Der König ist tot, es lebe der König. Fast unbeachtet, unter betretenem Schweigen, heftig schwitzend, kam der bis dahin ungeschlagene Overdose nach der Goldenen Peitsche (zum Video) in den Absattelring. Ein sichtlich konsternierter Jockey Christophe Soumillon suchte schnell das Weite, während unter dem Beifall der knapp 12.000 Zuschauer der neue Star der Sprintszene den Absattelring betrat: Amico Fritz, ein vier Jahre alter Hengst im Besitz des Züricher Operndirektors Alexander Pereira, hatte das wichtigste Kurzstreckenrennen des deutschen Turfs gewonnen.
Es war ein Rennen, das die gesamten Facetten des Rennsports zeigte und es sorgte schon vor dem Start für höchste Aufregung bei allen Beteiligten. Denn der bis dahin ungeschlagene Overdose, das Kultpferd aus Ungarn und der hohe Favorit, weigerte sich schlichtweg, die Startboxe zu beziehen. Gleich dreimal musste Christophe Soumillon ins Gras, es bedurfte der Anstrengung der gesamten Startmannschaft, um ihn in die Box zu bringen. „Es war mir in diesem Moment klar, dass er nicht der Alte ist“, gab Soumillon später zu. Ganz offensichtlich war der Hengst, der immer wieder mit Hufproblemen zu kämpfen hat, nicht im Vollbesitz seiner Mittel, sein Verhalten sah schon nach Arbeitsverweigerung aus. Im Rennen selbst gab er sich aus guter Haltung sang- und klanglos geschlagen, seine Zukunft dürfte in den Sternen stehen. Kurz nach dem Rennen ging ein anonymer Anruf im Sekretariat ein, mit dem Inhalt, das Pferd habe Nasenbluten bekommen, das war aber nicht der Fall. „Seine Beine sind aber in Ordnung“, berichtete Trainer Josef Roszival.
Derweil war Alexander Pereira bei der Siegerehrung fast den Tränen nahe. „Ich habe immer davon geträumt, dieses Rennen einmal zu gewinnen“, sagte er, „aber das dies mit diesem Pferd passiert, ist schon sehr erstaunlich.“ Denn noch vergangenes Jahr startete Amico Fritz in Verkaufsrennen, viermal, gewann zwei davon, doch wollte ihn für die damals geforderten 26.000 € niemand haben. Dass er einmal einer der besten Flieger Europas werden sollte, hätte niemand gedacht. Vor drei Jahren war er auf der Jährlingsauktion in Iffezheim, „für 30.000 Euro hätte ihn jeder haben können, keiner hat zugegriffen“, erinnert sich Pereira, der den Erfolg mit seiner brasilianischen Lebensgefährtin feierte.
Am Abend dann mit Baden Racing-Präsident Dr. Andreas Jacobs in der „Klosterschänke“. Mit der Familie Jacobs verbindet ihn eine langjährige Freundschaft, insbesondere mit Klaus Jacobs, dem verstorbenen Vater von Andreas, der seinen Lebensmittelpunkt jahrelang in Zürich hatte. Vor einigen Jahren verfügte Pereira noch über ein wahres Vollblutimperium, das hat er sukzessive abgebaut. Aktuell gehört ihm noch eine Handvoll Zuchtstuten, die vornehmlich im Gestüt Eulenberger Hof von Ralf Ernst stehen – der war dann auch einer der ersten Gratulanten. „Wir wollen jetzt nach Hong Kong und Dubai“, träumt Pereira nun von weiteren großen Zielen.
Mit einem erstklassigen zweiten Platz beendete der in Iffezheim so oft gut gelaufene Contat seine Karriere. Einen Moment hatte es Mitte der Zielgeraden so ausgesehen, als ob er Amico Fritz schlage könnte, aber der letzte Tick fehlte dann doch. „Ich habe so recht keine Startmöglichkeit für ihn mehr“, meinte Trainer Pavel Vovcenko, „wir suchen einen Platz als Deckhengst.“
Regelrecht geladen war dagegen Kollege Mario Hofer, Betreuer des zweiten Favoriten. „Er hat sich in der Startboxe den Kopf eingeschlagen“, berichtete er, „weil so lange auf Overdose gewartet wurde. Ein normales Pferd hätte man viel eher vom Start ausgeschlossen.“ Was allerdings zu einem erheblichen finanziellen Verlust für den Veranstalter geführt hätte.