Die Liste der Zuchtergebnisse des Jahrgangs 2018 vom Gestüt Höny-Hof, dem aktuellen Derby-Jahrgang also, ist ziemlich übersichtlich: Zwei Stuten, ein Hengst in Frankreich und drei in Deutschland. Und diese drei heißen Sea of Sands (Sea The Stars), Sun of Gold (Golden Horn) und Sassoon (Soldier Hollow) und alle drei sind gerade ziemlich „hot“. Allein die Tatsache, von drei Hengsten hierzulande drei ins IDEE 152. Deutsche Derby zu bringen, ist schon ein großer Erfolg, den der Gestütsleiter Simon Minch aber auf gar keinen Fall auf sich alleine sitzen lassen möchte. „Das ist eine Teamleistung, dazu gehören eine Menge Leute, damit so etwas gelingt“, heißt es, „vom Trainer Jean-Pierre Carvalho und seinen Mitarbeitern, die tagtäglich mit den Pferden arbeiten, vom Hufschmied und den Tierärzten und natürlich auch von den Besitzern, Manfred und Edith Hellwig, die bereit waren so in die Zucht zu investieren.“
Wir treffen uns im neuen Stall von Jean-Pierre Carvalho in Mülheim. Simon Minch und seine Assistentin und angehende Pferdewirtschaftsmeisterin, Theresa Lotz, haben morgens noch um 5:30 Uhr die Pferde im Gestüt Höny-Hof im hessischen Oberaula versorgt, „da gibt es nur uns beide, die sich um alles kümmern“, und sich dann mit dem Transporter auf den Weg gemacht. Höchstpersönlich holen sie Salve Annetta, wie die drei genannten Derby-Kandidaten auch eine Enkelin der großartigen Salve Regina (Monsun), heim ins Gestüt. Denn sie wird Mutterstute, war bei ihrem letzten Rennen, dem Großen Heinrich-Vetter-Badenia Listenrennen in Mannheim Dritte, holte also endlich das langersehnte Black Type. Es war die letzte Chance und der Plan ging auf, denn sie war da schon tragend von Best Solution, die überschießenden Hormone können da manchmal den entscheidenden Kick geben ...
Sieger im Hoppegartener Derby-Trial und Co-Favorit für Hamburg: Sea of Sands (rechts) ist mit Lukas Delozier nach Kampf mit einem Kopf vor Lord Charming mit Bauyrzhan Murzabayev vorn. ©galoppfoto - Frank SorgeZehn Tage sind es noch bis zum Derby, in dem es um eine Gewinnsumme von 650.000 Euro, aber noch vielmehr um Ruhm und Ehre geht. Da kommt so ein Termin natürlich gerade recht. Und weil es die Temperaturen zulassen, geht das kostbare Lot mit den drei Derbykandidaten erst nach Ankunft von Simon und Theresa raus. Die begrüßen jedes Pferd einzeln, „hi, my big boy“, wird Sea of Sands vom Gestütsleiter „made in Ireland“ mit Küsschen bedacht, der knabbert dafür begeistert dessen Jacke an. Dem Sieger im Hoppegartener Derby-Trial, was ihm ein GAG von 92 Kilo und aktuell gemeinsam mit Dolcetto hinter Alter Adler (4,5:1) den Platz als Co-Favorit zum Kurs von 7,5:1 auf dem RaceBets-Langzeitmarkt einbringt (Stand 24.06.), wird nachgesagt, er sei sehr nervös vor dem Rennen, weshalb man ihm den Derbysieg nicht zutraue.
