Der Arc-Countdown läuft: Frankie goes to Mülheim
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TurfTimes:
Der Jockey-Weltstar war gut drauf. Verteilte Kusshändchen, gab Interviews, machte Selfies und signierte eine Jockeyhose mit seinem Namen drauf. Frankie Dettori war eigens von England aus nach Mülheim in den Rennstall von Marcel Weiß gekommen, um Torquator Tasso in der Abschlussarbeit für den 101. Prix de l’Arc de Triomphe zu reiten. "Den Vorjahressieger", betonte er, "es sind nur noch wenige Tage bis zum Rennen. Es ist aufregend. Fingers crossed." In Mülheim war er das erste Mal im Leben und grüßte für die Handykamera von Ex-Jockey Filip Minarik, der bei der Buchung des Weltstars behilflich gewesen war, aus Düsseldorf, aber dieser kleine Lapsus sei ihm verziehen. Am Abend vorher war er nämlich tatsächlich in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt gelandet und von dort aus von Julia Römich, die im Stall ansonsten für die Medienarbeit zuständig ist, in ein Hotel in Duisburg gefahren worden. Als Unterhaltungsprogramm diente dort dem Vernehmen nach das Fußball-Länderspiel England gegen Deutschland, bis er am frühen Dienstagmorgen auf die Mülheimer Rennbahn gefahren worden ist. Da kann man schonmal durcheinander kommen.
Der 51-jährige gebürtige Italiener ist der erfolgreichste Jockey der Welt, hat mehr als 500 Grupperennen gewonnen, darunter auch sechsmal das prestigeträchtigste der Welt, um das es jetzt auch wieder geht: Den Prix de l’Arc de Triomphe in ParisLongchamp. Torquator Tasso tritt dort als Titelverteidiger an, nachdem er im letzten Jahr mit René Piechulek im Sattel als 72:1-Außenseiter für die Sensation gesorgt hat. „Aufgeregt bin ich vor jedem Rennen mit ihm“, meint sein Trainer Marcel Weiß, „aber in diesem Jahr ist es noch etwas anders. Wir stehen viel mehr im Fokus. Der Druck ist größer. Im letzten Jahr haben wir gar nicht daran gedacht, dass wir gewinnen könnten, diesmal wäre ich enttäuscht, wenn wir nicht wenigstens auf den Plätzen 1 bis 3 landen.“
Ein bißchen Presserummel um den Starjockey
Von einem riesigen Presserummel kann man noch nicht wirklich sprechen, der sich da am Dienstagmorgen in Mülheim auftut, aber für deutsche Verhältnisse ist das schon was. Die Fachpresse ist vertreten, manche Fotografen gar zum ersten Mal seit Marcel Weiß vor drei Jahren den Diana-Stall übernommen hat. Dazu eine Reporterin von Equidia, dem französischen Galopp-Sender und ein Dutzend Galoppfans, die aus den diversen Internetforen von diesem Termin erfahren haben.
In den Stall darf offiziell keiner, aber Filip Minarik, der nach seinem schweren Sturz vor zwei Jahren nicht mehr reiten kann, ist jetzt für Pferdewetten und in Sachen Social Media in der Szene unterwegs. Er hat uns seine Bilder für die Turf-Times-Berichterstattung übermittelt und dann hatten wir noch das Glück, dass Frankie Dettori vor dem Stall zu uns kam und uns ein Exklusiv-Interview gegeben hat. Das ist im neuen RaceBets Video-Podcast, der am Freitag erscheint zu hören, aber in Auszügen auch auf den Social Media-Kanälen von Turf-Times. Der Starjockey war allerbestens gelaunt und hatte, während Miguel Lopez als Jockey im Stall wie immer den vierbeinigen Crack fertigmachte, anscheinend sogar ein wenig Langeweile. So erzählt er uns lachend, dass er leider nur zwei rechte Handschuhe eingepackt habe und war in Plauderlaune, das haben wir schon ganz anders erlebt. Ein nettes Selfie gab es obendrein.
Sein morgendliches Engagement im Diana-Stall war der Wunsch, um nicht zu sagen „die Bedingung“, des Trainers und des Besitzers Peter-Michael Endres nach dem 2. Platz von Torquator Tasso im Wettstar Großer Preis von Baden, Gr. I, für das Engagement von Dettori im Arc gewesen. Der hatte durch die zweiwöchige Sperre, die er sich mit dem Torquator Tasso-Ritt eingehandelt hat, ohnehin Zeit. Erst am Arc-Tag darf er wieder Rennen reiten. „Das wird ein ganz anderes Rennen werden als in Baden-Baden“, so Dettori, „da sind 20 Pferde am Start und nicht nur vier wie in Baden-Baden, das wird einen ganz anderen Rennverlauf und ein ganz anderes Tempo werden." Außerdem ist das ein Rechtskurs, der dem Ausnahmegalopper mehr liegen soll. "Auch deshalb wollten wir, dass Dettori ihn noch einmal reitet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, mit ihm rechtsherum zu galoppieren", so der Trainer. Bei so einem Rennen kommt es auf jedes Detail an.
