TurfTimes:
Ausgabe 193 vom Donnerstag, 01.12.2011
In der Woche Eins nach dem grandiosen Sieg von Kauto Star stand im englischen National Hunt – Kalender natürlich direkt das nächste Highlight auf dem Programm: Der Hennessy Gold Cup, zwar „nur“ ein Handicap, aber eines der prestigereichsten und wichtigsten Rennen der Saison. Im Jahr 1957 zum ersten Mal gelaufen und seitdem in Newbury im Süden Englands beheimatet, wird es auch seit dieser Zeit von der Fa. Hennessy (Cognac) gesponsort, im Übrigen das älteste Sponsoring im englischen Rennkalender.
Maskottchen beim Hennessy Gold Cup in Newbury. Foto: JJ ClarkeGroße Pferde- und Jockey-Namen haben sich seither in die Siegerliste eingetragen: Mandarin, Millhouse undArkle, Spanish Steps, Bregawn, One Man, Coome Hill und Suny Bay, Stan Mellor, Bob Champion, John Francome und sogar Paul Nicholls (als Jockey!) und der mächtige Denman in jüngerer Zeit, welcher ein wirklicher Publikumsmagnet war – er fehlte in diesem Jahr, und die Rennbahn war tatsächlich ungleich leerer.
Trotzdem hatte sich ein ordentliches Feld zur diesjährigen Ausgabe des Hennessy zusammengefunden, und nachdem am letzen Wochenende ein Pferd die Schlagezeilen beherrscht hatte, sollte es an diesem Wochenende vor allem die menschliche Komponente sein, welche nach dem Sieg von Carruthers Publikum und Presse bewegte. Gezogen und im teilweisen Besitz ist der braune, 8-jährige Wallach nämlich von Lord Oaksey, und mehr brauchte es nicht, um englische Rennfans – und sämtliche Jockeys gleich dazu – in einen Freudentaumel zu versetzten: Lord Oaksey ist schließlich der Gründer des „Injured Jockeys Fund“, einer großen und wichtigen Wohltätigkeitsorganisation, die sich, wie der Name schon sagt, um verletzte Jockeys kümmert. Jung und alt, schwer- und leichtverletzt, kaum ein Jockey, der nicht schon einmal die Hilfe des Funds in Anspruch nehmen musste, und sei es nur, um die exzellenten Facilitäten des Oaksey House in Lambourn zur Wiederherstellung der kranken Knochen zu verwenden.
Das Feld geht im Hennessy Gold Cup auf die Reise. Foto: JJ Clarke
Der erste Sprung im Hennessy Cold Cup und Carruthers ist gleich in Front. Foto: JJ ClarkeLord Oaksey, geborener John Lawrence, war selber ein taltentierter Reiter, er gewann die zweite Austragung des Hennessy im Jahre 1958 auf Taxidermist und war 1963 knapp geschlagen Zweiter im Grand National auf Carrickbeg (zu Alaya, geritten von Lester´s Vater Keith Piggott); danach machte er sich einen Namen als Rennsportexperte in Funk, Fernsehen und auf dem Papier. Plaid Maid, die Mutter von Carruthers, befand sich schon als Rennpferd im Besitz der Oaksey´s, hier gewann sie sogar fünf Rennen. Als Zuchtstute sollte sie dann den Ruhestand von Lord Oaksey versüßen. Doch wer hätte ahnen können, dass der kleine braune Hengst, der 2003 tatsächlich als April-Scherz –und mit einem Stern in Form eines „C“ auf die Welt kam, sich zu solchen Höhen aufschwingen sollte? Auch wenn ein englischer Rennsport-Journalist sich noch vor Carruther´s Geburt einen Festkurs von 1000-1 sicherte, dass das (eben noch ungeborene) Pferd den Cheltenham- oder Ascot Gold Cup, natürlich vorzugsweise den von Cheltenham, gewinnen würde?!
