TurfTimes:
Ausgabe 244 vom Donnerstag, 06.12.2012
Mit dem dreitägigen Winter-Festival auf „The Racecourse Newbury“ stand am vergangenen Wochenende ein echtes Highlight im National Hunt Sport an. Höhepunkt des Festivals war und ist der Hennessy (Cognac) Gold Cup, ein Grade 3-Handicap, das neben dem Grand National eindeutig zu den renommiertesten Handicaps der Insel gehört. Die Rennbahn von Newbury, welche seit Jahrzehnten hochklassigen Sport anbietet, aber trotzdem unter finanziellem Druck steht (Newbury ist unabhängig, d.h. gehört keinem der großen Rennbahnbetreiber wie Arena Leisure, Northern Racing oder Jockeyclub-Racecourses an; Defizite werden seit Jahren vom Vorstandsmitglied Eric Penser ausgeglichen, gerade hat man Filet-Stücke des Grundstückes für den Wohnungsbau verkauft), hat nun unter neuem Corporate Design auch dieses Meeting ein wenig umstrukturiert, die Gerry Feilden Hurdle auf den Donnerstag geschoben und ein recht wertvolles Handicap vom Samstag auf den Freitag vorverlegt. So war interessanter Sport an allen drei Tagen gegeben, und auch das Wetter spielte mit, obwohl Newbury ob der kalten Temperaturen an allen Tagen das Geläuf komplett eindecken musste, und der Boden durchaus weich und ermüdend war.
In Newbury Horses findet ein dreitägiges Hindernis-Festival der besonders mitreissenden Art statt: www.galoppfoto.de - John James Clark
Die Höhepunkte am ersten Tag waren ohne Zweifel der Sieg von Harry Topper in der zur Grade 2 gehörenden Worcester Novices´ Chase, und der Sieg von dem vom Gestüt Ittlingen gezogenen Paolini-Sohn Lyvius in eben der Gerry Feilden Hurdle, einem Listen-Rennen. Harry Topper, ein Sohn des irischen Derby Siegers Sir Harry Lewis und in guten Händen bei einem wiedererstarkten Kim Bailey, gewann nach einem sehenswerten Ritt von Timmy Murphy – immer hinten, war Harry Topper am letzten Sprung meilenweit zurück Vierter, um dann von Murphy, mit wenig Peitscheneinsatz gebeten, mit langgezogenem Speed alle Favoriten abzufangen und genau auf der Linie den Kopf in Front zu haben. Leider stürzte Murphy dann am Freitag schwer, und wird nun mindestens sechs Wochen außer Gefecht sein.
Lyvius, Sohn der Monsun-Stute Lysuna, gewann sein Listen-Rennen gegen Edgardo Sol, und läutete damit nicht nur symbolisch den Champions-Kampf zwischen den beiden Goliaths des National Hunt, Nicky Henderson und Paul Nicholls, ein. Lyvius´ Trainer Nicky Henderson hatte sich extra die deutsche Form seines Schützlings anguckt, bekannte aber: “Ich wusste nicht so genau, wonach ich schaue, da ich nicht wusste, was „soft“ auf Deutsch heißt.“
Dynaste mit Tom Scudamore springt in den Fullers London Pride Novices Chase am besten. www.galoppfoto.de - Frank Sorge
Der Freitag stand ganz im Zeichen der „Berkshire Novices´ Chase“, ein Rennen, welches im letzten Jahr Bobs Worth gewann. In diesem Jahr trug sich der Schimmel Dynaste aus dem Stall von David Pipe in die Siegerliste ein, ein französisch gezogener Wallach von Martaline, der im letzen Jahr mehrmals vergeblich mit Big Buck's die Klingen kreuzen musste, nun aber als Nachwuchs-Chaser endlich das Selbstvertrauen aufbessert. Emotionaler Höhepunkt des Tages war ohne Zweifel der 33/1 Sieg des alten Haudegen Fair Along, mittlerweile 10jährig und als Alkalde-Sohn aus der Acatenango-Stute Fairy Tango auch ur-deutsch gezogen. Nach einigen wirklichen unterirdischen Leistungen folgerichtig großer Außenseiter, aber eigentlich das „Klasse-Pferd“ im Rennen, hielt sich der eisenharte Wallach unter seinem Piloten Richard Johnston weitestgehend im Hintertreffen auf, machte dann aber während des Rennens an der Innenseite stetig Boden gut, war eingangs der Geraden zur Stelle und kämpfte sich gegen den weiteren großen Außenseiter Cucumber Run nach Hause. Auch wenn wohl eher wenige Zuschauer nach dem Rennen mehr Geld in der Tasche hatten, gab es besonders herzlichen Applaus; das National-Hunt-Publikum ist überhaupt ein besonderer Schlag: als Paul Nicholls´ Starter The Knoxs in einem Rennen schwer stürzte, harrten eine Vielzahl der Anwesenden mit angstvollem Blick am Geläuf aus, auf dem natürlich die „Screens“ zum Schutz aufgebaut waren. Lange Minuten vergingen, und niemals hat dieses Warten etwas Sensationslustiges, sondern eindeutig ist die Sorge der Besucher; dann senkten sich die Screens und man konnte einen Blick auf ein stehendes Pferd erhaschen. Sofort brandete Applaus auf, der sich noch verstärkte, als The Knoxs, „shaken“ aber unverletzt, am Publikum vorbei gen Stall geführt wurde. Man ist mit dem Herzen dabei.