Bei der Frage, wie es den den Stall findet, gab sich der Weltstar, der sicher anderes gewohnt ist, diplomatisch. Dazu könne er noch gar nichts sagen, später lobte er dann aber das Geläuf, das sei super gewesen. Überhaupt waren alle nach der Abschlussarbeit zufrieden, der Jockey, der Trainer, aber auch der „Altmeister“ Uwe Ostmann, der Vorvorgänger von Marcel Weiß im Diana-Stall, der nur eine einzige Abschlussarbeit von Torquator Tasso verpasst hat, „das war vor seinem 2. Platz in den King George and Queen Elizabeth Stakes in Ascot, da war ich im Urlaub, habe aber Videos zugeschickt bekommen.“ Zum Auftritt von Dettori hat er natürlich auch eine Meinung, „das finde ich richtig, dass er ihn auch einmal in der Arbeit reitet, um das Pferd besser kennenzulernen, das hat in Baden-Baden noch nicht so richtig gepasst.“ Nach dem Galopp, wie immer mit seinem Boxennachbarn, der in der ersten Runde noch das Führpferd gab, aber als das zweite Mal an den Tribünen vorbeiging, weit hinter Torquator Tasso lag. „Der ist auf dem weichen Geläuf sehr gut galoppiert“, gab Frankie Dettori zu Protokoll, und Uwe Ostmann befand, „das sah genauso aus, wie die Abschlussarbeit vor einem Jahr vor dem Arc. Absolut identisch.“
Drei Aderflug-Söhne im Arc
Auch das Wetter in Paris soll ähnlich werden wie im letzten Jahr, mit Regen vor dem Art-Tag, richtiges „Adlerflug-Wetter“ also, denn die Nachkommen des im letzten Jahr verstorbenen Deckhengstes mögen es gerne weich unter den Hufen. Und davon gibt es gleich drei im 2022-er Arc-Feld, das jetzt nach einem Hin und her auf 20 Starter limitiert worden ist. Das sind neben Torquator Tasso auch Mendocino, zu dem wir gleich kommen, auch noch der aus der Zucht des Gestüts Römerhof stammende Alenquer, der derzeit bei RaceBets im Langzeitmarkt aber der längste Außenseiter ist und unter der Regie von William Haggas für englische Interessen läuft. Dazu kommt natürlich noch Mare Australis in Schlenderhaner Farben, der allerdings in Frankreich von Andre Fabre trainiert wird. Interessant ist die Jockeyverpflichtung: Der amtierende deutsche Champion Bauyrzhan Murzabayev wird den letztjährigen Sieger des Prix Ganay, Gr. I, reiten.
René Piechulek jetzt auf Mendocino
Was ist das für eine „Herz-Schmerz-und-dann-doch-irgendwie-wieder-gut-Geschichte“ um René Piechulek, der mit Torquator Tasso so große Erfolge erlebt hat, mit ihm zum Arc-Sieg „geflogen“ ist und ihn nun aus den bekannten Gründen nicht reiten kann. Danach wurde er natürlich auch in einer Zoom-Konferenz für die internationale Fachpresse von France Galop gemeinsam mit der Trainerin Sarah Steinberg, die auch seine Lebensgefährtin ist. gefragt.„Ich habe einen Vertrag als Stalljockey bis Ende 2022 für den Stall Salzburg unterschrieben und den erfülle ich“, heißt es dazu kurz und sachlich, „auch wenn Torquator Tasso natürlich mein Herzenspferd ist, mit dem ich soviel erreicht hab. Aber jetzt suche ich die Chance mit Mendocino, der hat Torquator Tasso schon einmal in Baden-Baden geschlagen, warum soll das nicht noch einmal gehen?"
Und dann stellt er selber, die Frage, ob es das denn schonmal gegeben habe, dass ein Jockey für seine Lebensfährtin als Trainerin den Arc gewonnen hat? Die Antwort darauf wird mit Sicherheit „nein“ lauten, weil Trainerinnen, die den Arc gewonnen haben, ohnehin die Ausnahme waren. Wir finden Criquette Head, die 1979 immerhin für ihren Bruder Freddie Head die Siegerin Three Troikas gesattelt hat, bei ihren beiden Siegen mit Trêve saß Thierry Janet im Sattel. Das war es dann auch schon. Sarah Steinberg und Rene Piechulek würden da ein neues Kapitel in der Arc-Geschichte schreiben. „Aber wir wollen nicht übertreiben“, meint die Trainerin, „wenn wir im Geld sind, dann ist das für uns schon ein großer Erfolg.“