Ein Stall voller Stars: Vorne sieht man Höny-Hofs Gestütsleiter Simon Minch mit Sun of Gold, dahinter Theresa Lotz mit Sea of Sands, ganz hinten ist mit Gestüt Paschberg Quebueno mit Trainer Jean-Pierre Carvalho noch ein möglicher Derbystarter im Bild. Sassoon schaut leider gerade nicht aus seiner Box. ©Turf-Times/Frauke DeliusDoch unisono anworten sowohl der Züchter als auch der Trainer mit den Worten: "Das ist völliger Quatsch." Der Sea of Sands, den ich in Mülheim sehe, wirkt sehr gelassen, „der ist nicht nervös“, korrigiert auch Simon Minch, „der ist ungeduldig, der will auf die Rennbahn, das ist ein Fighter, der gewinnt am liebsten mit einem kurzen Kopf, oder mit Nase, deshalb ist der so“, augenzwinkernd wird noch ein, „gibt es eigentlich auch einen Richterspruch kurze Nase“, hinterhergeschickt. Im Sattel wird nach dem Ausfall des bisherigen Favoriten Best of Lips nun doch Lukas Delozier sitzen, der sich nach der Union zunächst anders entschieden hatte. Doch Freud und Leid liegen in diesem Sport oft dicht beieinander, der bisherige Jahrgangsbeste verletzte sich im Training, nicht schwer, aber beim Derby kann er nicht laufen. „Ich habe die Entscheidung von Lukas für Best of Lips damals verstanden“, so Carvalho, „aber jetzt bin ich froh, dass er doch Sea of Sands reitet, denn er kennt das Pferd bestens, hat ihn bei allen seinen bisherigen Rennen geritten.“
Gelungener Start ins Rennjahr 2021: Sassoon gewinnt mit Robin Haedens ein gut besetztes Maidenrennen für den Derby-Jahrgang in Köln, in Hamburg wird Sibylle Vogt im Sattel sitzen. ©galoppfoto - Sandra ScherningDer Mann, der alle drei von klein auf kennt, kann zu jedem Pferd eine Geschichte erzählen. Sassoon, zweimal Sieger und Vierter im Prix Hocquart auf Gr. II-Parkett in Frankreich und mit einem GAG von 91 KG bewertet, sei auf der Koppel der Faulste gewesen, „Sun of Gold und Sea of Sands galoppierten in großen Kreisen um den rum, der stand in der Mitte, graste friedlich und hat sich wohl gedacht, dass die anderen so oder so wiederkommen“. Sibylle Vogt bekommt die Chance - die beste, die sie bislang wohl hatte - mit ihm im Derby, „auf Wunsch der Besitzer“, betont der Trainer, „aber ich bin damit sehr einverstanden. Wir haben sie schon vor einer Weile gefragt, aber erstmal musste sich klären, wer für den Stall von Peter Schiergen, wo sie den zweiten Ruf hat, ins Derby kommt, da der mit Imi nur einen Starter hat, ist Sibylle frei für uns." Alle drei Höny-Hofer liegen in der Einschätzung des Handicappers nur 1,5 Kilo auseinander, „ich kann nicht sagen, wer der Beste ist“, behauptet Simon Minch, „auf jeden Fall sind sie alle bodenunabhängig, genauso wie ihre Großmutter Salve Regina.
Hat drei Enkel im Derby: Salve Regina, die 2015 verstorben ist, die Gründerstute im Gestüt Höny-Hof war selber Diana-Siegerin und Zweite im Derby, jetzt sollen Sea of Sands, Sun of Gold und Sassoon für sie in Hamburg Ehre einlegen. ©galoppfoto - Frank SorgeDie Monsun-Tochter aus der Karlshofer „blue hen“ Sacarina ist nicht nur die rechte Schwester der Derbysieger Samum und Schiaparelli, sie war selbst eine großartige Rennstute: Diana-Siegerin und Zweite im Deutschen Derby 2002, das jetzt einer ihrer drei Enkel gewinnen soll. Salve Regina brachte zwar als Zuchtstute mit Salve Germania, die in die USA verkauft worden ist, eine Gruppesiegerin, aber der ganz große Wurf gelang der 2015 verstorbenen Monsun-Tochter nicht sofort, „das ist ja oft bei den Stuten so, die auf der Rennbahn so erfolgreich waren“, glaubt Minch, „denn ihre rechte Schwester Sanwa, die im Gestüt Görlsdorf steht, ist nie gelaufen, hatte aber mit dem Derbysieger Sea the Moon gleich einen Volltreffer“. Deshalb war Geduld gefragt und eine Prise Speed, wie Simon Minch befand, weil schließlich auch Samum und Schiaparelli als Deckhengste in der National Hunt-Zucht gelandet seien. Deshalb habe er für die Töchter der Salve Regina (von denen es sieben gab und keinen einzigen Hengst) die passenden Partner gesucht: So ist beispielsweise der 2000 Guineas Sieger King’s Best der Vater von Sun of Golds Mutter Salve Aurora und Dansili der Vater der Sassoon-Mutter Salve Estelle. Nun soll geerntet werden.