Big Buck's mit Ruby Walsh bei seinem Sieg in den Sportingbet Long Distance Hurdle. www.galoppfoto.de - John James Clark
Am Samstag betraten dann endlich die Stars der Show die Rennbahn, vierbeinig versteht sich. „Frankel-wer?“ wird sich der eingefleischte Hindernis-Fan fragen, hat die Szene doch seinen Helden in Form von Big Buck's. Nachdem Trainer Paul Nicholls nach einer grandiosen Saison 2011/-12 nun auf einen Schlag ohne die Leistungsträger und Stars Denman, Neptunes Collonges, Master Minded und natürlich Kauto Star auskommen muss, ist Big Buck's der einzige aus der alten Garde, der zu weiteren Großtaten bereits steht, und dass er in seiner Sphäre, den Hürdenrennen für Steher, keine Gegner kennt, stellte er auch in der Long Distance Hurdle klar, die er nun zum 4. Mal in Folge gewann, sein – man hat nicht mehr genügend Finger zum Zählen – 18. (!) Sieg in Folge. Seit er vor nunmehr vier Jahren – im Hennessy 2008 – seinen damaligen Reiter Sam Thomas am letzten Sprung verlor, und man wieder zurück zu den Hürden wechselte, hat der fast schwarze Wallach, der zu Hause als großes Sensibelchen bekannt ist, im Ziel keinen Gegner mehr vor sich dulden müssen. Auch hier war es erneut „business as usual“, und Big Buck's musste kaum aus dem zweiten Gang kommen, um angehalten und weit vor dem Ziel von Ruby Walsh bereits gelobt, mit offiziell neun Längen zu gewinnen.
„Ich glaube, er ist so gut, wenn nicht besser als letztes Jahr, er sieht auf jeden Fall noch besser aus. Er ist nun richtig professionell, entspannt sich und macht sein Ding. Ich weiß, dass Hürden-Rennen nicht so sexy wie Chases sind, aber was soll er mehr machen als gewinnen? Er wird irgendwann verlieren, sicher wird er das, so ist der Sport, aber so wie er im Moment drauf ist, wird das noch ein wenig dauern, und da muss schon ein richtig Guter kommen ….“ Äußerte sich ein sichtlich zufriedener Paul Nicholls, während seine Ehefrau Georgie Brown es sich nicht nehmen ließ, den Crack selber zu einer Ehrenrunde und zum Abduschen zu führen. Schade nur, dass ein Pferd wie Big Buck´s nicht noch größere Massen auf die Rennbahn lockt. Wenn man bedenkt, welche große Zuschauerzahlen ein Frankel im letzten Jahr auf die Bahnen gebracht hat, und hier ein Pferd sieht, welches seine Konkurrenz in noch viel größerem Maße und schon seit viel längerer Zeit so vollkommen beherrscht, sollte die Euphorie um diesen Ausnahme-Hürdler doch noch so viel größer sein.
Bobs Worth mit Barry Geraghty nach den Sieg im Hennessy Gold Cup Chase. www.galoppfoto.de - John James ClarkWie bereits erwähnt, gewann vor Jahresfrist ein gewisser Bobs Worth ein Nachwuchsrennen für Chaser. Damals sahen wir ihn zum ersten Mal, nach einer hocherfolgreichen Hürden-Karriere war er damals schon ein „Talking Horse“, und obwohl er an vielen Stellen als eher unscheinbar und unauffällig beschrieben wird, waren wir ihm sofort verfallen. Bobs Worth, ein Bob Back-Sohn aus einer King's Theatre-Mutter, ist nicht der bullige Denman-Typ, alles in ihm ist etwas kleiner, feiner, aber er hat ein wunderbaren Kopf mit einem sprechenden Auge, und er spricht selber eine umso lautere Sprache auf der Rennbahn. Nach seinem überzeugenden Sieg beim Cheltenham-Festival im März 2012 wurde er hier schon lange als Favorit gehandelt, und dieser Favoritenstellung wurde er in einem stark besetzen Rennen, das toll gelaufen wurde, in mehr als ansprechender Art gerecht. Außer einem frühen Fehler sprang er flüssig und sicher für seinen Reiter Barry Geraghty, der im Übrigen auch einmal sein Besitzer war. Es war Geraghty, der einen jungen Bobs Worth als Jährling erwarb, aufzog, ausbildete und über die Doncaster Sales an seinen Boss Nicky Henderson weiterverkaufte.“ Nicky hat ihn mir gestohlen“ sagt Geraghty gerne unter Hinweis auf die eher magere Marge, die er erzielte; aber was konnten Pferd (und Geraghty) schon besseres passieren, als eben in die Obhut von Nicky Henderson zu geraten?
Henderson, der seit 1978 in Lambourne trainiert und konstant einer der Top-Trainer des Landes ist, hat nun seit Jahren eine verwirrende Vielzahl von Talenten im Stall, und ist einer der Hindernis-Trainer, der auch mit Stuten große Erfolge feiert. Sein Privatleben ist chaotisch und Quelle vieler Legenden, aber er kann seine Pferde „lesen“ wie kaum ein Zweiter, und über Bobs Worth sagte er nach dem Rennen:“ Ich war nicht sicher, ob ich ihn pünktlich zum Rennen in Form bringen würde, aber als ich ihn mir Mittwoch [vor dem Hennessy] beim Abend-Rundgang anguckte, dachte ich: Aber Hallo. Es war wie eine Rose, die vor meinen Augen zu blühen begann. Da wusste ich, wir würden am Samstag eine gute Chance haben!“ Barry Geraghty war verständlicherweise ebenso begeistert: „Dieser Sieg bedeutet mir noch so viel mehr, da ich ihn (Bobs Worth) ja schon etwas länger kenne. Man darf ihn während des Rennens nicht zu viel fragen, sondern ihn langsam kommen lassen und dann aufbauen, aufbauen, aufbauen. Er ist nur klein, aber er hat ein riesiges Herz, und alles was er will, ist dir zu gefallen.“
Catrin Nack