Mit 72 Jahren gehört Trainer Hans-Jürgen Gröschel aus Langenhagen bei Hannover zu den Veteranen der Branche, Sentimentalitäten liegen ihm eigentlich fern. Am Sonntag aber, um kurz nach 17 Uhr, bekannte er mit stockender Stimme auf dem Siegerehrungspodium: „Ich habe noch nie nach einem Rennen geweint. Bis heute.“ Wenige Minuten zuvor hatte Iquitos fast schon sensationell den Großen Preis der Badischen Wirtschaft (beim Klick auf den Renntitel gibt es alle Infos inkl. Video!) gewonnen, mit Norman Richter im Sattel, einer der größten Erfolge in der Karriere von Trainer und Reiter.
Es war eine schwere Schlappe für die Favoriten, denn das erwartete Duell zwischen Ito und Nightflower, aktueller „Galopper des Jahres“, fiel aus. Beide bestimmten zwar über den ersten Teil der Strecke von 2200 Metern die Szene, doch als es ernst wurde, war erst Nightflower, dann auch Ito geschlagen. Der 18:10-Favorit war zumindest noch hinter Articus Dritter.
Mit gewaltiger Endgeschwindigkeit rauschte aber in der Zielgeraden Iquitos an der Konkurrenz vorbei. „Ich habe selten ein Pferd gesehen, dass in der entscheidenden Phase eines Rennens so zulegen kann“, sagte Gröschel. Er läuft in den Farben des Stalles Mulligan, einer Gruppe von sieben Golffreunden aus dem Kölner Raum. Gezogen wurde das Pferd von der jetzt 93 Jahre alten Erika Buhmann, deren Familie das Gestüt Evershorst in unmittelbarer Nähe des Flughafens Hannover-Langenhagen betreibt. „Gekauft wurde er vor drei Jahren auf meiner Weihnachtsfeier“, erinnert sich Gröschel, „da war er Jährling und wir wurden uns mit Herrn Buhmann einig.“ Der Preis war mehr als übersichtlich, für 10.000 Euro wechselte Iquitos den Besitzer. Fünfmal kam er vergangenes Jahr an den Start, gewann dreimal, auch in Baden-Baden, doch im Herbst hing sein Leben kurz an einem seidenen Faden. „Er hatte eine Darmverschlingung, konnte erst in letzter Minute gerettet werden“, berichtete Gröschel. Üppige Kaufangebote insbesondere ausländischer Interessenten wurden bislang abgelehnt, „seine Besitzer haben alle auch genug für ihren Lebensunterhalt“, hat Gröschel festgestellt.
Das Hamburger Derby-Meeting wird ihn jetzt am Start sehen, natürlich wieder mit Norman Richter im Sattel. Der 38jährige gewann mit Iquitos, kaum zu glauben, das erste Rennen in diesem Jahr, beim gerade mal elften Ritt. „Ich weiß auch nicht, woran es liegt“, sagt er, „aber ich bekomme einfach keine Chancen. Immer wenn ich mir die Starterlisten anschaue, dann lese ich andere Namen“, so der Jockey aus Everswinkel im Münsterland, der morgens bei Ferdinand Leve in Warendorf ausreitet. Ob es durch den aktuellen Erfolg noch einen Karriereschub gibt, wird sich zeigen.
Für Hans-Jürgen Gröschel war es in jedem Fall zusätzliche Motivation, den Trainerjob aus Altersgründen doch noch nicht so schnell aufzugeben, wie er es eigentlich geplant hatte. „Ich habe in diesen Tagen mit mehreren meiner Besitzer gesprochen und wir haben uns darauf geeinigt, dass es ein allmählicher Rückzug werden soll“, sagte er.
Das Lager der Geschlagenen leckte anschließend kollektiv seine Wunden und wie immer gab es reichliche Gründe für die Niederlagen. „Es war einfach zu schwül für ihn“, sagte Schlenderhans General Manager Gebhard Apelt zum Laufen von Ito, der nach seinem Sieg im Kölner Gerling-Preis schon als möglicher Champion gehandelt wurde „das mag er einfach nicht, das hat man auch letztes Jahr in Japan gesehen. Schon im Führring hat er mir nicht gefallen.“ Noch schwächer lief Nightflower, die unter Dennis Schiergen am Ende nur Vorletzte wurde. „Sie war Anfang zu fleißig, Dennis konnte sie nicht richtig im Feld verstecken“, analysierte Vater Peter, „später wurde sie in der Geraden auch noch behindert, dann war alles aus.“ Auf ein Neues in fünf Wochen in Hamburg – dann steht in Hamburg mit dem Hansa-Preis der nächste Grand Prix des deutschen Rennsports an.
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