„Wenn wir Pech haben, dann werden wir 6., 9. und 12.“, scherzt der Höny-Hofer Gestütsleiter, „aber so eine Chance bekommt man nicht oft, deshalb laufen auch alle drei, denn der eine kann Pech mit der Startbox haben, für den anderen passt der Rennverlauf nicht und für mich können alle gewinnen.“ Gewann ein stark besetztes Maidenrennen in Mülheim und war später Vierter im Union Rennen: Sun of Gold - hier mit Lukas Delozier - wird im Derby von René Piechulek geritten. ©galoppfoto/Stephanie GruttmannAuch Sun of Gold, der bei der wichtigsten Derby-Vorprüfung, dem 186. Sparkasse KölnBonn Union-Rennen den vierten Platz belegte und mit 90,5 KG die schlechteste GAG-Marke des Trios hat, „aber wir wollten uns in diesem Rennen nur sicher für das Derby qualifizieren, das war der Plan“, heißt es von Trainerseite, „was zählt ist das Derby, nicht die Vorbereitungsrennen. René Piechulek wird den Sea The Star-Sohn reiten, „er hat für mich mit Mythico das Mehl Mülhens-Rennen gewonnen und in der letzten und auch in dieser Saison ist es sehr, sehr gut für ihn gelaufen“, betont Carvalho. Zweimal war das Gestüt Höny-Hof Zweiter im Derby, nach Salve Regina war es der selbstgezogenen Palace Prince (Areion), der auf den Vize-Platz lief. "Den haben wir damals nach seinem Sieg in einem Listenrennen in Frankreich nachgenannt", erinnert sich Simon Minch, "den habe ich im selben Transporter, mit dem wir heute Salve Annetta abholen, höchstpersönlich von Köln aus nach Hamburg gefahren, weil der damalige Transporteur in der Nachmittagshitze losgefahren ist, das wollte ich nicht, außerdem ist unser Transporter voll klimatisiert." Der Höny-Hofer Gestütsleiter überlässt nichts dem Zufall, im Stall von Jean-Pierre Carvalho besucht er auch die noch nicht gelaufene Indian Sunset, die zweijährige Areion-Tochter stammt aus der Schlenderhaner Zucht und wurde bei der BBAG ersteigert: "Ich hoffe, dass sie gewint und vielleicht sogar Black Type holt, mit der möchte ich eine neue Zuchtlinie aufbauen." Direkt in der Box nebenan steht eine beeindruckende Fuchsstute von Le Havre mit dem schönen Namen Salve le Mer, auch sie ist als Tochter von Salve Haya natürlich eine Salve Regina-Enkelin, mit der man im nächsten Jahr die Diana anpeilt.
Zünftig: Zweites Frühstück mit Rührei von familieneigenen Hühnern, serviert vom Co-Trainer Pascal Jonathan Wernig (oben links). ©Turf-Times/Frauke DeliusEs war ein ausgesprochen nettes Treffen, zehn Tage vor dem Derby, das einem die schönen Seiten des Rennsports gezeigt hat. Zum 2. Frühstück gab es Rührei mit Toast und Kaffee, zelebriert vom Co-Trainer Pascal Jonathan Werning, die Eier stammen von familieneigenen Hühnern aus Dortmund. Es wird geflachst, wenn jemand wüsste, wer von den drei Höny-Hofern der Beste ist, dann sei das Pascal. Und der Co-Trainer grinst und meint, „man sollte doch im Derbyführring auf denjenigen am Führzügel achten!“ Ein guter Tipp für die späten Wetter. „Ich habe alle drei Pferde schon lange gewettet“, erzählt Simon Minch, „für alle habe ich gute Kurse und am Derbytag spiele ich eine dicke Dreierwette mit unseren Pferden auf der Bahn.“ Was soll dann der Trainer dazu schon noch sagen? Der macht das mit seinem französischen Charme. „Es gibt doch da ein passendes deutsches Sprichwort: Es wird schon schiefgehen!“