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Die Alchemie der Zahlen - Wie die TRC Global Rankings entstehen

Welches Rating man auch heranzieht: Die Nummer eins bei den Jockeys weltweit ist Ryan Moore. www.galoppfoto.de

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 452 vom Donnerstag, 26.01.2017

Manche lieben sie, andere lehnen sie ab, doch für eines sorgen sie oft: kontroversen Gesprächsstoff. Ranglisten im Sport gibt es schon seit einer gefühlten Ewigkeit, mittlerweile zunehmend als globale Übersicht über die Besten einer Sportart. Sie bewerten die Leistung eines Sportlers in einer Disziplin transparent in einer Zahl und schaffen dadurch Vergleichbarkeit mit der Leistung anderer Sportler dieser Disziplin. In manchen Sportarten wie z.B. Fußball und Handball ist ihre Bedeutung gering, da es hier regelmäßig große Turniere gibt, in denen die Frage nach der global besten Fußball- oder Handballmannschaft beantwortet wird. Doch in anderen Sportarten wie z.B. Tennis hat die Weltrangliste eine entscheidende Bedeutung für die Feststellung, wer aktuell der beste Tennisspieler auf der Welt ist.

Der Galopprennsport nimmt beim Thema Ranglisten eine Sonderstellung ein. Als eine der ersten Sportarten überhaupt wurde hier eine vergleichende Bewertung von Leistungen verschiedener Vollblütern ersonnen, bei der kein direktes Aufeinandertreffen der Vollblüter notwendig war. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden vom englischen Jockey Club erste Schritte in diese Richtung unternommen, die sich in der Folgezeit zu immer ausgefeilteren Rating-Systemen verfeinerten. Diese zunächst rein nationalen Systeme wie hierzulande der seit 1939 existierende deutsche Generalausgleich mit seinem jedem Vollblüter zugewiesenen Generalausgleichsgewicht (GAG) wurde im Zuge der zunehmenden Globalisierung des Galopprennsport durch die länderübergreifende International Classification für die Elite der Vollblüter ergänzt. Durch einen Prozess der internationalen Abstimmung zwischen einer kontinuierlich wachsenden Zahl von Turf-Nationen konnte die International Classification den nationalen Rating-Systemen widerspruchsfrei an die Seite gestellt werden. Es ist ausgeschlossen, dass für die Spitzengruppe der in einem Land aktiven Vollblüter ein nationales Rating-System eine andere Reihenfolge angibt als die International Classification.

Während es auf Seiten der Vierbeiner somit eine globale Weltrangliste bereits seit einiger Zeit gibt, so sind Initiativen zur Erstellung von länderübergreifenden Ranglisten der zweibeinigen Sportbeteiligten (Jockeys, Trainer, Besitzer) jüngeren Datums. Nationale Jockey-, Trainer- und Besitzerchampionate werden zwar in allen Turf-Nationen ausgetragen, doch sind die Regeln unterschiedlich und der Fokus liegt stets auf den in diesem Land ausgetragenen Galopprennen, so dass daraus keine globale Rangliste entstehen kann. Mit den TRC Global Rankings, die in vier Kategorien (Jockey, Trainer, Besitzer, Deckhengst) für die international besten 500 Vertreter der jeweiligen Kategorie geführt werden, existiert seit drei Jahren ein ernstzunehmender Vorschlag, auch in diesen Bereichen des Turfs eine Weltrangliste zu etablieren. Angesichts der wachsenden Bedeutung der TRC Global Rankings wollen wir uns hier mit den Grundlagen für die Ranglistenerstellung beschäftigen. In einem separaten Beitrag in einer der nächsten Ausgaben werden wir uns den aktuellen Stand der TRC Global Rankings einmal genauer anschauen, doch zuvor sollen hier ein paar Worte zur Mathematik hinter der Erstellung dieser Rangliste Licht ins Dunkel der Zahlen bringen.

Um nationale Championatslisten der Jockeys, Trainer und Besitzer zu verstehen, bedarf es keiner besonderen mathematischen Fähigkeiten. Je nach nationaler Regelung werden entweder Siege oder Gewinnsummen in den Galoppprüfungen eines Landes innerhalb eines festen Zeitraums zusammengezählt. Derjenige Jockey, Trainer oder Besitzer mit der höchsten Siegzahl oder der höchsten Gewinnsumme steht in der Championatsrangliste oben. Den TRC Global Rankings liegt ein komplett anderer Ansatz zugrunde. Hier wird nicht einfach addiert, sondern es erfolgt eine komplex definierte Bewertung der Leistung über einen gleitenden Dreijahreszeitraum. In die Bewertung gehen dabei längst nicht alle Galopprennen ein, sondern es erfolgt eine Beschränkung auf die in der Datenbank der International Federation of Horse Racing Authorities (IFHA) verzeichneten Rennen mit internationaler Bedeutung aus 23 Turf-Nationen. Insgesamt werden rund 1450 Prüfungen pro Jahr berücksichtigt, aus dem deutschen Turf-Programm fließen ausschließlich die Gruppe-Rennen ein.

