Diana-Trial (Gr. II) in Berlin-Hoppegarten, doch gab es danach ein mehrmonatiges juristisches Tauziehen, da die Besitzerin der damals Zweitplatzierten Protest wegen einer nicht fristgerechten Nachnennung einlegte. Sogar das Oberste Renngericht trat in Aktion, am Ende einigte man sich auf einen Vergleich, Monami blieb Gr. II-Siegerin. In der damals von Salomina (Monsun) gewonnenen „Diana“ wurde sie dann nur Achte.
Sechs Fohlen hat sie bisher gebracht. Der Erstling Cedar Chest (Redoute’s Choice) ging bei Tattersalls für 135.000gns. an Jamie McCalmont, den aktuellen Berater von Georg von Opel, wurde in die USA an die einstigen Besitzer von Meridiana verkauft, doch kam er dort über einen vierten Platz nicht hinaus. Dann kam Matchmaking (Mastercraftsman), ein 70.000gns.-Verkauf bei Tattersalls, er gewann im Sommer 2018 innerhalb von vier Wochen vier Handicaps für Sir Mark Prescott. Miss Yoda war der dritte Nachkomme, zweijährig ist Mahanadi (Amaron), ein 34.000-Euro-Kauf bei der BBAG, ihn trainiert Andreas Wöhler für den Stall Mandarin. Es gibt Nennungen für den „Winterfavoriten“ und zwei Auktionsrennen im Herbst. Ein Jährlingshengst von Kingman wurde bei Tattersalls für 340.000gns. an das irische Baroda Stud verkauft. Es ist nicht unmöglich, dass er dieses Jahr erneut in Newmarket im Ring auftaucht. Am 17. Mai brachte Monami ein Stutfohlen von Sea The Stars. Bei ihr handelt es sich um ein Foal-Sharing, so dass sie in jedem Fall zur Auktion kommt, wo auch immer, die BBAG würde sich sicher freuen.
Denn in Iffezheim wurde Miss Yoda vorvergangenes Jahr für 280.000 Euro verkauft. Es gab zahlreiche Interessenten an ihr, Albrecht Woeste etwa, Unterbieter war Andreas Jacobs. Am Ende unterschrieb aber Tom Goff den Kaufzettel im Auftrag von Georg von Opel, der seine Pferde unter dem Namen Westerberg trainieren lässt und, siehe separate Meldung, eine eigene Zucht im Hinterkopf hat.
Miss Yoda wird dazu ein wichtiger Baustein sein. Sie hat zweijährig ihre ersten beiden Starts in Kempton und Sandown siegreich gestaltet, war dann Zweite in den Zetland Stakes (Gr. III). 2020 startete sie mit einem Listensieg über 2300 Meter in Lingfield, danach aber war sie sowohl in den Ribblesdale Stakes (Gr. II) wie auch gegen die Hengst in der Bahrain Trophy (Gr. III) relativ weit geschlagen. Deshalb muss der Sieg in Düsseldorf, was ihre Klasse anbetrifft, erst einmal mit Vorsicht registriert werden, die 94kg, die ihr der Handicapper gegeben hat, sind denn auch nicht besonders hoch gegriffen. Weitere Pläne für Miss Yoda gibt es derzeit nicht, in Deutschland und Frankreich hat sie keine Nennungen, man wird wohl im Land bleiben. Als Gr. I-Siegerin sind die Startmöglichkeiten natürlich übersichtlich, es bleibt halt auch abzuwarten, ob sie auf dieser Ebene international bestehen kann.
Für ihren Vater, den großartigen Sea The Stars (Cape Cross), war es jetzt der 14. Gr. I-Sieger. Sechs seiner Söhne, darunter natürlich auch Sea The Moon, stehen schon im Gestüt, sein derzeitiges Aushängeschild auf der Rennbahn ist der erstaunliche Stradivarius. Drei Nachkommen von Sea The Stars kommen bei der BBAG-Jährlingsauktion am 4. September in Iffezheim in den Ring.