Nun gewann Carruthers, immerhin 2010 Vierter in eben dem Rennen zu Imperial Commander, den Hennessy Gold Cup. Geritten, wie fast immer, von „Mattie“ Batchelor, welcher nicht gerade der Siegertyp unter den britischen Jockeys ist, dem aber das ungebrochene Vertrauen der „Oaksey Partnership“ (so der offizielle Name von Carruthers Besitzergemeinschaft) gilt. Seit 1995 im Sattel, hat Batchelor in dieser Zeit weniger als 200 Sieger geritten, aber seine Jockey-Kollegen erwähnen immer seine sehr beliebte Art, seinen Humor, seine Hilfsbereitschaft (Tony McCoy, der zeitgleich in Newcastle ritt, sagte: “Die ganze Jockey-Stube hat nur für Mattie geschrien. Es gibt keinen Jockey, der es mehr verdient hat, und keinen, dem wir alle das mehr gegönnt hätten!“), und selbst Richard Johnson, der auf Planet of Sound Zweiter wurde, strahlte fast so, als hätte er selber gewonnen.
Nachwuchsförderung auf der Rennbahn in Newbury. Foto: JJ ClarkeWelch tragische Ironie also, dass Lord Oaksey selber nicht anwesend sein konnte, schlimmer noch, kaum die Reichweite des Sieges erfassen konnte; mit 82 Jahren leidet Oaksey unter Demenz. Sarah Bradstock, Tochter des Lord, Ehefrau des Trainers Mark Bradstock und Vollzeit-Pfleger und –Arbeitsreiter von Carruthers – man sieht, es handelt sich um ein waschechtes Familienunternehmen- war sich jedoch sicher: “Mein Vater hat die volle Tragweite des Sieges schon begriffen. Es hat sehr geholfen, dass Channel 4 noch einmal seinen Sieg im Hennessy gezeigt hat, ans Siegen kann sich Dad noch am besten erinnern. Er hat zum ersten Mal auch wieder in ganzen Sätzen mit mir gesprochen, das hatte er schon wirklich nicht mehr getan.“ Ein kleiner Trost; denn wie oft erfüllen sich solch Träume des „kleinen Züchters“ schon einmal? Wer mehr über das bewegte Leben von Lord Oaksey erfahren möchte, dem sei seine ausgezeichnete Auto-Biographie „Mince Pie for Starters“ ans Herz gelegt.
Big Buck's mit Ruby Walsh auf dem Weg zum Sieg. Foto: JJ ClarkeIm Rahmenprogramm des immerhin drei Tage dauerenden „Winter-Festivals“ rund ums Hennessy stach natürlich die Leistung eines weiteren Superstars des englischen Hindernissports heraus: Big Buck's, auch wenn wir seine Siege schon beinahe als selbstverständlich betrachten. Seit der mächtige, fast schwarze Wallach an dieser Stätte im Hennessy 2008 seinen damaligen Jockey Sam Thomas abwarf (der kürzlich mit den Worten: „Ich würde irgendwann einmal gerne als der Cheltenham Gold Cup-Siegreiter von Denman in Erinnerung bleiben. Wahrscheinlich wird man mich aber als den Jockey erinnern, der von Kauto Star und Big Bucks gefallen ist“ zitiert wurde), ist er über Hürden nun in 13 Rennen in Folge ungeschlagen. Nur in Gruppe I und Gruppe II – Rennen, versteht sich. Und die gewinnt der Wallach, in der Obhut von Paul Nicholls und geritten von Ruby Walsh, auch immer am Gebiss. „Ich habe zu Hause kein Pferd, dass es schafft, ihn vom Gebiss zu holen“ hat Nicholls schon mehrfach betont „dieses Pferd hat so viel Talent, es ist unheimlich.“ Seine Pflegerin Rose Loxton, die sich nun auch um Kauto Star kümmert, kennt allerdings die schwache Seite des Stars: „ Er ist sehr sensibel und mag nicht alleine sein, dann ist er ein Boxenläufer. Manchmal sitze ich auf Reisen fünf Stunden in seiner Box“ vertraute sie uns schon vor Jahren einmal an. Auch in der diesjährigen „Long Distance Hurdle“ war es also wieder „business as usual“ – Big Buck´s canterte einem so ungefährdeten Sieg entgegen, dass Ruby Walsh schon weit vor der Linie seinem Partner den Hals klopfen konnte. Es sah nach dem Rennen aus, als hätten beide nicht wirklich geschwitzt.