Die Leistungsbewertung eines Jockeys (oder analog Trainers/Besitzers) in einem einzelnen Rennen basiert auf dem Racing Post Rating (RPR), wobei dieses jedoch nicht direkt verwendet wird, sondern in einem komplexen Verfahren gewichtet wird. Bei dieser Gewichtung des RPR wird zunächst der Zeitpunkt des Rennens innerhalb des Dreijahreszeitraums berücksichtigt. Aktuelle Resultate bekommen stets ein höheres Gewicht als ältere Resultate, die zwar drei Jahre lang in die Berechnung eingehen, sich allerdings aufgrund einer exponentiell abnehmenden Gewichtungsfunktion länger zurückliegend kaum noch auf das Gesamtergebnis auswirken. Zudem gibt es eine Transformation der RPR-Werte, um den Einfluss von Abständen zwischen den Teilnehmern eines Rennens auf das RPR länderübergreifend zu vereinheitlichen. Details zur genauen Vorgehensweise hierbei sind dem Regelwerk der TRC Global Rankings nicht zu entnehmen.

Die zweite einflussreiche Komponente bei der Berechnung der Punktzahl für das TRC Global Ranking-System ist der sogenannte „Impact Value" (IV), den man als eine Verallgemeinerung der Siegrate bezogen auf alle Starts verstehen kann. Wenn beispielsweise ein Jockey bei 100 Starts den Zielstrich dreißigmal als Sieger passiert, so erreicht seine Siegrate beeindruckende 30%. Weniger beeindruckend ist diese Zahl jedoch, wenn er seine Siege ausschließlich in Drei-Pferde-Feldern errungen hat. Daher wird beim IV zusätzlich zur Siegrate auch die durchschnittliche Größe der Felder berücksichtigt. Zudem wird die IV nicht einmal über den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum berechnet, sondern es erfolgt auch hier eine zeitliche Gewichtung in der gleichen Art wie beim RPR.

Wer nach diesen Erläuterungen bereits den Eindruck gewonnen hat, dass die Berechnung kompliziert sei, der wird vom letzten Schritt vollends mathematisch an die Wand gedrückt. Die Punktzahl zur Aufstellung der Ranglisten wird nämlich nicht direkt aus den beiden oben erläuterten Komponenten berechnet, sondern es erfolgt ein weiterer Aufbereitungsschritt der sogenannten additiven Glättung der einzelnen Bewertungskomponenten durch ein modifiziertes Laplace Glättungsverfahren. Hiermit soll erreicht werden, dass Jockeys (oder Trainer/Besitzer), von denen nur wenige Daten zur Leistungsbewertung im Zeitverlauf vorliegen anders behandelt werden als solche, von denen viele Daten vorliegen. Die quantitative Bewertung der Leistung ist nämlich trotz aller mathematischen Genauigkeit der Berechnung stets mit einer statistischen Unsicherheit behaftet, die umso größer ist, je weniger Einzelinformationen zur Verfügung stehen. Eine höhere statistische Unsicherheit wirkt sich beim TRC-Algorithmus der Punkteberechnung stets so aus, dass eine stärkere Glättung der vorhandenen Werte in Richtung eines mittleren Leistungswerts vorgenommen wird. Damit wird verhindert, dass z.B. ein Jockey, der nur an wenigen Rennen aus dem IFHA-Datenpool beteiligt war, in diesen Rennen jedoch sehr erfolgreich agiert hat, ganz oben in der Rangliste landet.

Diese alles andere als vollständige Beschreibung der Berechnungsgrundlagen für die TRC Global Rankings (weitere Details sind in dieser 20seitigen Arbeit von James Willoughby zu entnehmen: klick) zeigt bereits, dass hier mit komplexen Algorithmen gearbeitet wird, die sicherlich nicht jedermanns Sache sind. Zahlreiche Stellschrauben der Algorithmen werden zudem laufend mit modernen Methoden des maschinellen Lernens optimiert und auf die wachsende Datenbasis angepasst. Für den Laien mutet dies wie statistische Alchemie an, die aus vielen Rennergebnissen eine gülden strahlende Bewertungszahl hervorzaubert, die zur Festlegung einer Weltrangliste verwendet wird. Statistikexperten bestätigten uns jedoch, dass die Vorgehensweise Hand und Fuß hat und modernen Techniken aus anderen Anwendungsbereichen durchaus entspricht. Alle Details über z.B. die länderspezifische Veränderung der RPR-Ratings und die genaue Form der zeitlichen Gewichtung legen die TRC-Schöpfer leider nicht offen, was man aus geschäftspolitischen Gründen zwar verstehen kann, was aber auch dazu führt, dass man die zugrunde liegenden Annahmen nicht beurteilen kann.

Als Konsument der TRC Global Rankings ist man ohnehin mehr an dem Resultat der mathematischen Operationen, sprich der konkreten Weltrangliste von Jockeys, Trainern, Besitzern und Deckhengsten, interessiert. Diese werden wir in einem separaten Beitrag in einer der nächsten Ausgaben beleuchten und dabei feststellen, dass die Spitzenpositionen genau von denjenigen eingenommen werden, die bei einer Umfrage mit großer Wahrscheinlichkeit auch von der weit überwiegenden Mehrheit der Turf-Fans genannt worden wären. Somit liefern die TRC Global Rankings die mathematische Bestätigung für das Gefühl vieler Turf-Fans, dass aktuell bei den Jockeys kein Weg an Ryan Moore vorbei führt, bei den Trainern Aidan O’Brien das Maß aller Dinge ist, Coolmore als global aufgestelltes Vollblutimperium die internationale Turf-Szene als Besitzer dominiert und Galileo bei den Deckhengsten in seiner eigenen Liga spielt.

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